Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 118c

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Geschichte der Mathematik (Teil 18)


Das, was wir bisher erwähnten, könnte sich allerdings auch nur im Denkraum abspielen. Es ist eine begriffliche, logische Tätigkeit, aber sie muß noch nicht von einer eigenen Schrift, die bloß ihr allein dient, begleitet sein. So stand es au ch mit den algebraischen Bemühungen der Griechen bis auf Diophant. Man „dachte“ Algebra, man „sprach“ Algebra, aber man „schrieb“ nicht Algebra, oder schrieb sie nur in gewöhnlicher Umgangssprache. Und auch Diophant selbst begann erst in einem Zwischenstadium zwischen Abkürzung und selbständiger Symbolisierung die Algebra zu „schreiben“, wie wir es schon gesehen haben. Wie also schreibt man Algebra und warum schreibt man Algebra? Wir antworten darauf, daß man Algebra durch Symbole und Befehle schreibt und daß man sie nicht nur aus gleichsam stenographischen, sondern aus viel tiefer liegenden Gründen in dieser Weise schreibt. Gewiß, es ist nicht zu verachten, wenn wir etwa den Satz, daß das Quadrat eines Zweigliederausdrucks aus dem Quadrat des ersten, dem Quadrat des zweiten Gliedes und dem doppelten Produkt beider Glieder bestehe, einfach als
schreiben können.
Wir gewinnen dadurch Zeit, Überblick und Einblick in Strukturen. Wir können jetzt nach der gleichen Regel diesen einmal gewonnenen Ausdruck noch einmal zum Quadrat erheben, indem wir ihn etwa als
anschreiben. Und dabei als Resultat vorerst
erhalten, was dann leicht
oder schließlich nach Addition gleichbenannter Größen als Endergebnis
liefert.
Eine solche Rechnungsoperation, in Worten ausgedrückt, würde unsre Vorstellungskraft schon unerträglich belasten, während in der symbolischen Schreibweise nur einige Aufmerksamkeit und Sauberkeit der Schreibung notwendig ist, um nicht in Fehler zu verfallen. Aber es geschieht dabei noch viel mehr. Die Symbole (das sind die Bezeichnungen für die allgemeinen Zahlen, wie a oder b oder das bei Diophant) und die Befehle oder Operatoren oder Operations- oder Verknüpfungssymbole (+, -, = usw.) gewinnen gleichsam ein Eigenleben. Sie verbinden sich zum „Algorithmus“, zur Denkmaschine, und es ist nur mehr nötig, sie nach gewissen höchst einfachen Regeln zu gebrauchen. Der Leerlauf der isolierten Begriffe besorgt dann, ohne daß ein Fehler möglich ist, alles weitere, und am Ende steht das Ergebnis. Doch auch so weit sind wir bei Diophantos noch durchaus nicht, obgleich er mit seinen von ihm selbst geschaffenen Mitteln so weit hatte vordringen können. Sein Hauptfortschritt ist der Beginn einer algebraischen Schreibweise, einer sogenannten „Notation“ und noch nicht eines wirklichen Algorithmus. Natürlich ist die Notation die unerläßliche Voraussetzung des Algorithmus. Zu diesem Übergang war jedoch ein langer Weg notwendig, der sich hauptsächlich aus dem Bereiche konkreter Zahlen entwickelte, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden. Dieser Behauptung widerspricht es nicht, daß Diophant an einer Stelle eine unzweideutige allgemeine Regel zur Lösung von Gleichungen angibt. Er sagt nämlich: „Wenn man nun bei einer Aufgabe auf eine Gleichung kommt, die zwar aus den nämlichen allgemeinen Ausdrücken besteht, jedoch so, daß die Koeffizienten auf beiden Seiten ungleich sind, so muß man Gleichartiges von Gleichartigem abziehen, bis ein Glied einem Gliede gleich wird. Wenn aber auf einer oder auf beiden Seiten Abzugsgrößen vorkommen, dann muß man diese substraktiven Größen auf beiden Seiten hinzufügen, bis auf beiden Seiten nur Hinzuzufügendes entsteht. Dann muß man wieder Gleichartiges von Gleichartigem abziehen, bis ein Glied einem Gliede gleich wird. Wenn aber auf einer oder auf beiden Seiten Abzugsgrößen vorkommen, dann muß man diese subtraktiven Größen auf beiden Seiten hinzufügen, bis auf beiden Seiten nur Hinzuzufügendes entsteht. Dann muß man Wieder Gleichartiges von Gleichartigem abziehen, bis auf jeder Seite nur ein Glied übrig bleibt.“ Cantor bemerkt zu dieser Stelle, daß sie die Zurückbringung einer Gleichung auf die Form : betreffe, wobei und ganze, von einander verschiedene Zahlen bedeuten, deren eine auch Null sein kann. Diese Regel, sagt Cantor weiter, sei so unzweideutig, wie wir nur selten im Altertum Regeln ausgesprochen finden.
