Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 215c»

Contenido eliminado Contenido añadido
Línea 12:
:---
:Nun liegt das stolze Gebäude der Hilbertschen Axiomatik hinter uns. Wir wissen vorläufig noch nicht, was mit solch einem System geleistet ist. Wenn wir aber Geometriker werden wollen, dann müssen wir die Axiome in Fleisch und Blut haben, müssen sie, womöglich mit der Nummer auswendig wissen, damit wir uns nicht dort mit „Beweisen“ mühen, wo die Bestätigung und Unanfechtbarmachung einer geometrischen Tatsache durch die klare Aussage eines Axioms, also einer nicht mehr beweisbaren Grundwahrheit gegeben ist. Wir sind es unseren Lesern schon lange schuldig, einige Worte über das „Beweisen“ zu sagen. Beweisen heißt bei uns nichts anderes, als eine geometrische Behauptung dadurch erhärten, daß man ohne logische Sprünge solange zurückschließt, bis man schließlich auf lauter Axiome stößt. In der Praxis wird man sich damit begnügen, die geometrischen „Sätze“, die ja aus den Axiomen abgeleitet sind, als Instanzen der Berechtigung unserer Behauptung anzurufen. Nehmen wir etwa an, wir hätten behauptet, daß der Außenwinkel eines Dreiecks gleich sein müsse den beiden Innenwinkeln, die nicht denselben Scheitel haben. Wir können den Beweis aus der 180grädigen Winkelsumme im Dreieck ableiten. Diese aber ist wieder aus dem Parallelenaxiom und aus den aus diesem Axiom folgenden Sätzen über Winkelkongruenzen an der Transversale zu führen. Diese Winkelkongruenzen beruhen aber wieder auf Axiomen, nämlich neuerlich auf dem Parallelenaxiom in euklidischer Fassung und auf den Kongruenzaxiomen.
:Dabei müssen Beweise streng und allgemein sein. Die Strenge verlangt, daß nichts vorausgesetzt" wird, was nicht schon bewiesen oder axiomatisch feststehend ist. Weiters darf kein Kreisschluß gemacht werden, indem man den Beweis aus den zu beweisenden Tatsachen führt. Schließlich verlangt die Allgemeinheit, daß man sich vor Einzel- oder Grenzfällen hütet. Insbesondere sind regelmäßige Figuren für Beweise sehr gefährlich, sofern die Beweise nicht eben nur die regelmäßigen Figuren selbst betreffen. Dann muß man sich auch noch hüten, eine einfache Bewahrheitung oder „Verifikation“ für einen Beweis zu halten. Wenn man etwa ein gewisses Streckenverhältnis behauptet, hierauf die Zeichnung macht und endlich aus einer Nachmessung mit dem Zentimeterstab ersieht, daß das Streckenverhältnis stimmt, ist die Behauptung nur „verifiziert“ und durchaus noch nicht bewiesen. Denn messen kann ich nur den Einzelfall und selbst Hunderte von Messungen, die alle das gleiche Ergebnis lieferten, hätten erst den Wert einer sogenannten „induzierten“, also einer nur vergleichsweise allgemeinen Wahrheit. Es könnten ja stets durch weitere Messungen Fälle hervorkommen, in denen unsere Messung nicht stimmt. Trotzdem ist die „Verifikation“ ein wissenschaftliches Hilfsmittel von nicht zu unterschätzendem Nutzen. Ihr Gegenteil, die „Falsifikation“, hat einen höheren Erkenntniswert. Habe ich nämlich einmal durch Messung festgestellt, daß eine Behauptung die ich genau konstruktiv festgelegt habe, durchaus nicht wahr ist, dann bin ich sofort zur Annahme berechtigt, daß mein Satz überhaupt nicht oder wenigstens nicht allgemein gilt. :Wir wollen aber nicht weiter Philosophie der Mathematik treiben, sondern wir werden im Verlaufe unserer gemeinsamen Arbeit selbst ein gutes Gefühl dafür bekommen, was ein Beweis ist und was nicht. Wobei wir weiters zunehmende Freude an „eleganter“ Beweisführung gewinnen werden. Wenn auch der berühmte Physiker und Mathematiker Boltzmann einmal gesagt hat, Eleganz sei bloß die Aufgabe der Schneider und Schuster, so wollen wir diesen geistreichen Ausspruch doch nicht allgemein gelten lassen. Denn ohne ästhetische oder Kunstfreude würde uns die Geometrie schließlich sehr langweilig werden. Und die größten aller Geometriker, die alten Griechen, legten auf Eleganz ein ungeheures Gewicht. Dies ging so weit, daß sie auch richtige Ableitungen sehr geringschätzig betrachteten, manchmal sogar verwarfen, wenn sie dem Ideal der Eleganz, das ist einer mit Originalität gepaarten Strenge und Einfachheit, nicht voll entsprachen. Und wir sind oft eher geneigt, einem Geometriker den Titel eines „Schusters“ beizulegen, wenn er einen Beweis mühsam zusammenflickt, womit aber dem ehrsamen Gewerbe der Schuster nicht nahegetreten werden soll, sondern ausschließlich den uneleganten Geometrikern.
