Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 241c

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Vom Punkt zur vierten Dimension. Geometrie für Jedermann.
Einundvierzigstes Kapitel
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Sphärik
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Aufmerksamen Lesern ist es vielleicht schon aufgefallen, daß eines der regelmäßigsten Gebilde der ganzen Geometrie, die Kugel, bisher überhaupt noch nicht näher in unsere Betrachtungen einbezogen wurde. Wir hätten sie etwa nach unseren gewohnten Verallgemeinerungsmethoden als Polyeder unendlicher Seitenflächenanzahl einführen können. Sie hätte dann aus unendlich vielen, „unendlich schmalen“ Kegeln bestanden, die alle ihren Scheitel im Mittelpunkt der Kugel gehabt hätten. Und ihr Rauminhalt wäre dann gleich gewesen der ganzen Kugeloberfläche (als Summe aller dieser degenerierten Kegelgrundflächen) mal dem Radius dividiert durch drei. Also  , wenn O die Oberfläche der Kugel bedeutet hätte. Wie groß ist aber die Oberfläche der Kugel? Offenbar wohl die Summe aller „Seitenflächen“ unseres Polyeders unendlicher Flächenanzahl, also eigentlich die Summe unendlich vieler Punkte. Wir sind hier in einen scheinbar ausweglosen Zirkelschluß geraten, der zudem noch sichtlich mit infinitesimalen Erwägungen in Verbindung steht.
Es ist daher sehr wohl begreiflich, daß die erste genugtuende Auflösung der Kugelprobleme eine geometrische Großtat ersten Ranges war. Wem sollte sie auch mehr zugestanden sein, als dem Unendlichkeits-Analytiker unter den alten Griechen, dem großen Archimedes? Er hat auch tatsächlich als erster unter allen Mathematikern Licht in dieses Problem gebracht. Und er war sich der Bedeutung seiner Tat derart genau bewußt, daß er stets verlangt hatte, ein Abbild seiner Entdeckung, der Beziehung zwischen Kugel und Zylinder, möge auf seinem Grabstein eingemeißelt werden. Dies geschah wirklich, und Jahrhunderte später entdeckte dann an diesem Kennzeichen der römische Philosoph und Redner Cicero das Grab des Archimedes wieder und verkündete diese Tatsache seiner erstaunten Mitwelt, die das Ganze für eine Sage gehalten hatte.
Wir betreten jetzt, das sei nachdrücklichst angemerkt, ein Gebiet der Geometrie, das uns zu schwindelnden Höhen emporführen wird. Von der „Sphärik“, der Lehre von der Kugel, wollen wir den Übergang gewinnen zu den sogenannten nichteuklidischen Geometrien. Und wir empfinden es an dieser Stelle als eine geistige Großtat geringerer innerer Tragweite, daß uns die Sphärik außerdem erst so recht die Möglichkeit bietet, die Geographie und die Astronomie bis zu ihren letzten Feinheiten» geometrisch zu beherrschen.


 
Wir wollen aber nicht weiter ankündigen, sondern Schritt vor Schritt unser Gebäude errichten. Und zu diesem Zweck stellen wir uns gleich die klassische Zeichnung des Archimedes, wie sie sich durch die Jahrhunderte erhalten hat, vor die Augen.
