Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 115c

índice
Lección 114c ← Lección 115c → Lección 116c


Geschichte der Mathematik (Teil 15)


Fünftes Kapitel
---
DIOPHANTOS
Mathematik und Schrift
---
Wenn unsere Untersuchung auch durchaus nicht eine lückenlose Kontinuität der Entwicklung geben will, sondern gerade das Gegenteil einer solchen Darstellung anstrebt, indem sie nur die Epochen der Mathematik aufzeigt, so bleibt darüber hinaus gleichwohl die allgemein kulturhistorische Tatsache zu erörtern, warum manchmal erst nach einem leeren Zwischenraum von Jahrhunderten der weitere Aufstieg einer Wissenschaft stattfindet oder stattfinden kann.
Dabei ist es für die Zeitgenossen selbst oft unmöglich, diese Leere zu empfinden oder wahrzunehmen. Denn das durch die großen Entdecker zur Diskussion gestellte Problemmaterial wird aufgearbeitet, erweitert, Verallgemeinert und gesichtet. Und es kann sehr wohl geschehen, daß noch bestehende Lücken ausgefüllt werden und Entdeckungen zu dieser Ausfüllung erforderlich sind, die rein qualitativ hinter den epochemachenden Entdeckungen der klassischen Zeit nicht zurückstehen, sondern nur relativ zu der wissenschaftlichen Gesamtlage nicht epochal wirken. Hierbei handelt es sich eben um das Problem des Epigonentums überhaupt. Epigone zu sein ist nicht bloß eine mindere Fähigkeit, sondern in vielen Fällen bloß das Unglück, später das Licht der Welt erblickt zu haben. Die Tatsache, daß innerhalb eines Kulturkreises, der, durch tausend Komponenten bedingt, nicht über sich selbst hinaus kann, nichts mehr zu leisten ist, dürfte sich in vielen Fällen nicht als Schuld und Unfähigkeit, sondern als Schicksal des einzelnen herausstellen lassen.
Doch über derart verwickelte und undurchsichtige Fragen, die außerdem noch eine geschichtsmorphologische Untersuchung voraussetzen, ob es wirklich so etwas gibt wie Jugend, Vollreife und Vergreisung einer Kultur, kann man kaum Allgemeingültiges aussagen, wenn man die Tatsachen der Geschichte nicht vergewaltigen will. Wozu noch die weitere Frage gehört, ob diese Entwicklungsstufen an bestimmte Völker oder an Kulturkreise gebunden sind. Was aber sind Kulturkreise ohne die Basis konkreter Völker? Es ist, nicht bloß von Oswald Spengler, über derartige Problemgruppen viel diskutiert worden. Wir können uns in so umfangreiche Untersuchungen nicht verlieren, ohne unsre Hauptaufgabe zu gefährden. Wir können aber anderseits wieder gerade an der historischen Stelle, an der wir eben nach Apollonios angelangt sind, über das auffallende Phänomen plötzlicher mathematischer Dekadenz nicht schweigend hinweggehen. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß eine eigentliche Epoche der Mathematik erst wieder bei Diophantos behauptet werden kann.
Wenn man scharf formulieren will, muß man feststellen, daß die Mathematik vom zweiten vorchristlichen bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert hinein mit einer einzigen Ausnahme nichts andres als die Verwaltung des klassischen Erbes betreute. Und zwar waren es ausschließlich Griechen, die sich dieser Aufgabe unterzogen. Die römische Mathematik kam dagegen überhaupt nicht in Betracht. Das klassische Rom war ein Volk militanter Juristen, das in einer gewissen Geringschätzung der Gelehrsamkeit Sachverständige für nichtjuristische Gebiete sich auf Grund seiner Machtfülle aus aller Welt herbeiholte, wenn es solche für Zwecke der Technik und der Architektur oder für das Kriegswesen brauchte. Die große Zeit der römischen Weltherrschaft vom Ende der Punischen Kriege bis zum Ende der eigentlichen Cäsarenperiode gehört daher zu den mathematisch sterilsten Zeiten des bisher überblickbaren Geschichtsverlaufes. Wir erwähnten eine einzige Ausnahme. Sie betrifft die Entwicklung der Trigonometrie und wir werden darüber noch zu sprechen haben.
Wir besteigen also wieder einmal unsern Zauberteppich und knüpfen an Apollonios und an seine Durchforschung der Kegelschnittskurven an. Es war klar, daß die schon von Archimedes eingeleitete besonders ausgedehnte Beschäftigung mit den Kurven, die sich bei Apollonios fortsetzte, einen Ansporn zur weiteren Durchforschung des irgendwie gesetzmäßig Gekrümmten bildete. So entdeckte im zweiten vorchristlichen Jahrhundert der Geometriker Nikomedes die Konchoide oder Muschelkurve, deren mechanische Darstellung durch eine Art von Konchoidenzirkel von Nikomedes gleichfalls angegeben wurde. Da es sich dabei, analytisch gesprochen, um eine höhere Kurve, also um eine den zweiten Grad übersteigende Kurve handelte, deren Gleichung wir heute als
 
