Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 214c

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Vom Punkt zur vierten Dimension. Geometrie für Jedermann.
Vierzehntes Kapitel
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Parallelenaxiom, Axiome der Stetigkeit
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Wir sind aber jetzt von unserem eigentlichen Untersuchungsgegenstand, dem Axiomensystem Hilberts, etwas weit abgeirrt. Wir müssen uns also der Axiomengruppe IV zuwenden, die bloß ein einziges Axiom enthält. Nämlich das vielberufene, rätselhafte und gefährliche Axiom der Parallelen.
Es wurde von uns über den Begriff der Parallelen schon häufig gesprochen. Wir sind auch ziemlich genau darüber unterrichtet, was man unter Parallelen und Parallelismus zu verstehen hat. Es bleibt uns also nur noch übrig, jetzt dem Axiom der Parallelen, das auch als Euklidisches Axiom oder Axiom Euklids bezeichnet wird, seine präzise wissenschaftliche Formulierung zu geben.
Wir wollen dabei für dieses eine Mal „unser Prinzip aufgeben, die Axiome nur in der Fassung Hilberts zu bringen. Und wir schreiben uns jetzt den Wortlaut auf, in dem Euklid selbst sein sogenanntes fünftes Postulat formulierte. Er sagt: „Werden zwei Gerade, die in derselben Ebene liegen, von einer dritten geschnitten, und ergeben die beiden Innenwinkel auf der einen Seite der Schnittlinie eine Summe, die kleiner als zwei Rechte ist, so müssen die beiden Geraden, wenn sie genügend verlängert werden, einander schneiden, und zwar auf der Seite der Schnittlinie, wo die beiden Innenwinkel liegen, deren Summe kleiner als zwei Rechte ist.“
 
Die Winkel α und β sind zusammen kleiner und somit die Winkel γ und δ zusammen größer als 180 Grad oder zwei Rechte. Daher müssen sich g1 und g schneiden. Sie würden sich nur dann nicht schneiden, wenn (α + β) und damit (γ - δ) zusammen je zwei Rechte betrügen.
(Die Winkelzeichen sind der Einfachheit halber fortgelassen. In der Untersuchung über die Parallelen sind alle mit kleinen griechischen Buchstaben bezeichneten Stücke stets Winkel.)
(Alpha α, Beta β, Gamma γ, Delta δ, Epsilon ε, Zeta ζ, Eta η, Theta ϑ)
Aus dieser Überlegung gewinnen wir nun leicht die Beziehungen der Winkel untereinander, die an der sogenannten Transversale, also an der Geraden liegen, die zwei Parallele schneidet.
 
Da nämlich (α + β) = 180° sein muß und (α + γ) offensichtlich auch gleich 180° ist, so ist β γ.
Da aber anderseits (γ + δ) = 180° und (γ + α) ebenso zusammen 180° ausmacht, so ist wieder α δ.
Solche Winkel heißen innere Wechselwinkel, weil sie gleichsam die Seite der Transversale „wechseln“. Nun sind aber auch γ und ε [Epsilon], α und ζ [Zeta], ß und η [Eta], δ und ϑ [Theta] als Scheitelwinkel einander gleich.
Daher sind es auch ε und η oder ζ und ϑ als sogenannte äußere Wechselwinkel.
Als Gegenwinkel dagegen bezeichnet man je einen äußeren und einen inneren Winkel, die auf derselben Seite der Transversalen liegen, allerdings außerdem noch an verschiedenen Scheiteln. Also ζ und δ, γ und η, ε und β, α und ϑ. :Auch Gegenwinkel sind stets untereinander gleich, was aus den obigen Überlegungen leicht geschlossen werden kann.
Wir hätten noch die sogenannten Anwinkel zu erwähnen, die als je zwei äußere oder je zwei innere Winkel auf derselben Seite der Transversalen erscheinen. Also ζ und η, γ und δ, ε und ϑ, α und β. Daß die Anwinkel stets zusammen 2R oder 180 Grad als Winkelsumme ergeben, geht aus dem Postulat selbst als Bedingung des Parallelismus hervor oder kann aus unseren anderen Feststellungen leicht geschlossen werden.