Da wir nach dem Satz von Cavalieri vorgehen wollen, der Archimedes in irgend einer Art bekannt gewesen sein muß, schneiden wir eine Halbkugel und einen Zylinder, der den „Größtkreis“ dieser Halbkugel zur Grundfläche hat, in der Höhe x von dieser Grundfläche durch eine Ebene. Dadurch würden wir als Schnitte der Kugel Kreise erhalten, die bei   dem Größtkreis gleich wären und sich bei wachsendem x stets verkleinern würden, bis endlich bei   vom Schnittkreis ein Punkt übrig bliebe. Beim Zylinder ist das anders, dort erhalten wir naturgemäß in jeder Höhe x stets wieder den Grundkreis   als Schnitt. Über den Begriff des Größtkreises werden wir noch ausführlich sprechen. Wir merken vorläufig bloß an, daß jeder Kreis, der den Kugelhalbmesser zum Radius hat, ein Größtkreis dieser Kugel ist. Wir sind aber vorläufig in unserem Problem nicht weitergekommen. Wir wissen bisher bloß, daß der Zylinder der Halbkugel durchaus nicht „flächengleich sein kann, was ja schon aus einfacher Anschauung hervorgeht. Nun machen wir aber sofort einen entscheidenden Kunstgriff. Wir beschreiben, unserem Zylinder einen Kegel ein, und zwar so, daß dessen Spitze im Mittelpunkt der Grundfläche M zu stehen kommt, während die Grundfläche des Kegels durch die obere Abschlußfläche des , Zylinders gebildet wird. Dieser Kegel hat die Höhe r, die Grundfläche   und seine Seiten sind unter 45° gegen die ,Grundfläche geneigt, da jeder achsiale Schnitt durch diesen Kegel zwei rechtwinklig-gleichschenklige Dreiecke ergibt. Wenn wir nun in irgend einer Höhe x unseren Zylinder samt dem einbeschriebenen Kegel schneiden, so erhalten wir bei   den ganzen Größtkreis und bei vergrößertem x Kreisringe, die stets kleiner werden, bis sie endlich bei x.= r zu Null werden, da dann der Kreisring zu einem Kreis degeneriert. Alle Kreisringe zusammen aber bauen den sogenannten „Restkörper“ auf, der genau zweimal so groß an Inhalt sein muß, als der Kegel, da ja, wie wir aus der Stereometrie wissen, der Zylinder dreimal so groß an Rauminhalt ist als der Kegel gleicher Höhe und gleicher Grundfläche.
Wir wollen nun bestimmen, wie groß die Schnittfläche in der Höhe x bei der Kugel und beim „Restkörper“ ist. Und zwar ist das x natürlich vollkommen beliebig. Bei der Kugel erhalten wir  . Da aber   nach dem Pythagoras gleich ist ( ), so ist der „Kugelschnitt“ gleich  . Der „Restkörper-Schnitt“ ist stets ein Kreisring, ist also gleich dem größeren Kreis minus dem kleineren, also  , was aus der Figur leicht ablesbar ist. Da man   herausheben kann, so ist der Kreisring stets  , ist also überraschenderweise in jeder Höhe gleich dem entsprechenden „Kugelschnitt“, Auch an den beiden Grenzen für   und  , wie wir schon sahen. Folglich ist nach Cavalieri, da alle „Schablonen“ gleicher Höhe miteinander übereinstimmen, die Halbkugel an Inhalt gleich dem Restkörper. Da aber weiter der Restkörper gleich ist dem Rauminhalt des Zylinders minus dem Rauminhalt des Kegels,   so ist der Rauminhalt der Halbkugel auch gleich   und der Rauminhalt der ganzen Kugel gleich  , was wir ja erhalten wollten. Dadurch gewinnen wir weiters die schon von Archimedes aufgestellte Proportion zwischen den drei einfachsten „Kreis-Körpern“ Kegel, Kugel und Zylinder, unter der Voraussetzung, daß der Radius bei allen dreien gleich ist und die Höhen von Zylinder und Kegel je 2r betragen. Wir schreiben also:
Kegel : Kugel : Zylinder =   oder
Kegel : Kugel : Zylinder =  
Wir merken noch an, daß auch Rotations- (Umdrehungs-) Ellipsoide der Kugelformel unterliegen, wobei stets statt des einheitlichen Radius die Halbachsen des Ellipsoides einzusetzen' sind. Das eiförmige oder zweiachsige Rotationsellipsoid, das durch Umdrehung einer Ellipse um eine ihrer Achsen entsteht, hat die Inhaltsformel   oder  , je nachdem die Umdrehungum b oder a erfolgte. Falls jedoch ein sogenanntes dreiachsiges Ellipsoid vorliegt, das nicht durch Umdrehung entstehen kann, ein Ellipsoid also, dessen Schnitt stets eine Ellipse liefert, wenn er senkrecht zu einer der drei Achsen geführt wird, dann lautet die Inhaltsformel  , wenn a, b und c die drei Halbachsen sind.
Nun sind wir auch imstande, die Oberfläche der Kugel. rechnerisch zu gewinnen. Wir erwähnten schon, daß sie gleich sein müsse dem Rauminhalt der Kugel dividiert durch  , de je der Rauminhalt der Kugel, als Kegel betrachtet, gleich ist  , wenn man 0 die Oberfläche der Kugel nennt. Also ist   gleich   oder  . Die Oberfläche der Kugel ist also gleich vier Flächeninhalten von Größtkreisen dieser Kugel, deren jeder ja   zum Flächeninhalt hat.