schreiben, konnte sie zur Lösung der Winkeltrisektion und des delischen Problems herangezogen werden. Dasselbe leistete die Cissoide oder Efeulinie des Diokles, deren Gleichung
  lautet.
Auch die Cissoide ist mechanisch durch ein Cissoidenzirkelgerät darstellbar. Wenn wir noch erwähnen, daß sich um diese Zeit auch der Geometriker Perseos mit den sogenannten spirischen, also den durch einen Kreiswulst gelegten Linien beschäftigte, dann haben wir die Fortschritte auf dem Gebiet der Kurvenlehre angedeutet, die über Archimedes und Apollonios hinaus erzielt wurden.
Als weitere bedeutende Gestalt der nachklassischen Mathematik wäre Heron von Alexandrien zu erwähnen. Heron war vorwiegend Praktiker, war Physiker und Feldmesser und hat die Maßgeometrie mächtig gefördert. Von ihm stammt die berühmte Flächenformel des Dreiecks, berechnet aus den drei Seitenlängen.
Die schon erwähnte Trigonometrie, die sich unter dem Einfluß bekanntgewordener babylonisch-chaldäischer Vorleistungen in Verbindung mit der Kugelgeometrie, der „Sphärik“, entwickelte, hat in Hipparch, einem Nachfolger des Aristarchos von Samos, ihren ersten großen Vertreter. Er entdeckt unter anderem die stereographische Projektion, indem er die Himmelskugel von einem Pol aus auf ihre Äquatorebene abbildet, wobei sämtliche Winkel und Kreise erhalten bleiben.
Die Sphärik wird weiter durch Menelaos von Alexandrien im ersten nachchristlichen Jahrhundert entwickelt, bis sie durch Klaudius Ptolemäus um 140 nach Christi Geburt ihren größten Vertreter findet. Es erscheint vielleicht als eine gewisse Ungerechtigkeit, wenn wir die ungeheure Vollendung, die die Kugelgeometrie und die Trigonometrie bei Ptolemäus erreichen, nicht als gesonderte Epoche der Mathematik ansetzen. Das Hauptwerk dieses großen Mathematikers und Astronomen, dessen Weltbild weitere anderthalb Jahrtausende beeinflußte, die „Megale syntaxis“ (große Zusammenstellung) oder auf arabisch „das Almagest“, stand in derart hohem Ansehen, daß die Auslieferung eines Exemplars dieses Werkes gelegentlich eines Friedensschlusses zwischen dem Kalifat und Byzanz einen Hauptpunkt des Friedens-Vertrages bildete. Wir selbst gebrauchen auch heute noch täglich Ausdrücke, die erstmalig von Ptolemäus geprägt wurden. Er nennt nämlich gelegentlich seiner Kreis- und Winkelteilung die Unterteile „partes minutae primae“ und „partes minutae secundae“ (Also etwa „verminderte Teile erster und zweiter Art“ oder „Verkleinerung erster und zweiter Art“).
Daraus ist höchst inkonsequenterweise unsre Unterteilung in Minuten und Sekunden entstanden, die richtig höchstens „Primen“ und „Sekunden“ lauten sollte.
Wenn wir uns also trotz allem nicht entschließen konnten, die Trigonometrie als gesonderte Epoche anzusetzen, so ist unser Grund dafür der, daß die Trigonometrie ein abgegrenztes Teilgebiet der Maßgeometrie ist und daß sie daher im strengsten Sinne größtenteils nicht zur reinen, sondern zur angewandten Mathematik gehört. Ihre überragende praktische Bedeutung ist unbestreitbar und unbestritten, ebenso wie die Tatsache, daß ihre Voraussetzungen, soweit sie die goniometrischen Funktionen betreffen, gleich dem Pythagorassatz zu den ersten Fundamenten der höheren Mathematik gehören. Sie wurde aber im Gegensatz zu den meisten andren Disziplinen der Mathematik nicht zu diesen, sondern zu rein praktischen Zwecken geschaffen und hat deshalb das mathematische Denken an und für sich nicht epochemachend beeinflußt. Sie ist vielmehr weiter ihren praktischen Weg oder den Weg als Hilfswissenschaft der Astronomie gegangen und schließlich verhältnismäßig bald zu einer nicht mehr zu überbietenden endgültigen Vollkommenheit ausgebildet worden.
Es war nicht verwunderlich, daß die zunehmend praktische Orientierung der nachklassischen Mathematik des Altertums das wirkliche Rechnen stets mehr und mehr in den Vordergrund schob. Die Diffamierung des Rechnens wurde langsam und unmerklich aufgehoben und schon Heron ergeht sich in einer derartigen Fülle von Berechnungen, daß sein Buch später zu Rechenbüchern und Aufgabensammlungen umgestaltet wurde. Noch deutlicher tritt die Notwendigkeit tatsächlicher Berechnung bei Ptolemäus zutage. Eine brauchbare Trigonometrie ohne umfassendste zahlenmäßige Behandlung ist undenkbar, und Ptolemäus hat deshalb auch ein großes grundlegendes Tafelwerk, seine „Sehnentafel“ von ½° zu ½° bis 90° geschaffen, das den Zweck der heutigen logarithmisch-trigonometrischen Tafelwerke zu erfüllen hatte. Er kannte auch als Näherungswert für die Kreiszahl π die Darstellung
3 +   +  ,
die vom richtigen Wert 3,1415926..., wie ersichtlich, erst in der vierten Dezimalstelle abweicht und für nicht allzu anspruchsvolle praktische Zwecke auf jeden Fall genügt.


índice
Lección 114c ← Lección 115c → Lección 116c