Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 206c

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Vom Punkt zur vierten Dimension. Geometrie für Jedermann.

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Sechstes Kapitel
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Probleme des Auges
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Nach einhelliger Ansicht aller maßgebenden Geister sind an unserem geometrischen Denken von vornherein zwee Sinne beteiligt. Zuerst das Auge, dann der Tastsinn. „Geometrie am Ursprung“ ist nichts anderes als der Versuch dieser zwei Sinne, die Welt räumlich zu ordnen und zu begrenzen. Von einer Messung ist in diesem Stadium noch keine Spur. Der große Leibniz hat in der schon einmal zitierten Schrift über die Geometrie der Lage eine ungeheuer aufschlußreiche Bemerkung über die Ähnlichkeit von Figuren gemacht. Er definiert nämlich all das als ähnlich, was der Form nach nicht voneinander unterschieden werden kann. Um diesen Gedankengang zu erfassen, muß man sich noch weiter vorstellen, daß auch der Tastsinn ausgeschlossen bleibt. Der schauende Mensch hätte eigentlich keinen Körper und all sein Wesen wäre im schauenden Auge vereinigt. Dieses gleichsam „absolute Auge“ würde nun das einemal in einen größeren, das anderemal in einen kleineren Tempel geführt, die aber beide ansonst durchaus gleich wären. Beide hätten die gleichen Proportionen, Säulen, Standbilder, und beständen überdies aus dem gleichen Parischen Marmor. Wenn diese wandelnden Augen nun außerdem erst im Tempel geöffnet und vor Verlassen der Tempel wieder geschlossen würden, dann würden sie die beiden Tempel trotz des Größenunterschiedes durchaus nicht unterscheiden können. Denn Formunterschiede bestehen ja nicht.
Leibniz bemerkt dann weiter, daß, wenn man die „Ähnlichkeit“ als das formmäßig Nichtzuunterscheidende definiere, sich dann alle bezüglichen Eigenschaften ähnlicher Gebilde von selbst ergäben. Das Nichtzuunterscheidende setze etwa Winkelgleichheit, gleiche Proportionen, kurz, die relative Gleichheit entsprechender (homologer) Bestimmungsstücke voraus.
Auf den ersten Blick sieht diese Leibnizsche Auffassung wie ein Zirkelschluß aus. Und zwar wie der Schluß, auf den wir schon beim Entfernungsmesser des Thales von Milet stießen. Im Zusammenhang der Ausführungen Leibnizens schwindet jedoch dieser Eindruck. Denn er setzt ganz einfach den Anfang der Geometrie gleichsam an eine andere Stelle. Wir dürfen uns aber nicht in philosophische Dickichte verlieren, sondern fügen nur noch bei, daß auch die Hypothese des absoluten Auges durchaus nicht gewaltsam ist. Die Wirklichkeit stellt manchmal Tatbestände her, die von dieser Hypothese kaum abweichen. Es ist zum Beispiel eine altbekannte Erfahrungstatsache, daß man die „wirkliche Größe“ von reichhaltigeren Gemälden nie angeben kann. Wenn wir etwa ein Gemälde von Van Dyck im Museum gegen eine nicht allzu vergrößerte oder verkleinerte Kopie austauschten, so würde sicherlich jeder Durchschnittsmensch darauf schwören, daß er an der betreffenden Stelle stets ein und dasselbe Bild gesehen hat.
Wir wollen aber unsere psychologische Studie noch weiter vertiefen. Wir machten die'Bemerkung, daß noch kein Mensch in „Wirklichkeit“ parallele Gerade, etwa die Kanten des Kirchturmes, als Parallele erblickt habe. Man kann diese Behauptung sehr einfach erklären: Wir sehen eben alles auf der Welt „perspektivisch“. Das liegt im Wesen unseres Auges. Gut, zugegeben, daß dem so ist. Wie sind wir aber dann auf die von diesem Standpunkt aus naturwidrige Idee' verfallen, etwa parallele Gerade zu behaupten und den Parallelismus geradezu zum Mittelpunkt unserer, der sogenannten euklidischen Geometrie zu machen? Wobei wir durchaus nicht behaupten wollen, daß die perspektivische Geometrie den Gesetzen Euklids nicht folge. Wir bemerkten ja bloß, daß man Parallele nicht sehen könne.