Nachdem wir jetzt die Formeln für den Rauminhalt und für den Flächeninhalt der Kugel gewonnen haben, wollen wir uns mit der Stereometrie der Kugel vorläufig nicht eingehender befassen. Wir sehen die Kugel nicht weiter als Körper im R3 an, sondern wenden uns den Zuständen auf ihrer Oberfläche zu. Der Leser wird gebeten, den folgenden Überlegungen genaueste Aufmerksamkeit zu. schenken, da sie uns in der denkbar einfachsten Weise in das Wesen einer nichteuklidischen Geometrie einführen werden. Wir sagen mit voller Absicht „einer“ nichteuklidischen Geometrie. Denn die Geometrie auf der Kugel ist bloß die Planimetrie einer der nichteuklidischen Geometrien. Wir sehen also die Kugeloberfläche für unsere Zwecke als Gegenstück unserer Ebene an. Und zwar als ein allseits gleichmäßig und im positiven Sinne gekrümmtes Gegenstück. Nach der Bezeichnung von Gauß ist die Kugel eine Fläche positiver, konstanter Krümmung. Daher, das heißt wegen der Konstanz der Krümmung, kann man in der Kugelfläche alle Figuren, die aus Teilen der Oberfläche der Kugel bestehen, verschieben und drehen, wie ebene Figuren in der Ebene. Kurz, die Kugel ist ein positiv konstant gekrümmter zweidimensionaler Raum, ein gekrümmter R2. Dies wird uns noch viel besser einleuchten, wenn wir den Radius der Kugel sehr groß denken. So daß auch die Oberfläche sehr groß wird, etwa wie die Erdoberfläche. Wir Menschen merken es dann gar nicht mehr, daß wir Figuren, etwa die Grenzen von Grundstücken, auf der Kugel konstruieren. Und wir wenden für solch große Kugelflächen dann ruhig die ebene Planimetrie an, obgleich sie natürlich auf der Kugelfläche nur angenähert gilt.
Nun wollen wir uns einmal die Elemente suchen, aus denen wir die Geometrie auf der Kugel aufbauen können. Daß der Punkt ein solches Element ist, leuchtet wohl ein. Dem Punkt ist es 'infolge seiner Nulldimensionalität - wenn diese Ausdrucksweise erlaubt ist - überhaupt gleichgültig, ob er einem ebenen oder einem gekrümmten Gebilde angehört. Das geometrische Denken in Punkten, macht ja eigentlich den Begriff des Gekrümmten erst voll verständlich. Denn einer Perlenschnur etwa kann man ja fast jede Krümmung erteilen, und bei unendlich kleinen Perlen wächst diese Möglichkeit ins Unbegrenzte. Wie aber sieht es mit den „Geraden“ auf der Kugel aus? Dabei halten wir uns noch vor Augen, daß von diesen „Geraden“ jeder weitere Aufbau von Figuren auf der Kugelfläche abhängt, die etwa den Dreiecken, Vierecken, Polygonen der ebenen Planimetrie entsprechen.
Daß „Gerade“ im euklidischen Sinn auf der Kugel keinen Platz finden, wird wohl jeder einsehen.
Wir sagen im Folgenden statt Kugel-Oberfläche oftmals einfach „Kugel“.
Auf der Kugel muß jede in deren Fläche verlaufende» Linie, vom Ra aus betrachtet, eine gekrümmte Linie sein. Und zwar je nachdem eine einfach oder eine doppelt gekrümmte Linie. Würden wir etwa vom Südpol an um die Erde fahren und dabei stetig weiter nach Norden vorrücken, so würde eine Art von doppelt gekrümmter, also räumlicher Spirale entstehen. Wir können aber, etwa mit einem gewöhnlichen Zirkel, überall auf der Kugel auch Kreise beschreiben, die sich auch auf der Kugel als richtige Kreise abbilden. Und wir können ebenso allerlei andere Kurven auf der Kugel zeichnen. Nur nicht „Gerade“.
Nun würden wir aber auf einen sonderbaren Gedanken verfallen. Wir wollten nämlich auf der Kugel parallele Linien gewinnen. Wenn wir dazu die Forderung gleichen Abstandes heranzögen, könnten wir etwa allerlei konzentrische Kreise als parallel ansprechen, wie ja in der Geographie tatsächlich die Breitenkreise auf der Erde oder auf einem anderen Himmelskörper auch „Parallelkreise“ genannt werden. Solche „Parallelkreise“ haben auch tatsächlich überall voneinander gleiche Abstände, und zwar sowohl in der Betrachtung von der Seite als vom Pol aus.


 
Nun sollten wir aber schon stutzig werden. Denn wir haben „Abstände“ gemessen. In der Draufsicht, vom Pol aus, sind diese Abstände „Gerade“. Was aber sind diese Abstände in der ersten Zeichnung der nebenstehenden Figur? Dort sind sie ja krumme Linien. Der Begriff des „Abstandes“ aber verlangt, daß die den Abstand bildende Linie die kürzest mögliche zwischen zwei Punkten ist. Was ist aber eine kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten? In der Ebene sicherlich eine „Gerade“. Wir haben die Gerade ja sogar seinerzeit durch diese Eigenschaft der kürzesten Verbindung zweier Punkte definiert.
Unsere Aufregung wächst. Sollten wir am Ende gar durch diese Definition auch auf der Kugel ein Gegenstück der „Geraden“ gewinnen können, die wir ja seinerzeit als beinahe nicht definierbar bezeichneten? Wir wollen aber noch nichts verraten und unsere Frage nach den Parallelen auf der Kugel weiter ergründen. Wir erinnern uns dabei der Tatsache, daß man Parallele auch gewinnt, wenn man auf einer Geraden zwei lote nebeneinander errichtet. Wir würden also etwa am Äquator im naiven Glauben befangen sein, die Erde sei eine ebene Scheibe. Auf einem unserer Ansicht nach ebenen Felde ziehen. Wirf eine Gerade, ein Stück des Äquators. Und nun errichten wir auf diese „Gerade“ zwei Senkrechte.


 
Wenn wir dieser „Senkrechten“ nun verlängerten, würden sich zu unserer größten Überraschung unsere „Parallelen“ auf beiden Seiten in endlich fernen Punkten, nämlich in den beiden Polen schneiden.
Um aber nicht Verwirrung zu stiften, enthüllen wir jetzt das Geheimnis: Auf der Kugeloberfläche gibt es ausgezeichnete Linien, die den Geraden der Ebene entsprechen; nämlich die sogenannten „größten Kreise“ oder „Größtkreise“. Jedes Stück eines Größtkreises bildet stets die auf der Kugeloberfläche kürzestmögliche Verbindung zwischen zwei Punkten der Kugeloberfläche.
Falls beide Punkte auf einer und derselben Halbkugel, liegen. In anderem Fall ist das Stück des Größtkreises die längstmögliche Verbindung der zwei Punkte auf der Kugel.
Und zwei Größtkreise einer und derselben Kugel schneiden einander unter allen Umständen in zwei einander, diametral gegenüberliegenden Punkten der Kugeloberfläche, den sogenannten „Gegenpunkten“. Auch dann, wenn sie, wie in unserem Fall, irgendwo scheinbar parallel waren.
Das wäre nun noch nicht so absonderlich. Auf der Kugel ist es eben anders als in der Ebene. Das Merkwürdige ist nur, daß mit einziger Ausnahme des Parallelenpostulats, alle anderen Axiome unverändert auf der Kugel gelten, so daß sämtliche Sätze und Beziehungen, die vom Parallelenpostulat unabhängig sind, ohneweiters auf die Kugeloberfläche übertragen werden dürfen; wenn wir nur statt der „euklidischen“ Geraden stets den Größtkreis als „Gerade auf der Kugel“ verwenden. Hans Mohrmann (Einführung in die Nicht-Euklidische Geometrie Hans Mohrmann, 1930) hat vorgeschlagen, solche Pseudo-Geraden als g-Linien zu bezeichnen, da, wie wir sehen werden, derartige „kürzeste Verbindungen“ zwischen Punkten eine allgemeine Gattung von Linien sind, die man auch als „geodätische Linien“ zu bezeichnen pflegt. Die gewöhnliche euklidische Gerade wäre dann die g-Linie der Ebene, der Größtkreis wäre die g-Linie auf der Kugeloberfläche und so weiter.