Wir berufen uns hier auf Cantor, um unsre Behauptung, Diophantos habe noch keinen wirklichen Algorithmus, keine umfassende Denkmaschine ausgebildet, zu stützen. Denn im übrigen fällt uns zwar an jeder Aufgabe, die Diophantos löst, eine geradezu unwahrscheinliche persönliche Virtuosität auf, die Aufgabe anzupacken und zu meistern, er behandelt aber gleichwohl jedes dieser Probleme für sich gesondert und bringt durchaus nicht alles Zusammengehörige in den großen Zusammenhang umfassender Regeln. Er hat also, wie Descartes einmal über die griechischen Mathematiker sagte, nicht nach einer allgemeinen Methode Lehrsätze aufgestellt, sondern nur diejenigen aufgelesen, die ihm begegnet sind.
Wir bemerken also noch einmal, daß für uns, rein entwicklungsgeschichtlich betrachtet, Diophantos, trotz all seiner nicht in Abrede gestellten persönlichen Genialität, bloß der Bahnbrecher der algebraischen Notation oder Schreibweise ist, wenn er auch die Gleichungen, insbesondere die unbestimmten, an zahlreichen Beispielen einer ganz neuartigen Behandlung zuführte. Diese neben seiner generellen Leistung als Notationserfinder einherlaufende Tätigkeit als Spezialforscher für Gleichungen wollen wir uns nun naher betrachten.
Vorerst aber noch eine weitere Feststellung: es ging Diophantos durchaus nicht etwa darum, speziell für unbestimmte Gleichungen sämtliche Lösungen zu finden. Er begnügt sich vielmehr sehr oft damit, eine einzige Lösung anzugeben. Noch viel weniger hat er es angestrebt, etwa bloß ganzzahlige Lösungen zu suchen. Die Methode für diesen Zweck hat erst sein Übersetzer Bachet de Méziriac im 17. nachchristlichen Jahrhundert geschaffen. Das muß deshalb betont werden, weil heute im Schulunterricht und in der Vfissenschaft die unbestimmten Gleichungen nur dann „diophantische Gleichungen“ heißen, wenn sie ganzzahlige Lösungen ermöglichen, bzw. es wird die Lösung in ganzen Zahlen als diophantisch bezeichnet. Diophantos selbst verlangt wie überall in seinem Werke, bloß positive und rationale Lösungen. Irrationale Größen erkennt er als Grieche nicht als Zahlen an und bezüglich der negativen Größen ist er sicherlich, wie das ganze übrige Altertum, gar nicht auf den Gedanken gekommen, sie als Zahlen oder Gleichungslösungen zu betrachten, da sie geometrisch, wenigstens innerhalb der griechischen Geometrie, keinerlei Sinn haben. Wir wollen uns aber nicht mit diesen Andeutungen über Diophantos begnügen. Dadurch würden wir seine Spezialleistungen nicht im gehörigen Lichte sehen. Sie sind nämlich alles eher denn gering, sind in manchen Augenblicken sogar erstaunlich. Er hat insbesondere mit einer ungeheuren Schwierigkeit zu kämpfen, die sich sozusagen aus seinem „Rohmaterial“ oder aus der Beschaffenheit seines Werkzeuges ergibt. Dadurch nämlich, daß er zur Bezeichnung seiner „Unbekannten“ keine Buchstaben außer dem vorfindet, die nicht konkrete Zahlen bedeuten, ist er gezwungen, stets nur mit einer einzigen Unbekannten zu arbeiten. Allerdings hätte er sich mit fremden Alphabeten behelfen können. Doch das widerstrebte dem Griechen sicherlich, da ja die alten Hellenen auch Fremdwörter stets vermieden.
Sein Hauptwerk heißt „Arithmetika“ (also etwa „Arithmetisches“ oder „arithmetische Untersuchungen“) und besteht, außer allgemeinen Erörterungen über Zahlen, aus Beispielen, die Lösungen von Gleichungen beinhalten. So verlangt etwa die 39. Aufgabe des ersten Buches, daß, wenn zwei Zahlen gegeben sind, eine dritte gesucht werde, so daß dann die Summe je zweier Zahlen, mit der dritten multipliziert, drei Zahlen ergibt, die gleiche Differenzen haben. Also eine sicherlich sehr verwickelte Bedingung. Diophantos schließt in folgender Art: die gegebenen Zahlen seien drei und fünf, die gesuchte ist x (bei Diophantos natürlich als geschrieben).
