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AB1
:[[File:Arthur-Trebitsch-Handschrift.tif|thumb|300 px|moderne (unleserliche) Handschrift]]
:[[File:Dusch2.jpg|thumb|300 px|Sütterlin]]
:Die folgenden Lektionen beschäftigen sich mit der alten deutschen Schrift - der Sütterlinschrift.
:Darauf aufbauend werden wir danach versuchen Feldpostbriefe eines deutschen Soldaten zu entziffern, die er seiner Mutter geschrieben hat. Es handelt sich um gut 200 Briefe, die Heinz Koch (* 1922 in Wien, † 1945 in Bad Blankenburg) zwischen 1941 und 1945 an seine Eltern in Wien von der Ostfront geschrieben hat. Parallel zu diesen Briefen werden wir uns mit der Geschichte des 2. Weltkrieges etwas eingehender beschäftigen.
:Vorher jedoch müssen Sie beim Lesen deutscher Handschriften und der Fraktur - die gedruckte alten deutsche Schrift - sattelfest werden. Dazu werden wir ältere Texte und Gedichte in Fraktur und in Handschrift lesen.
:Das Entziffern von unleserlichen Handschriften erfordert gute Sprachkenntnisse, da sehr oft erraten werden muss was die gekritzelten Worte bedeuten. <br style="clear:both;" />
 
 
AB2
:[[File:Sütterlin-Ausgangsschrift.jpg|thumb|Sütterlinschrift, deutsches Alphabet]]
:[[File:Sütterlin , lateinisches Alphabet.jpg|thumb|Sütterlinschrift, lateinisches Alphabet]]
:Die Sütterlinschriften, meist einfach Sütterlin genannt, sind zwei im Jahr 1911 im Auftrag des preußischen Kultur- und Schulministeriums von Ludwig Sütterlin entwickelte Ausgangsschriften für das Erlernen von Schreibschrift in der Schule.
 
:Neben der deutschen Sütterlinschrift, die eine spezielle Form der deutschen Kurrentschrift darstellt, entwickelte Ludwig Sütterlin auch eine stilistisch vergleichbare lateinische Schreibschrift.
 
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:Geschichte:
 
:Es war im 19. Jahrhundert in England Mode geworden, mit der neu entwickelten stählernen Spitzfeder zu schreiben. Die sehr schräge englische Schreibschrift mit ihren großen Unter- und Oberlängen und ihrem veränderlichen Strich (Schwellzug) ist zwar dekorativ, aber technisch schwer zu schreiben. In Deutschland schrieb man damals ähnliche Schriften mit deutschen Buchstabenformen.
 
:Um den Kindern das Schreibenlernen zu erleichtern, vereinfachte Sütterlin die Buchstabenformen, verringerte die Ober- und Unterlängen (Lineatur im Verhältnis 1:1:1), stellte die relativ breiten Buchstaben aufrecht und ließ sie im Gleichzug mit einer Kugelspitzfeder schreiben. In allen diesen Merkmalen ist sie den heute verbreiteten Antiqua-basierten Schulschriften ähnlich.
 
:Die deutsche Sütterlinschrift wurde ab 1915 in Preußen eingeführt. Sie begann in den 1920er Jahren die bis dahin übliche Form der deutschen Kurrentschrift abzulösen und wurde 1935 in einer abgewandelten Form (leichte Schräglage, weniger Rundformen) als Deutsche Volksschrift Teil des offiziellen Lehrplans. In der Folge des Normalschrifterlasses wurde allerdings auch sie mit einem Rundschreiben vom 1. September 1941 verboten, nachdem bereits mit Rundschreiben von Martin Bormann (Kanzleichef der NSDAP) vom 3. Januar 1941 die Verwendung gebrochener Druckschriften (Frakturtypen) untersagt worden war. Als Ausgangsschrift wurde nach dem Verbot der deutschen Schrift ab 1942 in den Schulen die lateinische Schrift in einer Variante, die Deutsche Normalschrift genannt wurde (Proportionen 2:3:2, Schrägstellung, Ovalformen), eingeführt. An west- und ostdeutschen Schulen wurde nach 1945 außer der lateinischen Ausgangsschrift die deutsche Schreibschrift teilweise bis in die 1980er Jahre zusätzlich gelehrt.
 