Wir werden nun im Folgenden, wieder nach Hans Mohrmann, eine Konstruktion Euklids zeigen, die im weitesten Maße unabhängig von der Geometrie ist, in der sie konstruiert wird. Sie stimmt in der Ebene ebenso wie auf der Kugel, ist also eine gegen alle „Geometrien“ invariante, von der Art der Geometrie unabhängige Konstruktion. Man nennt die Gesamtheit der geometrischen Sätze, die in jeder Geometrie Geltung haben, auch Sätze der „absoluten Geometrie“. Unsere Konstruktion dürfte also anscheinend eine Konstruktion der „absoluten Geometrie“ sein, da sie sich auf der Kugel genau so durchführen läßt wie in der Ebene. Zumindest aber ist diese Konstruktion Euklids - ein Scherz der Wissenschaftsgeschichte! - eine „nichteuklidische“ Konstruktion.
Wie wir es gewohnt sind, wollen wir bei solch grundlegenden Erkenntnissen den Leser nicht gleich mit einer Unzahl von Sätzen überschütten, sondern wir werden unsere Aufgabe von allen Seiten so lange beleuchten, bis wir aus dieser einen Aufgabe das Prinzip der ganzen Angelegenheit begriffen haben. Dazu aber tragen wir uns das Baumaterial schön langsam Stück für Stück zusammen.


 
Wir sprachen schon von einer Konstruktion mit Zirkel und Lineal. Zirkel? Gut! Wir wissen, daß man auf der Kugeloberfläche mit einem gewöhnlichen Zirkel Kreise schlagen kann, wenn man etwa nur den Bleistift- oder Kreideeinsatz des Zirkels stets entsprechend länger einstellt als den Teil, der die Spitze des Zirkels trägt. Dazu bemerken wir noch, daß es in der Kugel-Geometrie (Sphärik) im allgemeinen nicht üblich ist, mehr als die Halbkugel zu Konstruktionen usw. zu verwenden. Wie aber gewinnen wir unser „Lineal“, mit dem wir die Größtkreise ziehen wollen? Wir hätten da die Möglichkeit, auch eine Art von Spezialzirkel zu verwenden, dessen Zeichenarm ein Kreisquadrant ist. Das aber würde unserem Zweck nicht entsprechen. Und außerdem wäre eine solche Vorrichtung höchst unsicher, da der Größtkreis sofort anders liegt, wenn der Spitzen-Schenkel des Zirkels nicht genau seine Achse während der ganzen Umdrehung einhält. Wir verwenden also ein sogenanntes Kugel-Lineal, das aus zwei gebogenen, der Kugel genau angepaßten Metallschienen besteht, deren äußere Kanten Größtkreise der betreffenden Kugel sind. Diese zwei Schienen stoßen außerdem unter einem rechten Winkel aneinander und bilden miteinander ein sogenanntes sphärisches rechtwinkliges Zweieck. Sie sind, grob gesprochen, die Begrenzungslinien eines aus der Kugel geschnittenen Kugel-Viertels, wie man etwa aus einer Melone oder einer Orangem Viertel, entlang von zwei Größtkreisen, herausschneiden würde.


 
Es ist nun jederzeit möglich, mit einem solchen Kugellineal auf der Kugel zwei beliebige Punkte durch eine g-Linie (Größtkreis-Kugelgerade) zu verbinden. Man kann auch wie mit unseren ebenen Linealen überall rechte Winkel zwischen g-Linien zeichnen.
Nach dieser Vorbereitung schreiten wir zu der von uns angekündigten Konstruktion. Die Aufgabe besteht darin, von einem Punkt P, der außerhalb eines Kreises liegt, die beiden Tangenten an diesen Kreis zuziehen.



 
Man könnte nun „euklidisch“ diese Konstruktion auf den Satz vom rechten Winkel im Halbkreis (Satz des Thales von Milet) stützen und verfahren wie in nebenstehender Figur.
Man verbindet einfach den Kreismittelpunkt M mit dem Punkt P, halbiert diese Vebindungsstrecke und schlägt um den Halbierungspunkt C einen Kreis. Wo dieser den ursprünglichen Kreis um M schneidet, also in B1 und B3, sind die zwei Berührungspunkte der aus P gezogenen Tangenten t1 und t2, was sich, wie gesagt, aus dem Satz des Thales von Milet beweisen läßt. Denn in B1 und B2 müssen die Radien r1 und r2 senkrecht auf t1 und t2 stehen.