Man erhält sonach die drei Produkte
und
Das Ergebnis der ersten Multiplikation kann nicht die größte der drei Zahlen sein, dagegen könnte die größte oder mittlere, die größte, mittlere oder kleinste sein.
Sei nun die größte, die mittlere der drei Zahlen, dann muß, da die drei Zahlen gleiche Differenzen haben sollen, die Summe der größten und der kleinsten Zahlen gleich sein der doppelten mittleren, da in unsrer Sprache gesprochen, aus
und
folgt, daß
.
Daher ist also
oder
.
Wäre aber die größte,
die mittlere und
die kleinste Zahl,
dann wäre nach der angeführten Regel
,
somit .
Ist schließlich
die größte,
die mittlere und
die kleinste Zahl,
dann ist wohl
oder
.
Löst man jetzt die drei Gleichungen, jede für sich, auf, dann erhält man für x die drei Werte
, und 15, die alle drei der aufgestellten Bedingung genügen. Aus diesem Beispiel ist klar zu sehen, daß Diophantos zwar im tiefsten Grunde mit drei Gleichungen, jedoch formal bloß mit einer einzigen Unbekannten arbeitet.
Um nun weiters zu zeigen, mit welcher Virtuosität Diophantos für seine Zeit sehr schwierige unbestimmte Gleichungen behandelte, geben wir, in der Darstellung Zeuthens, Gleichungen der Formen
und
,
die bei Diophantos häufig vorkommen. Diophantos löst nun die erste Form dadurch, daß er
setzt,
während die zweite Form durch die Substitution
behandelt wird.
Er gewinnt also im ersten Fall für
durch die Substitution die Gleichung
oder
oder
und wird gemäß
und
gleich
.
Nun kann man durch leicht und sicher rational ausdrücken. Und weiters aus und .
Nehmen wir an, die ursprüngliche Gleichung hätte gelautet
und wir hätten für
nach obiger Regel
substituiert. Dann hätten wir nach Einsetzen
, also
, somit
und daraus ergäbe sich als
Wenn wir jetzt ein wählen, das die Lösung nicht negativ macht, also etwa , dann erhalten wir für den Wert
oder
.
Das zugehörige ergibt sich aber, da es ja
ist, als oder
Gehen wir zur ursprünglichen Gleichung zurück, dann muß
gleich sein
also
, was offensichtlich stimmt.
In analoger Art wird die zweite angeführte Substitution gehandhabt, um aus derartigen Gleichungen rationale Wurzeln oder Lösungen für beide Unbekannte zu gewinnen. Zeuthen bemerkt hiezu, daß noch heute mit denselben Substitutionen irrationale Differentiale rational gemacht werden. Selbstverständlich sieht die tatsächliche Behandlung derartiger Aufgaben bei Diophantos viel verwickelter aus, da er nur mit einer Unbekannten operiert und daher fortwährend Zwischengleichungen einschalten muß. Dabei verwirrt es den Leser, daß die Unbekannte in mehreren verschiedenen Gleichungen, obwohl sie Verschiedenes bedeutet, mit demselben Buchstaben geschrieben wird (bzw. mit
, falls es sich um ein Quadrat handelt). Um so bewunderungswürdiger aber die Sicherheit der Handhabung. Wir haben ja auch an unserem ersten Beispiel gesehen, daß ein solches Vorgehen möglich ist. Denn dabei hat das in jeder der drei Gleichungen etwas anderes bedeutet. Natürlich ist dasselbe Vorgehen in einer und derselben unbestimmten Gleichung noch komplizierter zu handhaben und zu begreifen.
Um die Gewandtheit Diophants, seine „Wendungen“, wie sie oft genannt werden, zu demonstrieren, sei noch eine unbestimmte Gleichung erwähnt. Zwei Zahlen, die wir für uns und nennen, ergeben die Summe 20. Dabei soll jede dieser beiden Zahlen, um ein und dieselbe Quadratzahl vermehrt, wieder eine Quadratzahl liefern.
Also, modern geschrieben:
.
Das wären drei Gleichungen mit vier Unbekannten. Wie hilft sich nun unser Meister aus der Verlegenheit? Wieder durch kühne „Substitutionen“, wie wir gleich sehen werden.
Er quadriert nämlich und und erhält
und
.
Das aber, so denkt er, könnte recht wohl an Stelle der obigen zweiten und dritten Gleichung gesetzt werden.
Es wäre dann
und
Es steht also jetzt
für und
für .
Da aber
, so wäre
Um nun aus dieser Gleichung für einen positiven Wert zu erhalten, muß
kleiner sein als zwanzig.
Also, wie er annimmt, 4 und 9.
