Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 129c

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Geschichte der Mathematik (Teil 29)


Wie also kam Jost Bürgi in den Besitz seiner „Progress-Tabulen“ (Reihen-Tafeln), die mit ihren roten und schwarzen Zahlen Ähnliches leisteten wie die heutigen Logarithmen? Nun, er betrachtete eben die beiden Reihen Michael Stifels und überlegte, was dieser gesagt hatte.
( In heutiger Sprache sind es keine „Reihen“, sondern „Folgen“. Wir sagen hier nur stets Reihen, weil man diese Serien damals und auch noch später so nannte. Charakteristisch ist sowohl für die Reihe als auch für die Folge das sogenannte „Bildungsgesetz“, nach dem sie aufgebaut sind. Während aber in der Folge die Glieder unverbunden nebeneinander stehen, sind sie in der Reihe additiv verbunden.)
Als guter Mathematiker erkannte er dabei zweierlei.
Erstens, daß eine praktische Auswertung solcher Reihen nur möglich war, wenn man die Glieder möglichst enge aneinanderrücken konnte. Denn mit Reihen geometrischer Art, in denen 1, 2, 4, 8, 16 usw. vorkommen, werden die Lücken zwischen den Zahlen stets größer und man könnte nicht einmal die Multiplikation durchführen, ganz zu schweigen von den Lücken, die zwischen höheren Gliedern auftreten, wie etwa schon zwischen 1024 und 2048 oder 2048 und 4096.
Zweitens aber sah Bürgi, was auch seine Vorgänger schon gewußt hatten, daß sich die logarithmische Eigenschaft durchaus nicht bloß auf Potenzreihen der Basis 2, sondern auf Reihen mit irgendeinem beliebigen Quotienten erstreckte, was auch wir, rein allgemein, schon erkannt haben. Es waren nur gewisse Bedingungen unerläßlich. So mußte die arithmetische Reihe mit 0 und die geometrische mit 1 beginnen, damit die logarithmische Eigenschaft erhalten blieb. Es mußte aber auch der Steigerungsschlüssel möglichst klein sein, damit die Reihenglieder möglichst dicht aufeinander folgten; was wieder deshalb notwendig war, damit man in jeder der beiden Reihen praktisch jede Zahl finden konnte. Um zu zeigen, wie das gemeint ist, haben wir als Beispiel eine Folge aufgestellt, in der jedes Glied mal so groß ist wie das vorhergehende. Der Einfachheit halber haben wir dann noch die ganze Folge mit einer Million multipliziert, um keine Dezimalstellen anschreiben zu müssen.
Wir erhalten somit:
0 1.000.000
1 1.010.000
2 1.020.100
3 1.030.301
4 1.040.604
5 1.051.010
6 1.061.520
7 1.072.135
8 1.082.857
9 1.093.685
... ...
Jeder kann sich überzeugen, daß die logarithmische Eigenschaft dieser Folge gegeben ist, wenn man die Stellenwerte entsprechend berücksichtigt. Jost Bürgi nun ist bei seinen Progress-Tabulen in noch kleineren Schritten vorgegangen, die man fast als mikroskopisch bezeichnen könnte. Und zwar in doppelter Art.
Er hat gleichzeitig die arithmetische Reihe mit 10 multipliziert und die geometrische per Glied um also um vorwärtsschreiten lassen,
wodurch er für 0 den Wert l00.000,000 und für 10 erst 100.010,000 erhält.
Zahlen zwischen 1 und 10 müssen durch ein Berechnungsverfahren proportional eingeschaltet werden, wobei man angenähert annimmt, daß die Steigerung der geometrischen Reihe mit der Steigerung der arithmetischen Reihe innerhalb des Intervalls proportional verläuft. Nun nennt er die Glieder der arithmetischen Reihe die„roten Zahlen“, weil sie in der Tafel rot gedruckt sind. Die übrigen Zahlen heißen die „schwarzen Zahlen“. Heute nennen wir die roten Zahlen „Logarithmen“, die schwarzen „Numeri“ oder kurzweg „Zahlen“.
Obgleich man mit Bürgis Progress-Tabulen in der Art der Logarithmenrechnung sehr gut rechnen kann, sind diese Tafeln in unserem Sinne noch nicht vollwertige Logarithmen, da Bürgi sich in keiner Art um die Basis des Systems kümmert, sondern manchmal aus rein äußerlichen Gründen Abrundungen vornimmt. Dazu muß noch bemerkt werden, daß man heute fast überall behauptet, Napier sei der Entdecker der „natürlichen Logarithmen“ mit der allbekannten Basis gewesen, wobei
.
Das ist absolut falsch, wie wir gleich sehen werden. Wenn ein Mathematiker dieser Basis als erster unbewußt nahekam, dann war es Jost Bürgi, denn seine Basis, die er selbst, wie gesagt, nicht kannte, hat den Wert
,
der vom richtigen Wert für , das gleich ist
,
nicht allzu weit absteht. Allerdings muß zu dieser Wertbestimmung Bürgis rote Zahlenreihe noch durch 100.000 dividiert werden.
