Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 193c

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Archimedes (Teil 32)


Archimedes, für den sich durch ihre Worte wenigstens die Oberfläche des Tempelerlebnisses klärte, war durch die letzten Worte neuerlich in ein Rätsel gestoßen worden. Warum wiederholte sie bis zum Überdruss den Satz: ,Wir haben ja so viel Zeit‘? Warum schnitt sie alle Überlegungen nur an, um ebenso unvermittelt abzubrechen, wie sie begonnen hatte? War das Verspieltheit? Oder unterschätzte er sie? Sollte er nicht endlich fragen? Denn es war kaum mehr zu leugnen, dass jede Führung bei der „Wirklichkeit“ lag, während er fast schon die lächerliche Rolle eines Kindes spielte, das man von einem Märchen ins andre lockt, um es zu unterhalten oder zu verwirren.
„Du vertröstest mich stets auf später, wenn ich von dir Entscheidendes zu erfahren hoffe“, sagte er mit einiger Selbstüberwindung. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht aber erregst du dadurch bei mir Gefühle, die mich vor mir selbst erröten lassen ...“ Er konnte nicht weiter sprechen, da sie seine Hand mit unerwarteter Heftigkeit umpresste.
„Vertraust du mir so wenig?“ erwiderte sie traurig und stockend. - „Nein, Archimedes, nein, nein, das wollte ich am wenigsten. Ich bin dumm, bin nicht fähig, sofort all das zu sagen, was ich zu wissen glaube. Und hier auf dem Strom ist vielleicht nicht die richtige Umgebung, das Tiefste zu erörtern. Ich hoffte, dich zu erhöhen, wenn ich dir versicherte, wir hätten Zeit. Hoffte, dir es zu ermöglichen, auch die Schönheit der Landschaft zu genießen. Ich selbst kenne ja dieses Land. Du aber sollst schauen und sollst nicht unablässig durch meine Reden abgelenkt werden. Willst du nicht noch eine kleine Stunde Vertrauen und Geduld einer Gefährtin schenken, die bei jedem Worte weiß, dass sie dir gegenüber ein unbedeutendes Nichts ist, das nur vielleicht vom Schicksal bestimmt wurde, dir und deinem Geist selbstlos zu dienen? Und die diesem Geiste, da es edelster Hellenengeist ist, freudig und ohne Fragen dient? Du hast dir und mir unrecht getan, Archimedes.“
Archimedes war erschüttert. War um so mehr von Eindrücken überwältigt, als plötzlich zwischen all dem Verwirrenden in ihm eine Frage aufstand, die noch verwirrender war als der hundsköpfige Gott, der Weihrauch und die Entartung des ägyptischen Volkes. Es war keine Frage nach Mysterien und Göttern. Es war ein kaltes, glitzerndes, klares Problem. Warum, so lautete die Frage, war es möglich, dass der Gewichtsgott, der mein Gewicht anzeigte, kleiner und leichter ist als der Gott Aletheias, wo sie doch offensichtlich schlank und zart neben mir ruht. Ihr Gewicht ist kleiner als meines. Und doch war ihr Gewichtsgott größer? Das, das allein ist der weltweite Gewinn dieser Schau. Für mich, für Hellas, für die Zukunft. Wieder halte ich den Beginn eines Geheimnisses in der Hand, aus dem ungeheure Erkenntniswelten klärend Werden geboren werden. Der Waagebalken war ungleicharmig und wurde verschoben. Hier nun ist der Angelpunkt zu einer Reihe von Beziehungen und Proportionen. Denn wo man messen kann, beginnt das Zählen. Und wo man zählen kann, das Rechnen. Hinweg, ihr aufschäumenden Gedanken! Wo führt ihr mich hin? Was steigt hinter der Waage empor? Der Hundsaffe, umschwelt von Weihrauch? Ein gelbgeschminktes nacktes Mädchen, das die Wahrheit sein soll? Oder der sonderbare Tiergott? Hat das nicht alles geheimnisvolle jenseitige Macht, auch wenn es die Menschen herabziehen und entstellen? Darf man Heiliges rufen, ohne dass hinter der Erscheinung der Ort der Entstehungen sichtbar wird? Ansaugend und zerschmetternd zugleich, mit Schicksal und Wahnsinn drohend?
„Verzeih mir, Aletheia“, sagte er, ohne es zu wissen. „Du hast es selbst ausgesprochen, dass mich das Fremde überwältigt. Es beschämte mich nur, so viel zu nehmen, ohne wirklich geben zu dürfen.“
Einen Herzschlag lang blickte sie ihn mit großen, weichen und doch flammenden Augen an. Dann aber wischte sie alles mit einer königlichen Handbewegung fort und erwiderte:
„Wir werden jetzt essen, Archimedes.“ Und sie schlug mit einem Stab auf eine Metallplatte, dass es durch die nächtlichen Weiten des mondbeglänzten Nildeltas hinausschwang.
Der Klang aber weckte als unwidersprechlicher Befehl das Leben auf der Barke, und in traumschneller Zeit huschten flinke Helfer herbei, um den Befehl der großen Herrin zu erfüllen.
Eine Stunde später richtete die Barke ihren Bug plötzlich gegen Osten und querte den an dieser Stelle sehr breiten Nilarm. Je näher sie dem Ufer kamen, desto deutlicher zeichnete sich ein Landsitz ab, der zwischen Bäumen auf einer kleinen Anhöhe lag. Es war auch ein kleiner Bootshafen an der Böschung, in den sie jetzt einliefen.
Aletheia bat Archimedes, mit ihr auszusteigen und führte ihn die Treppe hinan, die vom Bootshafen zwischen blühenden Sträuchern zum Haus empoprleitete.
Man hatte das Einlaufen der Barke anscheinend bemerkt. Denn die Türen waren geöffnet, es brannten Lichter und kniende Dienerinnen erwarteten die Herrin an der Schwelle.
„Hier werden wir Ruhe und Muße haben, unsere Gespräche fortzusetzen“, sagte Aletheia im Eintreten. Dann fügte sie leise hinzu: „Wenn du aber müde bist, will ich dich nicht weiter in Anspruch nehmen.“
„Ich bin nicht müde“, erwiderte Archimedes. „Im Gegenteil. Die Fahrt hat mich mit mehr Wachsein erfüllt, als ich es glaubte. Ich könnte gar nicht schlafen, auch wenn ich wollte. Das aber soll wieder dich nicht belästigen.“
Sie durchschritten einen von Blumen erfüllten Hof, der so stark duftete, dass der Atem stockte. Dann kamen sie in stille Gemächer, bis Aletheia in einem kleineren Raum haltmachte, in dem sich außer einem prunkvollen Lager nur einige kleine Tischchen befanden.