Dadurch wird
und schließlich
Daraus folgt
und
, wodurch alle Bedingungen des Gleichungssystems erfüllt sind.
Denn ,
somit die rationale, gebrochene Quadratzahl und
, somit .
Diese Lösungen sind, wie bei Diophantos an allen Stellen, natürlich nur spezielle und sind durch frühzeitiges Einsetzen konkreter Werte, unter Ausschluß negativer Möglichkeiten für den Wert von , gewonnen. Wir Heutigen würden ruhig für und auch Zahlen substituieren, die der Bedingung
(die, nebenbei bemerkt, etwas gewaltsam ist) nicht genügen.
Bei und ergäbe sich etwa
für der Wert
,
für der Wert und
für der Wert .
Daraus folgt, daß
und
also ebenfalls eine Erfüllung des Gleichungssystems.
Schließlich sei noch das einzige Beispiel einer kubischen Gleichung erwähnt, das sich bei Diophantos findet. In unsrer Schreibweise würde die Gleichung
lauten.
Berechnet ergäbe sich oder, nach der Gewohnheit Diophants umgeformt,
Er setzt die Gleichungen schließlich stets so an, daß lauter positive Werte vorkommen. Dadurch aber kann er im vorliegenden Fall weiter umformen
und erhält durch Division . Von den beiden anderen Wurzeln, die jede kubische Gleichung haben muß und die in unsrem Fall imaginär wären, ist naturgemäß keine Rede.
Es war jedoch nicht bloß die, fast möchte man sagen, abenteuerliche Geschicklichkeit Diophants, Gleichungen zu behandeln, die seine spätere Wirkung erklärt. Gelegentlich seiner Einkleidungen der Gleichungen stößt er darüber hinaus oft auf zahlentheoretische Beziehungen. So findet er, daß in jedem rechtwinkligen Dreieck das Quadrat der Hypotenuse auch dann noch ein Quadrat bleibt, wenn man das doppelte Produkt der Katheten dem Quadrat hinzufügt oder davon abzieht. Es ist also
stets ein Quadrat, was uns algebraisch natürlich vollständig klar ist, da es nichts anderes bedeutet als die Ausrechnung der Quadrierung des Binoms oder . Allerdings erscheint es hier in anderem Zusammenhang als neue Beziehung zwischen den Seiten rechtwinkliger Dreiecke. Weiters entdeckt er, daß sich die Zahl 65 auf zwei Arten in die Summe von Quadraten zerlegen lasse, nämlich und , da 65 aus der Multiplikation von 5 und 13 entstanden sei, die wieder selbst die Summe je zweier Quadrate seien, nämlich
und .
Es ist also, so übersetzen wir diese Erkenntnis in unsre Algebra, stets
oder gleich
.
Schließlich erkennt Diophantos, daß jedes Quadrat auf beliebig viele Arten als Summe zweier Quadrate aufgefaßt werden könne. Wenn nämlich a2 die zu zerlegende Quadratzahl sei, dann könne man als den einen, dagegen als den andern Teil denken, wobei ganz beliebig gewählt werden darf.
Dann ist , woraus
und schließlich
folgt.
Die zweite Quadratzahl gibt sich hierdurch als
oder
.
Dadurch aber ist wieder, da ja ,
dieses ursprüngliche Quadrat jetzt
,
wobei willkürlich angenommen werden kann.
Hätten wir also etwa : zu zerlegen und wählen wir als , so erhalten wir
.
Wählen wir aber , so ergibt sich
.
Diese zahlentheoretischen Erkenntnisse haben viel später auf die Zahlentheoretiker des 17. nachchristlichen Jahrhunderts, insbesondere auf Fermat, als mächtige Anregung eingewirkt.
Wir wollen aber, so interessant es ware, den Leser nicht mehr mit den speziellen Leistungen des Diophantos belasten. Wir mußten sie konkret zeigen. Denn durch bloße Zensuren läßt sich die geniale Kunstfertigkeit dieses einzigen wirklichen Algebraikers des hellenischen Kulturkreises nicht zwingend darstellen. Daß er der einzige Algebraiker des Altertums blieb, ist durch seine geschichtliche Position innerhalb einer im Zerfall begriffenen Kultur zu erklären. Er fand keine Nachfolger, weil die Schaffenskraft der Hellenen gleichsam erschöpft war. Und vielleicht noch mehr deshalb, weil sein Werk die bisherigen Bahnen griechischer Mathematik verlassen hatte.
Auf jeden Fall bildet er ein Unikum in der Geschichte unsrer Wissenschaft. Gleichwohl aber für sich eine Epoche. Denn er hat als erster die symbolische Schreibweise angewandt, zum mindesten die Schranken der Wortalgebra und der geometrischen Algebra niedergerissen.
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