Wir dürfen also unser „Postulat“ (unsere „Behauptung“, „Forderung“ oder „Annahme“) auch so aussprechen: Werden zwei Gerade von einer dritten Geraden in der Art geschnitten, daß je zwei Wechselwinkel gleich sind, dann sind auch alle entsprechenden Gegenwinkel einander paarweise gleich und die Anwinkel ergänzen einander paarweise auf 180 Grad (oder sind, wie man es auch nennt, „supplementär“).
(„Supplementär“ sind solche Winkel, die einander auf 2R oder 180 Grad ergänzen, „komplementär“ oder „Komplemente solche, die einander auf einen Rechten oder 90 Grad ergänzen.)
Natürlich kann man aus dem Postulat durch entsprechende Umkehrungen allerlei andere Sätze gewinnen, etwa, daß bei derartigen Winkelbeziehungen an der Transversale die beiden Geraden parallel sein müßten usw. Wenn wir nun noch eine dritte Gerade g', die in der Figur gestrichelt eingezeichnet ist, hinzunehmen, die ebenfalls von der Transversale geschnitten wird, und weiters postulieren, daß ihre Winkel sich sowohl zu den Winkeln an der Geraden g1 als auch zu den Winkeln an der Geraden g2 gemäß dem Parallelenpostulat verhalten, dann ist g sowohl zu g1 als zu g2 parallel. Daraus folgt aber, daß zwei Parallele, die zu einer dritten Geraden parallel sind, auch untereinander parallel sein müssen, weil dann auch zwischen diesen beiden Geraden alle zum Parallelismus erforderlichen Winkelgleichheiten bzw. Supplementaritäten bestehen.
Nach diesen Vorbemerkungen zum Parallelenaxiom machen wir darauf aufmerksam, daß ohneweiters eine Geometrie denkbar ist, bei der alle anderen Axiome mit einziger Ausnahme des Parallelenaxioms gelten. Etwa die gar nicht mystische oder überdimensionale Geometrie auf der Kugelfläche, bei der sich zwei „Gerade“ oder g-Linien (wie H. Mohrmann sagt: Einführung in die Nicht-Euklidische Geometrie), also die kürzesten Verbindungslinien zweier Punkte, falls sie parallel sind, stets in zwei Gegenpunkten schneiden; (Meridiane auf dem Globus sind am Äquator parallel und schneiden einander in den Polenl!) Wir werden über dies' alles noch ausführlich sprechen, da es ja mit ein Hauptzweck dieses Buches ist, volles Verständnis auch für die sogenannten „nichteuklidischen" Geometrien zu erwecken. Wenn also Geometrien, in denen das Parallelenaxiom nicht gilt, als „nichteuklidisch“ zu bezeichnen sind, dann darf man wohl, wie es auch allgemein üblich ist, die Geometrie, in der das Parallelenpostulat verwendet wird, als die „euklidische“ Geometrie bezeichnen. Diese Ankündigung wird den Anfänger wohl ein wenig verwirren oder erschrecken. Er war es ja bisher gewohnt, gerade „die Geometrie“ für die sicherste und unanfechtbarste Wissenschaft zu halten. Und nun soll es gar mehrere, anscheinend gleichrichtige Geometrien geben?! Gewiß, antworten wir ruhig. Es gibt nicht nur mehrere, sondern unendlich viele verschiedene Geometrien, die in sich richtig, logisch und geschlossen sind. Welche, von diesen Geometrien man wählt, ist nach Poincaré pure Konvention oder Verabredung. Allerdings hat nach unserer Ansicht diese „Verabredung“ doch gewisse Grenzen, die irgendwie mit der Natur des Geistes und des Weltalls zusammenhängen. Aber wir dürfen uns nicht allzutief in die schwierigsten Probleme der Philosophie der Mathematik verirren. Wir stellen nur noch einmal fest, daß der Satz von den Parallelen unbewiesen und unbeweisbar ist und daß unsere ganze gewöhnliche Schulgeometrie, die ihn akzeptiert, eine der unendlich vielen möglichen Geometrien, nämlich die sogenannte euklidische Geometrie ist; die wahrscheinlich für unseren Geist und für unsere Welt auch die bequemste ist. Poetisch könnte man sie als die „Sonnengeometrie“ bezeichnen, da zur Vorstellung des Parallelismus in unserer Welt sicherlich im Gegensatze zur Geometrie des Auges, die den Parallelismus eigentlich nicht kennt, unsere „Erfahrung“ der parallelen (besser, scheinbar parallelen) Sonnenstrahlen historisch und psychologisch viel beigetragen hat. Wir bewegen uns auch überall dort, wo nicht ausdrücklich das Gegenteil angegeben ist, stets in der „Sonnengeometrie“, also innerhalb einer das Parallelenpostulat benützenden und fordernden Geometrie. Und unsere Bemerkung über die projektive Geometrie möge auch nicht mißverstanden werden. Denn wir werden sie vorläufig ebenfalls unter rein euklidischen Gesichtspunkten behandeln und sie als gleichsam in den euklidischen Raum eingebaut betrachten.
