Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 173c

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Archimedes (Teil 12)


Eratosthenes legte den Arm auf eine riesige Nachbildung der Himmelskugel, die sich unter dem Druck seiner Hand lautlos um ihre schräggestellte Achse zu drehen anhub. „Ich bin erst vor wenigen Monaten aus dem fernen Süden zurückgekehrt, Archimedes“, sagte Eratosthenes fast wegwerfend.
„Ich kam bis Syene, bis an die Grenzen Äthiopiens. Es gelang mir, die erste Gradmessung und damit die erste Umfangsbestimmung des Erdballes durchzuführen. Der König und fast alle Gelehrten, die bisher davon hörten, behaupteten, ich hätte mir damit den Rang des größten Geographen und Astronomen aller Zeiten erworben. Ich fühle gar nichts dergleichen. Es war vielleicht ein guter Einfall und ich ersann vielleicht eine gute Methode. Alles nur vielleicht. Zudem hätte ein Privatmann weder Einfall noch Methode verwerten können. Dazu bedurfte es der Macht und des Weitblickes eines Ptolemaios Philadelphos, der mir seine Länder öffnete, mir Soldaten, Sklaven und Tragtiere in unerschöpflicher Anzahl zur Verfügung stellte und mich gleichsam zum geistigen Statthalter eines Weges von fünftausend Stadien ernannte. Wie klein ist aber dennoch dieser Abstand, den ich maß, gegenüber dem ganzen Erdumfang, den ich mit zweihundertundzweiundfünfzigtausend Stadien feststellte. Dabei aber, und darum sage ich dies alles, traf ich auf eine Schande der Geometrie. Kein einziger unsrer großen Mathematiker von Thales bis Euklid und seit Euklid kann angeben, wie groß der Rauminhalt einer Kugel ist, wenn man Umfang oder Halbmesser kennt. Ich selbst erfand das Sieb der Primzahlen, erfand eine neue Lösung der delischen Aufgabe der Würfelverdopplung, aber der harmonischeste, ebenmäßigste aller Körper, die Kugel, ist meinem grübelnden Verstand so ungreifbar wie die Glätte ihrer Oberfläche. Ihre allerorts vorhandene Krümmung lässt meine Gedanken hilflos abgleiten. Für dich, Archimedes, der du dich bisher schon als Meister mancher Kurve zeigtest, wäre die Lösung dieses Problems eine große und ehrenvolle Aufgabe. Ich weiß seit meiner an sich jämmerlich banalen Gradausmessung, wie schön es ist, etwas als erster erkannt und gefunden zu haben.“
„Archimedes soll diese Aufgabe lösen?“ Die Stimme des Knaben Apollonios überschlug sich fast in erregter Heiserkeit. Plötzlich wurde sie hell und kalt, als er sich umwandte. „Du darfst nicht denken, Archimedes, dass ich ins Leere spreche oder ins Leere hasse. Ja, ich hasse dich. Aber nicht dich als Menschen. Den Menschen Archimedes kenne ich nicht. Er ist mir auch gleichgültig. Hier im Museion ist nicht von Sokrates die Rede, sondern von der Wahrheit, haben wir vorhin gehört. Gewiss, ich bin ein Knabe. Ich verstehe nichts von der Welt. Nichts von der Lust und von der Unlust, nichts davon, ob es besser ist, zu leben oder freiwillig zu verhungern. Was ich aber verstehen muss, weil es untrüglich vor mir liegt, ist das Spiel der Linien, Flächen, Körper und Formen. Eine Lösung der Mathematik ist ebenso wahr, wenn sie von einem Knaben stammt, wie wenn ein silberhaariger Greis sie findet. Das hat uns schon Platon gezeigt, als er in der stumpfen Seele des Sklaven die Grundsätze der Geometrie durch das Wiedererinnern, die Anamnesis, vor den erstaunten Augen der Zuseher erwachen ließ. Ich habe alles, was du bisher schriebst, gelesen, Archimedes. Habe alle Beweise durchgegangen, alle Figuren nachgezeichnet. Und ich sage dir, dass du ein Zerstörer bist. Du denkst nie an Linien, wenn du rechnest, nie an Flächen, nie an die Harmonie der Sphären. Du denkst an greifbare, grobmaterielle Dinge, an Inhalte, kurz, an die Wirklichkeit. Vielleicht wirst du uns sagen, wie schwer die Erde ist, wo der Schwerpunkt dieser Erde sich befindet, wenn sie in einem Ozean geschmolzenen Goldes schwimmt, nie aber wirst du vorher darüber grübeln, warum das Spiel der Linien einen Rauminhalt, eine Kubatur, ergibt und notwendig aus sich selbst hervorruft. Du kennst nicht einmal das wahre Wesen der Kegelschnitte, Archimedes, die Unzahl der Beziehungen, die alle Kegelschnitte untereinander verknüpft. Du weißt ja nicht einmal, dass alle Kegelschnitte ... aber nein, Archimedes, das werde ich nicht verraten. Such es selbst. Es ist wirklich schön, etwas auf dieser Erde als erster und einziger zu wissen. Auch ich weiß etwas Derartiges. Und es ist kein Traum, keine Blendnis. Es ist eine Erkenntnis, aus der stromgleich andere folgen und zum Ozean des Wissens werden. Es wird aber noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte währen, bis alles die endgültige Form hat. Ewig ist nur die Reinheit der Form, nie der Inhalt. Das hat mich Konon gelehrt, der zu Füßen Euklids saß. Darum auch hasse ich die Geometrie des Archimedes, weil sie wie ein Vulkan das Innerste der Mathematik glühend und ohne Zusammenhang ausspeit, wenn sie sich auch nachträglich noch so sehr Mühe gibt, die Lavaströme zu glätten und dort Kristalle vorzutäuschen, wo die Ungestalt der Vater war.“
Archimedes, der durch die Sternennacht die starr auf ihn gerichteten Augen des Epheben blitzen sah, hatte sich während der Rede des Knaben, die nur so hervorsprudelte, ganz dem tiefen Eindruck hingegeben. Konon wollte sich schon vermittelnd an Archimedes wenden. Da sagte dieser kopfschüttelnd: