Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 184c

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Archimedes (Teil 23)


Archimedes erhob sich auch noch mitten im Gelage der anderen und betrat mit einer gewissen Stille im Herzen seine Gemächer, in denen ihn der Diener freudig und mit sichtbarer Neugier empfing. Da Archimedes den Namen heute noch einmal nennen wollte, gab er dem Diener kurz Bescheid, Woher der Bote gekommen sei, was dem Ägypter maßloses Staunen abzwang.
Im großen Zimmer fiel der Blick des Archimedes auf die Pergamenttafeln. Er merkte sofort, wie alles, was er tat, mit der „Wirklichkeit“ verbunden war.
„Du wirst eines dieser Blätter mit einem Brief, den ich heute noch schreibe, der erhabenen Aletheia überbringen. Morgen früh. Weißt du den Palast?“
„Wer sollte ihn nicht kennen?“ erwiderte der Diener leise.
Träume merkwürdiger Färbung durchdrangen den Schlaf des Archimedes, die ihn erschreckten und entzückten. Ein Wirrsal aus Reise, Heimat, Geometrie, Märchen und dem Abend am See Mareotis.
Als sein Geist sich aber langsam aus dem Schlafe löste, da begann er die Träume in die Ordnung des Wachseins zu übersetzen. Die Nacht hatte einen großen Gewissenszweifel endgültig entschieden und einen klaren Plan geboren.
Der Diener meldete, er habe den Brief bereits bestellt und als Gegengabe einen Strauß fremdartiger Blumen für den Herrn erhalten. Die Herrin aber lasse sagen, dass sie sein Versprechen nicht vergessen habe, ihr in einigen Tagen wieder Gesellschaft zu leisten. Sie freue sich, dass er ihr dann auch schon von neuen Entdeckungen erzählen werde.
Das also war der Sinn der viertägigen Pause? Seine Seele schäumte fast über in Dank zu der Befruchterin. Woher wusste sie so genau, was in ihm vorging? Sie sollte nicht enttäuscht sein. Sie führte ihn traumsicher zu sich selbst, um dann dieses erhöhte Selbst lächelnd in Empfang zu nehmen und neue Wege zu ersinnen, es zu stärken und zu befeuern. Und es war trotz solcher jubelnder Freude nur natürlich, dass sich gleichzeitig die Angst meldete, das Wunder zu verlieren. Das war aber wieder nicht wesentlich: denn, wenn er sich ganz besitzen ließ, verlor er gerade das, um was er am meisten bangte. Sie wollte den eigentlichsten Archimedes und nicht einen Hellenen aus Syrakus, einen durch Schönerc, Stärkere und Liebenswertere vertretbaren Mann.
Er ließ die dunkel gefleckten, betäubend duftenden Orchideen in eine Vase stellen, verlangte, dass ihm das Frühmahl ins Zimmer gebracht werde und fragte den Diener, ob er ihm eine Waage beschaffen könne. Jedoch eine möglichst feine und empfindliche. Der Diener nickte und entschwand.
Archimedes aber riss sich endgültig von den Blumen und von den durch sie erweckten Gefühlen los. Und setzte sich in einer eigentümlich fiebrigen und aufgelockerten Stimmung zum Arbeitstisch. Sein Plan war gefasst. Er wollte gewissen Geheimnissen durch Versuche an den Leib rücken.
Die folgenden Stunden sahen ihn in scheinbar konfuser Geschäftigkeit. Er zeichnete, zirkelte, maß, trank dazwischen Milch, schritt im Zimmer auf und nieder, veranlasste den Diener zu mancherlei Gängen und Arbeiten, worauf er wieder lange Berechnungen auf Blätter kritzelte.
Schließlich hatte er alles beisammen, was er brauchte. Er .zeichnete auf das Pergament und schnitt daraus höchst sorgfältig Figuren. Zuerst überzeugte er sich durch Abwägen zweier kongruenter, aus dem Pergament geschnittener Figuren, dass es überall die gleiche Dicke hatte. Dann ging er weiter und untersuchte eine Säule aus kreisrunden Pergamentblättchen, die er mit einer gleich dicken Säule aus Holz verglich. Dann wieder kamen Figuren an die Reihe, die er irgendwo auf einer Nadelspitze schweben ließ, um den Schwerpunkt zu finden. Schließlich wurden verschiedene Parabelsegmente vorgenommen und mittels der Waage mit umbeschriebnen Rechtecken und Parallelogrammen ins Verhältnis gesetzt, wobei ihn schon ein Schauer überrieselte, da er trotz zahlreicher Wiederholungen stets wieder sehr abgerundete Quadraturergebnisse fand, die mit den hartnäckig irrationalen Ergebnissen der Kreisquadratur an Einfacheit nicht zu vergleichen waren.
Plötzlich, mitten in allen Arbeiten, durchzuckte ihn ein Gedanke. Ein scheinbar wahnsinniger Gedanke. Die Kugel war doch nichts anderes als ein Kegel, dessen Öffnungswinkel ein voller Kreis war? Wenn er also einmal die Größe der Kugeloberläche entdeckte, konnte er auf dem Umweg über die bereits bekannten Kegelformeln den Inhalt der Kugel bestimmen, oder umgekehrt, aus dem Rauminhalt der Kugel ihre Oberfläche.
„Du musst mir sofort einige Kugeln aus Holz oder aus Marmor verschaffen. Meinethalben aus Glas“, sagte er hastig zum Diener. „Aber schöne, glatte, durchwegs kreisrunde Kugeln. Ist das möglich?“
„Gewiss“, erwiderte der Diener. „Es gibt hier einen Drechsler, der dreht sie mit einem Messer, dessen Schneide ein hohler Halbkreis ist. Wieviel dürfen die Kugeln kosten und wie groß sollen sie sein?“
„Da er nicht so schnell neue Drehmesser erzeugen kann, soll er sie machen, so groß er will. Der Preis ist mir einerlei. Ich brauche keine Goldkugeln und keine Edelsteinkugeln.“
„Ich verstehe“, sagte der Diener, der mit wahrem Feuereifer jeden Handgriff des Archimedes verfolgte und zu verstehen suchte. „Ich werde sie besorgen, so rasch es angeht.“ Und er huschte hinaus, nachdem ihm Archimedes eine reichliche Geldsumme eingehändigt hatte.
Archimedes rief ihn noch einmal zurück. In der Zeit weniger Herzschläge war ein neuer Gedanke, besser, das unlösbare Gemenge einer Idee, eines Bildes und einer traumschnellen Überlegung in ihm emporgezuckt, dessen Tragweite er noch durchaus nicht voll überblickte.