Wir müssen also jetzt, um weiterzukommen, das menschliche Auge einer näheren Betrachtung unterziehen. Sehen ist an und für sich keine mystische Fähigkeit, sondern ein Abbildungsprozeß, der der Geometrie zugänglich ist. Der Einfachheit halber betrachten wir bloß ein Auge, da wir noch nicht vom Tiefenunterscheidungsvermögen sprechen. Wir dürfen es als nicht ganz unbekannt voraussetzen, daß sich die von allen Richtungen ins Auge eintretenden Strahlen, die wir als geradlinig behaupten wollen, alle durch die sammelnde Tätigkeit der Augenlinse im Inneren des Auges in einem Punkte schneiden. Wir haben also gleichsam einen Strahlenkegel, ein zentrisches Bündel von Strahlen vor uns. Nun kreuzen sich diese Strahlen im erwähnten Schnittpunkt und werfen, grob gesprochen, ein Abbild der Grundfläche des Kegels auf die Rückwand des Auges, wie wir dies der Fig. 13 entnehmen können.
 
Es ist nun weiters klar, daß jedem Punkt außerhalb des Auges, der einen Lichtstrahl aussendet, ein Punkt des Abbildes zugeordnet ist. Das Abbild ist eine Fläche, die wir der Einfachheit halber nicht als Kugelfläche, sondern als Ebene betrachten. Auf jeden Fall müssen wir erkennen, daß wir unter diesen Voraussetzungen niemals etwas anderes „sehen“ können als wieder Flächen. Und zwar eigentlich irgendwelche Kegelschnitte des ursprünglichen, ins Auge eindringenden Strahlenkegels. Auf dieser Eigenschaft des Auges beruht es ja auch, daß die Malerei, die Abbildung der ganzen Welt, auf der Fläche der Leinwand möglich ist. Ebenso ist die Photographie nichts anderes als eine Nachahmung des Abbildungsvorganges im Auge. Daher hat man auch paradox gesagt, das Auge sei eine photographische Kamera. Richtiger müßte man es umgekehrt ausdrücken, etwa: die photographische Kamera ist ein verabsolutiertes, selbständig gewordenes Auge. Wir haben also schon ganz eigentümliche Dinge, allerdings unter der unnachläßlichen Voraussetzung der Geradlinigkeit der Lichtstrahlen, erkannt. Zuerst sahen wir, daß rein perspektivisch ein einzelner Lichtstrahl einem Punkt oder besser einer ganzen Unendlichkeit von Deckpunkten entsprach. Ohne Zuhilfenahme anderer Sinne oder anderer Gefühle können wir zwar die Richtung genau angeben, in der ein Punkt liegt, niemals aber dessen Entfernung. Es ist speziell im Gebirgskrieg häufig vorgekommen, daß ein genau gerichtetes Geschütz auf eine feindliche Stellung schoß, deren Entfernung man nicht wußte, und daß die Schrapnells mehrere Kilometer vor dem Ziel tempiert waren und wirkungslos in der Luft verpufften. Man schoß eben im guten Glauben nicht auf den Zielpunkt, sondern auf einen viele Kilometer näheren Deckpunkt.
Weiters haben wir erkannt, daß Kegel und Fläche oder besser Kegel und Ebene miteinander in nahem Zusammenhang stehen. Man könnte etwas überspitzt behaupten, die ganze Welt, das heißt unsere Welt des reinen Auges, sei eine Kegelwelt oder eine Ebenenwelt. Unser sogenanntes „Gesichtsfeld“, das ist eben alles, was wir überhaupt sehen, ist nichts anderes als die auf die Rückwand des Auges geworfene Grundfläche eines sogenannten zentrischen Strahlenbündels, also eines Kegels. Wir müssen aber noch etwas beifügen, um vollständig korrekt zu bleiben. Diese Dinge gelten natürlich nur unter der Voraussetzung, daß' man den ganzen Vorgang des Sehens von außen betrachtet. Für den sehenden Einzelmenschen gibt es überhaupt nichts anderes als ein einheitliches, vorläufig flächenhaftes Abbild der Außenwelt.