:Zum Abschluß unserer Axiomatik noch wenige Worte über die Grundbedingungen, denen ein Axiomensystem zu genügen hat. Ein Axiomensystem muß vollständig sein, das haben wir in V.2. sogar axiomatisch festgelegt. Es muß aber auch widerspruchslos sein, was besagen will, daß die einzelnen Axiome einander weder ganz oder auch nur zum Teil widersprechen dürfen. Wenn dieser Forderung nicht "Genüge geleistet würde, könnte es in den Folgesätzen eintreten, daß man zugleich zwei Gegenteile behauptete und sich dabei auf zwei einander widersprechende Axiome beriefe, was natürlich widersinnig wäre und unsere ganze Geometrie zerstören könnte. Die Axiome sollen aber schließlich drittens auch voneinander unabhängig sein. Es zeigt sich bei Hilberts Axiomensystem in der Tat, daß keine wesentlichen Bestandteile einer Axiomengruppe durch logische Schlüsse aus den jeweils voranstehenden Axiomengruppen abgeleitet werden können. Damit ist das Prinzip der Unabhängigkeit erfüllt. Insbesondere gilt dies für das Axiom IV., das Parallelenaxiom. Wir werden später sehen, daß man unter geeigneten Festsetzungen sämtliche Axiome außer dem Parallelenaxiom auf der Kugelfläche verwenden kann. Diese sogenannte „nichteuklidische Geometrie" (es ist dies, nebenbei bemerkt, nur ein Spezialfall) benutzt also alle Axiome mit Ausnahme des von allen anderen Axiomen unabhängigen Parallelenaxioms. Wenn aber, und das wollten wir sagen, unser Axiom IV nicht vollkommen unabhängig von den anderen Axiomen wäre, dann könnte es eine derartige Geometrie auf der Kugel überhaupt nicht geben, und es müßten sich bei Verwendung der Verknüpfungs- und der Kongruenzaxiome bei jeder Gelegenheit allerlei Unstimmigkeiten und Widersprüche herausstellen. Da dies aber nicht der Fall ist und da weiter durch geeignete Beweise die Existenz der gewöhnlichen oder Cartesischen Geometrie erhärtet werden kann, folgt nun auch jetzt die Möglichkeit nichteuklidischer Geometrien. Deren Axiomensystem kennt allerdings das euklidische Parallelenpostulat nicht, sondern müßte dafür in unserem Fall der festen Kugel etwa das Axiom setzen: „Zwei Gerade (Größtkreise), die zueinander parallel sind, müssen einander stets in zwei Punkten, den sogenannten Gegenpunkten, schneiden.“ Doch das werden wir alles später noch genau durchforschen.
:Wir haben uns jetzt gleichsam durch einen sehr trockenen und reizlosen Sandstreifen durcharbeiten müssen. Man hat uns zwar gesagt, daß jenseits dieses Sandstreifens blühende Gegenden lägen. Manchmal, für kurze Augenblicke, haben wir auch am Horizont riesige Gipfelketten gesehen. War das alles aber nicht doch nur eine Fata Morgana?