Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 117c

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Geschichte der Mathematik (Teil 17)


Trotz alldem ist es, rein historisch-kritisch und rein äußerlich betrachtet, mehr als verwunderlich, daß die zweite Stufe der Algebra, die uns in ihren Anfängen schon in der „Hau-“ oder „Haufenrechnung“ der alten Ägypter vorliegt und die den Hellenen sicher bekannt war, nicht einmal auf alexandrinischem Boden eine Höherentwicklung veranlaßte. Besaßen doch die Ägypter schon zur Zeit des Ahmes eigene Hieroglyphen für die „Unbekannte“, die gesuchte Größe, und für einige Operationssymbole, wie Addition und Subtraktion. Addition wurde nämlich als fortschreitende Füße in der Schreibrichtung, Subtraktion als derartige Füße in entgegengesetzter Richtung dargestellt.
Die Art nun, bei algebraischen Ansätzen, wie Formeln oder Gleichungen, den Satzbau, die Einkleidung in Sätze, zwar prinzipiell noch beizubehalten, gleichwohl aber eine Reihe häufig wiederkehrender Größen, Begriffe oder Operationsbefehle durch Abkürzungen zu ersetzen, heißt die synkopierte Algebra.
Nun sind wir so weit, uns mit der Neuerung des Diophantos, die im Altertum vereinzelt dasteht, näher befassen zu können. Sie ist das Schulbeispiel einer „synkopierten Algebra“ und es zeigt sich auch innerhalb des Werkes Diophants ein Ringen um die neue Form, was sich in einer gewissen Inkonsequenz seiner Schreibart äußert. Er ist sich, so sieht es wenigstens aus, kaum schon der vollen Tragweite seiner Neuerung bewußt und glaubt wahrscheinlich, durch seine Schreibweise bloß Arbeit zu ersparen und Übersichtlichkeit zu gewinnen. Daß er sich dabei, halb unbewußt, in den Besitz einer selbsttatigen „Denkmaschine“ ungeheuerster Präzision und Leistungsfähigkeit gesetzt hat, dürfte er wohl dunkel gefühlt, nicht jedoch glasklar erkannt haben. Wir werden über diese sehr wichtigen Grundfragen der Algebra noch im Verlauf dieses Kapitels sprechen, nachdem wir uns die Neuerungen Diophants prüfend angesehen haben.
Das Hauptgebiet seiner Forschungen ist, wie es einem Algebraiker zukommt, die Untersuchung und Lösung von Gleichungen. Da aber in jeder Gleichung die zu suchende Größe (die wir heute mit x benennen), also die sogenannte „Unbekannte“, die Hauptrolle spielt, sieht sich Diophant zuerst um eine abkürzende Bezeichnung für diese Unbekannte um. Er nennt die erste Potenz der Unbekannten schlechtweg „die Zahl“ (Arithmos). Und er schreibt sie mit dem Schlußsigma, dem er einen Akzent rechts oben anfügt. Die Unbekannte erscheint also bei ihm als σ'. Will er die Mehrzahl andeuten, dann schreibt er .
Warum er gerade diesen Buchstaben wählte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die einen behaupten, er hatte ihn nehmen müssen, da alle andern Buchstaben des griechischen Alphabets bereits für Zahlenbezeichnungen vergeben waren. Die andern halten ihn für einen Zusammenzug von oc und Q, also der beiden Anfangsbuchstaben des Wortes Arithmos. Sicherlich hat Diophant für die höheren Potenzen der Unbekannten keine Buchstaben mehr vorgefunden, die nicht auch als konkrete Zahlen in Verwendung standen. Er behilft sich also damit, daß er die Anfangsbuchstaben der Wortbezeichnung dieser Potenzen mit einem hochgestellten kleineren zweiten Buchstaben versieht, der in allen vorkommenden Fallen das ist. Er schreibt also
x2 als (Dynamis = Quadrat),
x3 als (Kybos = Würfel),
x4 als (Dynamodynamis = Quadrat des Quadrats),
x5 als (Dynamokybos = Quadrat mal Würfel)
und schließlich
x6 als (Kybokybos = Würfel mal Würfel).
Weiter geht er nicht. Dagegen haben die Stammbrüche, in deren Nenner eine Potenz der Unbekannten steht, gleichfalls eigene Bezeichnungen, die sich an die obigen Zeichen anschließen. Es wird nämlich als Bezeichnung des Bruches (oder wie wir heute sagen würden, der negativen Potenz) dem kleinen eine dem griechischen „Chi“ () ähnliche Ligatur hinzugefügt, so daß
(Dynamoston) als
(Dynamodynamoston) als
(Dynamodynamoston) als usf. geschrieben wird.