Der Raum, der R3, das Körperhafte, Plastische oder wie man es nennen will, wurde psychologisch erst durch drei weitere Umstände in das flache Bild getragen. Zuerst durch den Muskeltastsinn des Auges selbst, durch das sogenannte Anpassungsgefühl oder das Akkommodationsgefühl, das jede Veränderung der Linsenkrümmung im Menschen erzeugt. Auch mit nur einem Auge ist durch diese Veränderung der sich der Entfernung anpassenden Augenlinse ein beschränktes Tiefenunterscheidungsvermögen vorhanden. Allerdings nur auf nähere Distanz. Denn von einer gar nicht so weit abliegenden Entfernung an stellt sich unsere Augenlinse auf „unendlich“ ein und verändert ihre Krümmung nicht mehr. Das zweite Werkzeug des Tiefenunterscheidungsvermögens ist die Zweiäugigkeit oder das sogenannte binokulare oder stereoskopische Sehen. Die Plastik aller Gegenstände hängt vom Augenabstand ab, da sie auf dem „Sehen unter verschiedenen Winkeln“ beruht. Je größer die Entfernung, desto größer muß der Augenabstand sein, um dieselbe Plastik hervorzurufen. Wer einmal aus dem Flugzeug auf die Erde hinuntergeblickt hat, oder wer das Scherenfernrohr kennt, bei dem man den „Augenabstand“ künstlich durch Vergrößerung des Objektivabstandes erhöhen kann, wird sofort zugeben, daß unsere Behauptung richtig ist. Es ist ja das wahre Kreuz des Fliegers, daß er aus größerer Höhe alles rein flächenhaft sieht und oft nicht einmal ansehnliche Berge von Ebenen unterscheiden kann.
Das dritte, sicherste Hilfsmittel der Tiefenunterscheidung ist der Tastsinn und die Bewegung. Kleinere „Körper“, also Teile des R3, kann man mit den Händen abtasten, um größere kann man herumgehen und kann sie unter den verschiedensten Winkeln betrachten. Um etwa von einem menschlichen Antlitz und Kopf eine genaue Vorstellung zu geben, die an flächige Darstellung gebunden wäre, müßte man diesen Kopf aus möglichst vielen Winkelrichtungen photographieren. So stellt auch das sogenannte „Erkennungsverfahren“ Bertillons, die allbekannte Verbrecherphotographie, jeden Verbrecherkopf photographisch mindestens von zwei Seiten, nämlich von vorne und vom Profil, dar.
Wir wollen nicht verschweigen, daß unser Sehvermögen doch weitaus mystischer ist, als wir ursprünglich aus pädagogischen Gründen behaupteten. Ein Teil des Sehens ist nämlich durchaus nicht bloß eine geometrische Angelegenheit, sondern einer verwickelte seelische und geistige. Tätigkeit. Die sogenannte „Übung des Auges“, die jeder Sportsmann, Handwerker und Zeichner kennt, läßt sich bis zu ansehnlichen Graden vortreiben. Oft sogar bis zu beinahe unerklärlichen. Darauf hat schon vor mehr als einem halben Jahrhundert der große Physiker und Mathematiker Helmholtz hingewiesen. Da wir nun aber weder Psychologen noch Sinnesphysiologen sind, begnügen wir uns mit der Erwähnung solcher Tatsachen und fügen bei, daß dem Leben überhaupt ja stets ein durch den Verstand nicht mehr faßbarer irrationaler Rest anhaftet. Wir aber wollen und müssen vorläufig eben das Rationale untersuchen.


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