Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 274c»

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:Nur für einen Herzschlag hatte Leibniz der lodernde Blick nachtschwarzer, schmaler Augen, unter buschigen Augenbrauen hervorsprühend, getroffen. Dann war sofort wieder dieses müde, leidend wissende Lächeln da, und Spinoza klinkte die Türe zum Nebenraum auf und machte mit der Hand eine kleine Geste der Einladung.
 
:Leibniz hatte bisher kein Wort gesprochen. Er fand auch jetzt noch keinen Anlaß, sein Schweigen aufzugeben. Denn eine Überbrückung leerer Befangenheitsmomente durch Floskeln und Phrasen schien ihm hier deshalb so unangebracht, weil die Worte, die wichtigen, gültigen Worte, ohnedies früher kommen mußten und nachhaltiger dahinströmen würden als irgendwo sonst in seinem bisherigen Leben.
:Leibniz hatte bisher kein Wort gesprochen. Er fand auch
jetzt noch keinen Anlaß, sein Schweigen aufzugeben. Denn eine
Überbrückung leerer Befangenheitsmomente durch Floskeln
und Phrasen schien ihm hier deshalb so unangebracht, weil die
Worte, die wichtigen, gültigen Worte, ohnedies früher kommen
mußten und nachhaltiger dahinströmen würden als irgendwo
sonst in seinem bisherigen Leben.
 
:So trat er also in den zweiten kleineren und behaglicheren Raum ein, an dessen Fenster ein mächtiger Schreibtisch stand. Es war hier wohlig warm und rötliche Blitze eines Kaminfeuers spielten über die polierten Flächen eines großen Bettes und einiger anderen bronzebeschlagenen Möbelstücke.
:So trat er also in den zweiten kleineren und behaglicheren
Raum ein, an dessen Fenster ein mächtiger Schreibtisch stand.
Es war hier wohlig warm und rötliche Blitze eines Kaminfeuers
spielten über die polierten Flächen eines großen Bettes und
einiger anderen bronzebeschlagenen Möbelstücke.
 
:„Wir wollen uns zum Fenster setzen“, sagte Spinoza leise. „Ich hörte, daß Sie ein wenig kurzsichtig seien, Herr Leibniz.“ Dabei lächelte er wieder eigentümlich.
„Ich hörte, daß Sie ein wenig kurzsichtig seien, Herr Leibniz.“
Dabei lächelte er wieder eigentümlich.
 
:Was hieß das? Leibniz erschrak einen Augenblick. Woher wußte Spinoza über ihn solche nebensächliche Kleinigkeiten? Oder sollte das gar sinnbildhafter Spott sein, gemünzt auf Geistiges?
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:„Sie sind sehr streng, Herr Spinoza.“ Leibniz sagte es mit unverhohlener Kühle und Abweisung.
 
:„Wieder irren Sie.“ Spinozas Augen leuchteten hart auf. „Sie irren, denn ich bin nicht streng, sondern streng ist lediglich die Forderung, die jede echte und reine Weltweisheit an uns stellt. Ich habe mich nichteinmalnicht einmal dazu verstehen können, einen Lehrstuhl der Philosophie in Heidelberg anzunehmen, den mir vor einigen Jahren der Kurfürst von der Pfalz bei Zusicherung vollster Lehrfreiheit anbot. Es gibt nämlich auch eine Unfreiheit des Denkens, ohne daß geradezu Scheiterhaufen und Gefängnisse drohen. Eine höchst unjuristische Unfreiheit. Ich meine den Nebel der gesellschaftlichen Rücksicht, der sich bei halbwegs gutmütigen und verträglichen Menschen, die unter den Vielen leben, über das Gehirn legt. Um so schlimer, wenn sich noch Rücksicht mit höfıschemhöfischem Ehrgeiz und mit begründeter Angst vor Kerkern verschwistert. Was soll da entstehen als ein trauriges Gemenge von Beschönigungen und Verstellung? Das alles aber sage ich Ihnen nicht, weil ich gering, sondern weil ich sehr hoch von Ihnen denke, Herr Leibniz.“ Spinoza blickte zu Boden. Plötzlich überzog fleckige Röte seine Wangen und er wurde von einem harten, hohlen und unerbittlichen Husten geschüttelt.
 
:Ein furchtbares Gespenst schritt unter diesem Klang durch den kleinen Raum. Leibniz konnte es fast mit den Händen greifen. Frage und Antwort, besser, die volle Unlösbarkeit der aufgeworfenen Probleme lag in diesem kleinen und doch unendlich großen Ereignis. Er hatte schon gehört, nicht nur von Tschirnhaus, daß die Gesundheit Spinozas im höchsten Maß erschüttert war. Durch eben dieses stille, entsagungsvolle, unwahrscheinlich ärmliche Leben erschüttert, das der Weise ihm gerade jetzt in beinahe verletzender Unerbittlichkeit als Muster vorgehalten hatte, und an dem gemessen, seine eigene Tätigkeit eben nicht mehr schien als das Lavieren eines hochgebildeten Hofmannes. Gleichwohl lag da in den Abgründen Anderes und Endgültigeres: Unterschiede des Wesens, zu denen vielleicht auch ein Spinoza nicht vordrang, der sonst so felsenfest an den Zwang des Schicksals, an die Unfreiheit des Willens glaubte. Konnte er, Leibniz, nicht aus Motiven, die mit dem Glanzlicht flimmernder fürstlicher Spiegelsäle und mit dem Duft von Pasteten und erlesenen Weinen durchaus nur sehr locker verknüpft waren, eben diese Säle suchen? Mußte er sie nicht suchen, wenn er in das lebendige Leben seiner Nation eingreifen, wenn er seinen innersten Drang nach mehr als papierenen, Taten erfüllen wollte? Ränkespiel? War es nicht eher Mathematik zur höheren Ehre Gottes, zum Wohl des Volks, was der Bürger der „freien“ Niederlande so abgrundtiefverachteteabgrundtief verachtete? So sehr verachtete, daß er sich inmitten dieses üppig sinnenderben Volkes körperlich zermürbte? Daß er schließlich, schwach und siech, geschüttelt durch Fieberphantasien, von seiner inneren Freiheit gar keinen Gebrauch würde machen können? Aber wie sollte er jetzt dem Leidensgezeichneten antworten, der aufgestanden war und in eigentümlich müder Haltung auf und nieder ging, als wollte er einen Aufhocker abschütteln, der ihn niederpreßte?
 
:„Es sind das Fragen schwerster Verantwortung vor Gott und vor sich selbst“, sagte Leibniz leise. „Fragen, auf die eigentlich nur eine ferne Zukunft zureichende Antwort wird geben können. Ich meine die Fragen, die unsre ‚Freiheit‘ betreffen. Und die Selbstgestaltung unsres äußeren Lebens. Besonders für Menschen, die nicht den ganzen Kosmos aus sich selbst herausholen können, sondern die sich stets durch äußere Anlässe und Erfahrungen in die Bahn des Notwendigen treiben lassen. Ich muß, auch seelisch, durch manche Länder reisen, Herr Spinoza, um meine eigene Seele zu finden. Mir scheint die Deutung näher zu liegen als die Gesetzgebung. Und ich werde nur zum Gesetzgeber, wenn ich ein ordnungsbedürftiges Chaos erblicke.“