Nun sind wir aber noch die Formulierung des Parallelenaxioms schuldig, die Hilbert für sein Axiomensystem gewählt hat. Er formuliert:
IV. „(Euklidisches Axiom.) Es sei a eine beliebige Gerade und A ein Punkt außerhalb von a: Dann gibt es in der durch a und A bestimmten Ebene höchstens eine Gerade, die durch A läuft und a nicht schneidet. Wir nennen dieselbe die Parallele zu a durch A.“
Dieses Parallelenaxiom ist gleichbedeutend oder äquivalent mit der Forderung:
„Wenn zwei Gerade a und b in einer Ebene eine dritte Gerade c derselben Ebene nicht treffen, so treffen sie auch einander nicht.“
Über die von uns schon einmal angeschnittene Frage, ob das Parallelenaxiom unmittelbar mit der Tatsache der l80grädigen Winkelsumme im Dreiecke äquivalent sei, ist viel diskutiert worden. Hilbert entscheidet die Frage in der Art, daß er bei Geltung des sogenannten archimedischen Axioms (von dem wir gleich sprechen werden) das Parallelenaxiom als durch den Satz von der l80grädigen Winkelsumme im Dreiecke ohneweiters ersetzbar behauptet.
Wir wollen also zur Verbreiterung unserer Kenntnisse uns ein wenig mit den Winkeln im Dreiecke befassen, wobei wir noch immer nur die Kongruenzbeziehungen von Winkeln, das Größer- und das Kleinersein und die sinnfällige Tatsache des gestreckten bzw. des aus der Nebenwinkel-Kongruenz definierten rechten Winkels verwenden. Von einer eigentlichen Winkelmessung ist an dieser Stelle noch nicht die Rede und darf auch innerhalb unseres axiomatischen Aufbaues noch gar nicht die Rede sein.
 
Wenn wir in unserem Dreieck ABC die Seite AB über B hinaus nach D verlängern, dann entsteht der  CBD oder Winkel η [Eta] als sogenannter Außenwinkel des Dreiecks im Punkt B. Wir zerlegen nun diesen Außenwinkel durch eine zu AC parallele Gerade BE in zwei Winkel δ und ε. Wenn wir jetzt weiters die Geraden BC und AD als „Transversalen“ der beiden Parallelen AC und BE betrachten, dann müssen alle Winkelsätze, die wir vorhin entwickelt haben, auch hier gelten. Es ergibt sich daher, daß der Winkel δ mit dem Winkel γ als Wechselwinkel und daß der Winkel ε mit dem Winkel α als Gegenwinkel gleich ist. Wenn also, wie aus der Anschauung und aus der Konstruktion hervorgeht,
die Winkel (β + δ + ε) zusammen zwei Rechte ergeben,
dann müssen wohl auch (α + β + γ), also die drei Winkel des Dreiecks eine Winkelsumme von zwei Rechten (oder 180 Grad) aufweisen. Aber es folgt aus unserer Konstruktion noch ein weiterer Satz. Da nämlich der „Außenwinkel“ des Dreiecks sich aus den mit α bzw. γ gleichen Winkeln ε und β zusammensetzt, so darf man behaupten, daß der Außenwinkel stets gleich ist der Summe der beiden Innenwinkel, die andere Scheitel haben als dieser Außenwinkel. Und man muß schließlich auch zugeben, daß der Außenwinkel stets größer sein muß als jeder dieser beiden Innenwinkel, da im gegenteiligen Fall ohne Überschreitung der l80grädigen Winkelsumme für den dritten Dreieckwinkel nichts oder sogar nur eine negative Größe übrig bliebe, was natürlich sinnlos und unmöglich ist.