Diese Konstruktion nun enthält verkappt den Parallelensatz in sich, da der „Winkel im Halbkreise“ die euklidische Eigenschaft der 180grädigen Winkelsumme im Dreieck fordert. Daher darf auch eine derartige, an eine bestimmte, die euklidische Geometrie gebundene Lösung nicht auf die Kugeloberfläche übertragen werden, da sie dort einfach sinnlos wäre. Wohl darf man aber eine andere Lösung desselben Problems, die keinerlei Verwendung des Parallelenpostulats enthält, ohneweiters auf der Kugel mit „Lineal“ (Kugel-Lineal) und gewöhnlichem Zirkel ausführen. Wir sehen in der folgenden Figur die Konstruktion auf einer sogenannten „Kugel-Tafel“ mit Kreide gezeichnet. In unserem Fall ist nämlich die schwarzgestrichene Kugel wie eine Schultafel die „nichteuklidische Zeichenfläche“.



 
Wir haben bei der Zeichnung folgendermaßen zu verfahren: Man verbindet den Kreismittelpunkt M mit dem Punkt P, von dem die Tangenten ausgehen sollen. Hierauf schlägt man aus M durch P einen Hilfskreis und errichtet in A die Senkrechte auf MP, die diesen Hilfskreis in Q1 und Q2 schneidet. Wenn man nun Q1 und Q2 mit M verbindet, dann ergeben die beiden Schnittpunkte B1 und B2, die mit dem ursprünglichen Kreis entstehen, die beiden gesuchten Berührungspunkte der aus P gezogenen Tangenten. (Der Beweis für die Richtigkeit der Konstruktion ist durch Spiegelung an den Halbierenden der Winkel PMQ1 bzw. PMQ2 zu führen.)
Nachdem wir jetzt den ersten Hauch vom Wesen des Nichteuklidischen verspürt haben, müssen zur Vermeidung vorschneller Verallgemeinerungen einige Verwahrungen eingelegt werden. Zunächst sei festgestellt, daß die -„innere Geometrie der Kugeloberfläche“, 'also eine Geometrie, bei der nicht gefragt wird, in welcher Art von Raum die betreffende Kugelfläche „eingebettet“ ist, nur eine der unzähligen Möglichkeiten einer nichteuklidischen Geometrie darstellt. Und dazu nur eine nichteuklidische Planimetrie. Nichteuklidisch heißt eine Geometrie, wenn in ihr das Parallelenpostulat nicht gilt. Dies wird in jedem gekrümmten R der Fall sein, und zwar im gekrümmten R2, R3 usw. Im gekrümmten R1 steht ja das Parallelenpostulat nicht zur Diskussion. Es gibt unter den gekrümmten Räumen, wie schon angedeutet, wieder besondere oder ausgezeichnete Typen. Nämlich die Räume konstanter Krümmung, in denen die Figuren beliebig verschiebbar und drehbar sind, ohne deformiert werden zu müssen. Von diesen Räumen gibt es nur drei Arten. Den Raum positiver konstanter Krümmung oder den sphärischen Raum, dessen R2 eben die Kugeloberfläche ist. Den ungekrümmten, euklidischen, ebenen Raum, unseren landläufigen R, dessen R2 die Ebene ist und schließlich den Raum konstanter negativer Krümmung oder den pseudosphärischen Raum, dessen R2 die sogenannte Pseudosphäre ist und auf den wir später zu sprechen kommen werden.
Wir müssen nämlich vorläufig unsere nichteuklidischen Träume zurückstellen und uns wieder der Geometrie der Kugel zuwenden, die wir aber jetzt als „eingebettet in den euklidischen Raum“ betrachten werden. Wir haben schon festgestellt, daß es auf der Kugel auch „Zweiecke“ gibt, anders als in der Ebene, in der durch zwei g-Linien (Gerade) keinerlei Raum, auch kein R2 abgegrenzt werden kann. Ein solches sphärisches oder Kugel-Zweieck ist stets eine symmetrische Figur, die von zwei Halbkreisen größter Kreise eingeschlossen ist. Die beiden Winkel, die wir mit   bezeichnen wollen, sind einander stets gleich, so daß zur Kongruenz zweier Kugel-Zweiecke auf einer gegebenen Kugel nichts anders erforderlich ist als die Gleichheit eines Winkels. Aus dem Kugel-Radius und aus diesem Winkel lassen sich aber noch; andere Eigenschaften des Kugel-Zweiecks rechnerisch bestimmen. Nämlich seine Oberfläche und der Raum-Inhalt des von den Größtkreisbogen begrenzten Kugelkeils.