Der reziproke Wert der ersten Potenz der Unbekannten, also , heißt Arithmoston.
Hinter diese Potenzen der Unbekannten bzw. hinter ihre reziproken Werte wird nun der Koeffizient geschrieben, so daß etwa als dargestellt wird. Da aber in Gleichungen auch sogenannte Konstanten (unbenannte Zahlen) vorkommen, müssen sie, zur Vermeidung von Konfusionen, als solche gekennzeichnet werden, insbesondere, da ein Additionszeichen nicht existiert und sich jede Addition als bloße Aneinanderreihung ausdrückt. Dieses Unterscheidungszeichen ist das My mit hochgestelltem Omikron, also , was Monas oder „Einheit“ bedeuten soll.
Wäre also darzustellen, so müßte man schreiben
Damit ist aber die Symbolik Diophants noch nicht erschöpft. Er kennt überdies ein Subtraktionszeichen in Form eines umgedrehten „Psi“, also das angeblich eine Ligation (zusammenziehende Abkürzung) von „Leipsis“ ist, was bei Diophant eben im Gegensatz zur Addition oder „I-Iyparxis“ die Subtraktion bedeutet.
Schließlich finden wir an manchen Stellen statt „ist gleich“ (isoi eisin) einfach den Buchstaben „Jota“ (). Diese Einschränkung „an manchen Stellen“ ist äußerst wichtig. Wir werden dies gleich näher an wirklichen Beispielen Diophantischer Schreibung verdeutlichen, deren Veröffentlichung von Nesselmann stammt. So wäre etwa eine Gleichung
Diese Stelle heißt wörtlich: „10 Unbekannte nun plus 30 Einheiten sind gleich 11 Unbekannten plus 15 Einheiten“, also in unsrer Schreibung
Wir machen darauf aufmerksam, daß den „Unbekannten“ oben kleine Endungen „oi“ und „ois“ angehängt sind, was dem Nominativ und Dativ Pluralis der männlichen Deklination entspricht. Es ist das etwa so, wie wenn wir „am 43m“ Juli“ schreiben. Weiters hat Diophant im vorliegenden Beispiel die „Monas“ das erstemal im Nominativ abgekürzt, im Dativ dagegen voll ausgeschrieben.
Schließlich finden wir das „Gleichheitszeichen“ in diesem Falle nicht, sondern es steht „isoi eisin“, also in Worten „sind gleich“. Daraus ersehen wir ganz deutlich, daß Diophants Gedanken noch sehr stark in der alten Wortalgebra gefangen waren, während sich seine Symbolik für ihn vorerst als „Abkürzung“ manifestierte, was ja auch außerhalb der Mathematik als „Abbreviatur“ beim Schreiben von häufigen Wörtern oder bei Endungen vorkam. Eine zweite Originalstelle, ein Bruch zweier Mehrgliederausdrücke (Polynome), wird dadurch bewältigt, daß an Stelle unsres Bruchstriches das Wort „moriou“ steht, wobei alles, was rechts davon steht, den Nenner bedeutet.
Der Ausdruck lautet
was in unsrer algebraischen Art als
geschrieben werden würde. Wieder fehlt hier die volle Konsequenz. Statt des sonstigen Minuszeichens steht zweimal das volle Wort und bei ist die Eins ausdrücklich als beigefügt. Wir wollen daher als Beispiel konsequenter diophantischer Schreibart, die sich aller von Diophant selbst gebrauchten „Abkürzungen“ bediente, ein von uns konstruiertes Beispiel anfügen, nämlich die Schreibung der Gleichung
die sonach lauten müßte:
Hier fehlt, obgleich es sich um einen sehr komplizierten Ausdruck handelt, jedes Wort, mit Ausnahme des Bruchanzeigers „rnoriou“, der sich etwa durch ein verkehrtes leicht hätte symbolisieren lassen können. Bei einiger Konsequenz läge also schon bei Diophant eine sehr hoch entwickelte algebraische Schreibweise vor, die unsrer an Einfachheit nur wenig nachsteht, wenn man von den konkreten Zahlen absieht, die natürlich noch kein Stellenwertsystem kennen.
Wir wollen aber weder philologische Tüftelei betreiben, noch dem großen Diophant Zensuren erteilen. Wir wollen nur einen ungeheuer wichtigen Tatbestand bis zum letzten Urgrund aufklären. Die Frage nämlich nach der Bedeutung der Algebra im allgemeinen und der algebraischen Schreibweise im besonderen. Denn es ist kein billiger Scherz, sondern eine geschichtliche Tatsache, daß die „geometrische Algebra“ der alten Griechen später entziffert wurde als die Hieroglyphen, während Diophantos und die noch spröderen Araber schon zu Beginn der Neuzeit im wesentlichen volles Verständnis fanden.