Lord Napier ging noch mehr als Bürgi von den Bedürfnissen der Praxis aus. Wir können uns in die komplizierte Berechnungsart seiner „Mirifici Logarithmorum canonis constructio“, die 1619 in Edinburg erschien, nicht vertiefen, sondern stellen nur fest, daß seine Tafel dieser „wundertätigen Logarithmen“ nicht die Logarithmen der natürlichen Zahlenreihe, sondern der Sinuswerte gab, also eine Vorläuferin unserer trigonometrisch-logarithmischen Tafeln war. Im übrigen operiert er, ähnlich wie Bürgi, ebenfalls mit zwei Reihen, die allerdings hier gegenläufig sind. Von einer Basis spricht er dabei nicht, schon gar nicht von einem „natürlichen Logarithmus“.
Seine Basis ergibt sich angenähert als ,
ist also ein wenig kleiner als der reziproke Wert des natürlichen Logarithmus. Allerdings steht es fest, daß die Neperschen Logarithmen als erste derartige (auch für reine Zahlenrechnung brauchbare) Tafel im Druck erschienen, daß Napier der Erfinder des Wortes Logarithmen ist, deren Entstehung er sich als synchrone Bewegung, als ein „Fließen“ (fluxio) zweier Reihen, also mechanisch-dynamisch vorstellte, worauf dann eine punktweise Zuordnung der beiden Reihen erfolgen mußte, um die bekannten Beziehungen herzustellen. In dieser „fluxio“, die von Clavius stammen kann, finden wir auf jeden Fall einen Vorläufer der Newtonschen Unendlichkeitsauffassung. Schließlich muß noch erwähnt werden, daß Napier bereits die 10 als Basis eines Logarithmensystems anregte, was der mit ihm befreundete Oxforder Professor Henry Briggs sofort aufgriff. Es ist allgemein bekannt, daß wir heute vorwiegend mit diesen Briggsschen Logarithmen rechnen, deren Basis, wie gesagt, die Grundzahl unseres Zahlensystems, also , ist.
Durch diese Basisfestsetzung ergibt sich eine große Anzahl von Vorteilen, wie etwa die Trennung der Logarithmen in Kennziffer oder Charakteristik und Mantisse. Jeder Briggssche Logarithmus besteht demnach aus einer ganzen Zahl, die den Stellenwert des zugehörigen Numerus angibt, und aus einem angehängten Dezimalbruch, der „Mantisse“, die den Zahlwert signalisiert.
(So genannte „Mantisse“ seit Wallis, der unter Mantisse überhaupt einen Dezimalbruch versteht.)
Der Logarithmus etwa ist der Logarithmus von ,
dagegen ist der Logarithmus von ,
während den Logarithmus von darstellt.
Mit diesen Entdeckungen zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts war die große Vervollkommnung des Rechnens, die Möglichkeit der Herabsetzung der Rechenstufen und noch mehr die Ermöglichung von Potenzierungen und Wurzelausziehungen geleistet, an die man bisher nicht hatte denken können.
Wer hätte bisher etwa oder berechnen können?
Durch die Logarithmen wurden derartige auch für Gleichungslösungen notwendige Aufgaben vergleichsweise zur algorithmischen Spielerei. Wenn auch die Tafeln fortwährend Verbesserungen erfuhren, wenn auch die tiefsten Beziehungen zwischen der Exponentialfunktion
und deren Umkehrung , also gleich auf der Basis , erst durch den großen Leonhard Euler im achtzehnten Jahrhundert aufgeschlossen wurden, war das Wesentlichste doch gleich zu Beginn der Entdeckertätigkeit in Gang gebracht. Der Algorithmus, die Denkmaschine, war durch ein neues, unglaublich feines und durchschlagskräftiges Hilfsmittel bereichert, das, einmal in der Form einer Tafel bereitgestellt, für alle Ewigkeiten das Zahlenreich in wirklich „wundertätiger“ (mirifica) Art erschloß.
Noch ahnte man nicht, daß der neue Rechnungsmodus in seinen letzten Konstruktionsprinzipien als „logarithmus naturalis“, als Zahl , gleichsam die Achse der ganzen Infinitesimalmathematik werden sollte. Noch dachte niemand daran, daß die logarithmische Funktion eine Brücke werden sollte, über die der Weg zu scheinbar unauflösbaren Integrationen führte. Noch auch dachte man an eine Zukunft dieses magischen für die Zinseszins- und Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Man hatte viel geleistet. Man verfeinerte das Instrument, verbesserte die Tafeln, studierte die Möglichkeit der Interpolation (Einschiebung) von Zahlen, um die Tafeln vollkommen dicht und eng zu machen, und schritt vor allem mit dem neuen Werkzeug unter der Führung des Riesengeistes Kepler an die Bewältigung der Probleme, die die Astronomie und die Naturwissenschaft in nie endender Fülle stellten und die ein Maximum an Gewandtheit und Genauigkeit erheischten.
Zur gleichen Zeit aber glomm schon unter der Asche des eben verbrannten Freudenfeuers eine Unzahl neuer Funken, die, demnächst zum neuen Brand gefacht, als weithin leuchtendes Fanal den Anbruch der mächtigsten Epoche der Mathematik ankündigten. Denn es sollte auf neuabendländischem Boden eben das ganz große Heldenzeitalter der Mathematik beginnen.
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