Es bleibt uns jetzt nur noch die fünfte Axiomgruppe oder die Axiome der Stetigkeit zu besprechen übrig. Auf den ersten Blick werden uns gerade diese Axiome womöglich noch selbstverständlicher erscheinen als alle anderen. Sie sind es aber, die den sorglosen Gebrauch der anderen Axiome ermöglichen, da wir ohne sie zu ganz merkwürdigen Geometrien, wie zu einer „nichtarchimedischen“ Geometrie kommen könnten, die wir bloß erwähnen wollen. Wir stellen also fest:
V. l. „(Axiom des Messens oder Archimedisches Axiom.) Es sei A<1/sub> ein beliebiger Punkt auf einer Geraden zwischen den beliebig gegebenen Punkten A und B; man konstruiere dann die Punkte A2, A3, A4 ..., so daß A1 zwischen A und A2, ferner A2 zwischen A1 und A3, ferner A3 zwischen A2 und A4 usw. liegt, und überdies die Strecken AA1, A1A2, A2A3, A3A4 ... einander gleich sind. Dann gibt es in der Reihe der Punkte A2, A3, A4 ... stets einen solchen Punkt An, daß B zwischen A und An liegt.“
 
Einfach ausgedrückt heißt das nichts anderes, als daß es jederzeit gelingen muß, die kleinere Strecke AA1 so oft ahzutragen, daß das Ergebnis dieses Abtragens schließlich durch endliche n-fache Vervielfachung die zweite größere endliche Strecke AB übertrifft. Oder noch einfacher:
Strecke a < Strecke b.
Bei geeigneter Wahl von n muß einmal:
n mal Strecke a > Strecke b,
oder Strecke b <n mal Strecke a.
Wenn wir dieses Axiom gelten lassen, dann dürfen wir als letztes Axiom nun formulieren:
V. 2. „(Axiom der Vollständigkeit.) Die Elemente (Punkte, Gerade, Ebenen) der Geometrie bilden ein System von Dingen, das bei Aufrechterhaltung sämtlicher genannter Axiome keiner Erweiterung mehr fähig ist, das heißt: zu dem System der Punkte, Geraden, Ebenen ist es nicht möglich, ein anderes System von „Dingen“ hinzuzufügen, so daß in dem durch solche Zusammensetzung entstehenden System sämtliche aufgeführten Axiome I-V und V.1. erfüllt sind.“
Dieses letzte Axiom verlangt, daß nach einer allfälligen Erweiterung des Systems sämtliche früheren Axiome in der früheren Art und Weise gültig bleiben müssen, sofern man die früheren Beziehungen der Elemente nirgends stört. Ein Punkt etwa, der vor der „Erweiterung des Systems“ zwischen zwei anderen Punkten liegt, dürfte auch nach der Erweiterung nirgends anders liegen, und Winkel und Strecken, die vorher kongruent waren, müßten dies auch nach der Erweiterung bleiben usw.
Es sei nur angedeutet, daß diese letzten beiden Axiome der Stetigkeit dafür von größter Bedeutung sind, unsere aus vorliegenden Axiomengruppen gewonnene Geometrie als identisch mit der Cartesischen Geometrie nachzuweisen. Auf den Begriff der „Stetigkeit“ werden wir noch zurückkommen. Vorläufig sei nur angemerkt, daß unsere Stetigkeitsaxiome, obwohl sie über Konvergenz nichts aussagen, es gestatten, die Existenz der dem „Dedekindschen Schnitt“ entsprechenden Grenze und den Bolzanoschen Satz vom Vorhandensein der „Verdichtungsstellen“ nachzuweisen; Probleme, die wir noch nicht verstehen können, die ich aber gleichwohl schon hier nennen wollte.


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