Es ist also zuerst die Frage nach der Bedeutung der Algebra zu stellen, die die weitere Frage nach der Bedeutung der Arithmetik im mathematischen Denken voraussetzt, da sie aus ihr hervorgegangen ist. Philosophisch gesprochen, liegt dem Problem der Unterschied des Begrifflichen und des Anschauungsmäßigen zugrunde. Um die Ausdrucksweise Kants zu gebrauchen, ist der Verstand das Vermögen, Begriffe zu bilden, während die Anschauung uns die Anschauungen vermittelt. Der Verstand ist eine sogenannte diskursive Fähigkeit, was nichts anderes heißt, als daß er für die Gewinnung seiner Ergebnisse das Nacheinander braucht, während die Anschauung gleichsam zeitlos ist und auf einen Blick gewonnen wird. Darüber hinaus ist das eigentliche Gebiet des Verstandes das Zergliedernde, Teilende, während die Anschauung ein synthetisches, verbindendes Vermögen ist. Wir haben bei Gelegenheit der Paradoxien Zenons schon über ähnliche Dinge gesprochen. Eine wirkliche Kontinuität oder Stetigkeit ist nur durch die Anschauung zu verwirklichen. Eine Linie, eine Fläche, ein Körper sind anschauungsmäßig stetige oder kontinuierliche Wesenheiten. Will ich diese Wesenheiten jedoch verstandesmäßig aufbauen, dann muß ich Wohl zu Urelementen greifen, zu ersten Bausteinen, also zu Atomen. Atome sind aber irgendwie stets prinzipiell zählbare Mengen, wenn ich auch ihre unendliche Menge behaupte.
Wir können uns jedoch an dieser Stelle noch nicht tiefer in solche philosophische Erörterungen verlieren, da wir dadurch sozusagen einen Anachronismus der Darstellung begingen. Wir halten nämlich bei Diophant und nicht bei moderner Erkenntniskritik oder gar bei der Mengenlehre. Wir wollten lediglich feststellen, daß die Zahl und die Anzahl Ergebnisse der Verstandestätigkeit sind, und daß es auch eine Tätigkeit des Verstandes ist, die diese Zahlen in allerlei Arten miteinander verbindet. Die Tätigkeit der Anschauung betrifft dagegen die Gestalt und die Figur, also all das, was wir im eigentlichen Sinne als geometrisch bezeichnen. Nun ist es selbstverständlich, daß Verstand und Anschauung nirgends rein und ungemischt auftreten, da nach Kant ja Begriffe ohne Anschauung leer und Anschauungen ohne Begriffe blind sind. In dem an sich undenkbaren Begriff des Unendlichen steckt irgendwie eine wenn auch nebelhafte Anschauung und in der Anschauung eines Dreiecks das begriffliche Element einer gewissen Anzahl von Ecken und einer gewissen Verbindungsart dieser Ecken durch Linien.
Gleichwohl gibt es naturgemäß die verschiedensten Mischungsverhältnisse, in denen Begriffliches und Anschauliches in einem mathematischen Problem auftreten können. Und es ist gerade das sonderbare, daß die scheinbare Erblindung von Anschauungen und die Leere von Begriffen dazu besonders geeignet sind, mathematische Kräfte in Bewegung zu setzen. Wir haben nämlich die Möglichkeit, geometrische Tatsachen zu bloßen Schemen verblassen zu lassen, während wir Zahlen so sehr symbolisieren können, daß nichts mehr von ihnen übrigbleibt als der allgemeinste Begriff einer Zahl überhaupt. Das aber ist das Wesen der Algebra. Es soll nicht mehr mit Zahlen, d. h. mit konkreten Zahlen operiert werden, sondern mit Zahlen überhaupt oder, wie man auch sagen könnte, mit Zahlenstellvertretern. Irgendeine Zahl soundso oder eine Quadratzahl soundso wird gesucht. Wir kennen sie noch nicht, sonst brauchten wir sie nicht zu suchen. Bevor wir sie aber finden, benennen wir sie bereits und rechnen mit ihr nach Regeln, mit denen man sonst nur mit wirklichen, konkreten Zahlen umgeht. Man addiert, subtrahiert, multipliziert, dividiert mit diesen noch unbekannten Zahlen, erhebt sie zum Quadrat, zur n-ten Potenz, zieht aus ihnen die Wurzel. Kurz, man operiert mit allgemeinen Zahlen, als ob sie konkrete Zahlen wären.
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