Primitiv verdeutlicht als „Orangerespalte“.
Natürlich lassen sich aus Winkel und Flächen-(Raum-)inhalt der Kugelradius und aus Kugelradius und Flächen-(Raum-)inhalt die Winkel des Zweiecks berechnen. Die Formeln sind sehr einfach zu gewinnen. Da die ganze Kugeloberfläche geichsam ein Zweieck ist, bei dem die beiden Größtkreishälften in einen einzigen Größthalbkreis zusammenfallen, beträgt der „Winkel“ solch eines Zweiecks 360 Grade. Dazu muß noch ein Wort über Winkel auf der Kugel eingefügt werden. Vom euklidischen Standpunkt aus arbeiten wir auf der Kugel mit Winkeln zwischen gekrümmten Linien (Größtkreisen), müssen also eigentlich die Winkel zwischen den Tangenten dieser krummen Linien messen. Mit Zuhilfenahme projektiver Vorstellungen läßt sich aber der Winkel zwischen Größtkreisen auch eleganter definieren. Entweder projizieren wir den Scheitel des Winkels zwischen den Größtkreissen einfach in den Kugelmittelpunkt, wählen eine Größtkreisebene, die zur Verbindungslinie zwischen Scheitel und Kugelmittelpunkt senkrecht steht, als Projektionsebene, und können nun unsere Größenkreise auf dieser Ebene unmittellbar als Gerade abbilden. Oder aber (was nur bei sphärischen n-Ecken mit   möglich ist) übertragen wir die Anschauungen der projektiven Geometrie auf die Kugel. Wir verbinden nämlich die Eckpunkte unseres sphärischen n-Ecks mit dem Kugelmittelpunkt und bringen dadurch ein gewöhnliches n-Kant mit der Kugelfläche zum Schnitt, dessen Scheitel im Kugelmittelpunkt liegt. Es ist klar, daß jetzt die „Seiten“ (d. h. die an der Spitze des n-Kants durch die Kanten gebildeten Winkel) auf der Kugel zu wirklichen Seiten des sphärischen n-Ecks, gemessen im euklidischen Winkelmaß, werden. Wir werden diese „Seiten“ stets mit den ersten Buchstaben des kleinen griechischen Alphabets, also mit  ,  ,  ,   usw. bezeichnen. Die Winkel zwischen den Größtkreisbogen bilden sich dagegen im n-Kant als die Winkel ab, die von den Flächen des n-Kants gebildet werden.


 
Also als Neigungswinkel der Kantflächen gegeneinander, da ich diese Neigungswinkel ja in den Eckpunkten des sphärischen n-Ecks durch Legung von Tangenten an die Größtkreisbogemerhalten müßte. Diese Winkel benennen wir in Zukunft mit kleinen Buchstaben vom Ende des griechischen Alphabets, also  ,  ,  ,   oder nach Bedarf auch  ,  ,  ,   usw.
Wir sind aber jetzt von unserem Problem der Bestimmung des Flächen- und des Rauminhalts eines Kugel-Zweiecks sehr weit abgekommen. Wir stellten fest, die ganze Kugeloberfläche sei ein Kugelzweieck mit den Winkel  . Da aber  , so ist wohl jedes Zweieck mit kleinerem Winkel als 360° gleich   oder  . Bei   erhielten wir somit  , also das Viertel der ganzen Kugeloberfläche, was augenscheinlich stimmt. Bei   halten wir  , also das Achtel der ganzen Kugeloberfläche, bei   den Wert  , also das Sechstel der ganzen Kugeloberfläche und schließlich bei   den Wert   oder die Fläche der Halbkugel. Der Kugelkeil (Orangenspalte) hat stets den Rauminhalt  , welche Formel der Leser durch Annahme verschiedener Winkel für   überprüfen möge. Jedenfalls stimmen beide Formeln auch für den Grenzfall der ganzen Kugel, also für das Zweieck mit  , da ich durch Einsetzen sofort   bzw.   erhalte. Aber auch unsere frühere Behauptung, daß, man aus r und I oder aus r und Fläche F des Zweiecks sofort  , oder aus   und I bzw. F sofort r gewinne kann, ist durch einen Blick auf unsere zwei Formeln klar, da ja stets bei zwei gegebenen Größen nur eine einzige ( , r oder F bzw. I) als unbekannt zurückbleibt.


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