:In Deutschland gibt es verschiedene Initiativen und Vereine, die beim Entziffern von Texten in Sütterlin- und anderen alten Schriften helfen. Ein Beispiel ist die „Sütterlin-Schreibstube“ in Konstanz oder die Sütterlinstube Hamburg.
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:Variante (deutsches Alphabet):
:Die folgende Variante der Sütterlinschrift (deutsches Alphabet) verwendet einen von R. G. Arens erstellten Computerzeichensatz. Die Buchstaben weisen deutliche Abweichungen zu Sütterlins ursprünglicher Ausgangsschrift auf, etwa reduzierte Oberlängen und natürlichere Formen, was zu einem weniger geometrischen Aussehen führt.
:[[File:Sütterlin letter A.png]][[File:Sütterlin letter B.png]][[File:Sütterlin letter C.png]][[File:Sütterlin letter D.png]][[File:Sütterlin letter E.png]][[File:Sütterlin letter F.png]][[File:Sütterlin letter G.png]][[File:Sütterlin letter H.png]][[File:Sütterlin letter I.png]][[File:Sütterlin letter J.png]][[File:Sütterlin letter K.png]][[File:Sütterlin letter L.png]][[File:Sütterlin letter M.png]][[File:Sütterlin letter N.png]][[File:Sütterlin letter O.png]][[File:Sütterlin letter P.png]][[File:Sütterlin letter Q.png]][[File:Sütterlin letter R.png]][[File:Sütterlin letter S.png]][[File:Sütterlin letter Eszett.png]][[File:Sütterlin letter T.png]][[File:Sütterlin letter U.png]][[File:Sütterlin letter V.png]][[File:Sütterlin letter W.png]][[File:Sütterlin letter X.png]][[File:Sütterlin letter Y.png]][[File:Sütterlin letter Z.png]][[File:Sütterlin letter A-umlaut.png]][[File:Sütterlin letter O-umlaut.png]][[File:Sütterlin letter U-umlaut.png]][[File:Sütterlin numerals.png]]
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:Schriftbeispiele
<gallery widths="150" heights="150">
File:Schulheft 1929 Berlin SlgKiJu.jpg|Schulheft mit Schreibübungen in Sütterlinschrift von 1929
File:Sütterlinschrift.jpg|Außenwerbung in Sütterlinschrift ''(„Drogerie Lütjens“)''
Sütterlin, Schriftprobe (deutsche Kurrent).png|Deutsche Ausgangsschrift, geschrieben mit Kugelspitzfeder
Sütterlin, Beispiele für Verbindungen (deutsche Kurrent).png|Deutsche Ausgangsschrift, Buchstabenverbindungen
Sütterlin, Schriftprobe (lateinisch).png|Lateinische Ausgangsschrift, geschrieben mit Kugelspitzfeder
Sütterlin, Beispiele für Verbindungen (lateinisch).png|Lateinische Ausgangsschrift, Buchstabenverbindungen
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AB3
:[[File:Karl Ludwig Sütterlin (Gebrauchsgrafiker).png|thumb|Karl Ludwig Sütterlin]]
:Ludwig Sütterlin
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:Ludwig Sütterlin (* 15. Juli 1865 in Lahr im Schwarzwald; † 20. November 1917 in Berlin) war Grafiker, Buchgestalter, Kunstgewerbler, Schriftgestalter und Pädagoge und der Entwickler der Sütterlinschrift.
 
:Sütterlin zog mit 23 Jahren von seiner Heimatstadt Lahr im Schwarzwald nach Berlin. Am Berliner Kunstgewerbemuseum war er ein Schüler des Grafikers Emil Döpler, der den damals neuen deutschen Reichsadler entworfen hatte, und des Historienmalers Max Friedrich Koch. Sütterlin schuf viel beachtete Entwürfe für Plakate (u.&nbsp;a. das „Hammerplakat“ der Berliner Gewerbeausstellung 1896), Gläser („Sütterlin-Vasen“) und Lederarbeiten. 1902 gestaltete er die Prachtbände Marksteine aus der Weltliteratur in Originalschriften, was ihm zusätzliche Aufmerksamkeit eintrug. Er lehrte an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums zu Berlin, den späteren Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, an denen er auch Lehrgänge in künstlerischer Schrift abhielt, außerdem gab er Fachunterricht für Buchdrucker an der Handwerksschule in Berlin. Er starb 1917 möglicherweise an Unterernährung.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für die Arbeiten von Ludwig Sütterlin ">
AEG. Markenzeichen 1894.jpg| Das erste Markenzeichen für die AEG, 1894
Plakat Suetterlin96.jpg|Das sogenannte Hammer-Plakat, 1896
Siemens & Halske. Aktie 1897.jpg|Die Gründungsaktie von Siemens & Halske, 1897
Sütterlingläser.png|Glasgestaltung für die Glashütte Fritz Heckert, 1900–1910
17_Marksteine.tif|Titelblattgestaltung im Auftrag von Johannes Baensch-Drugulin, 1902
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AB4
:[[File:De rerum natura Niccoli.jpg|250 px|thumb|Humanistische Kursive von Niccolo Niccoli]]
:[[File:Poggio handwriting.jpg|250 px|thumb|Humanistische Minuskel von Poggio Bracciolini]]
:Humanistische Kursive
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:Die humanistische Kursive (von lateinisch currere „laufen, rennen“) ist die Urform der lateinischen Schreibschriften. Sie wurde in im Renaissance-Humanismus in Italien entwickelt.
 
:Durch den Einfluss der raschen Bewegungsausführung auf die Form der Schrift stellte sie das dynamisch betonte Pendant zur humanistischen Minuskel, der mehr statisch aufgebauten Buchschrift von Poggio Bracciolini (1380–1459), dar. Mit ihrer Erfindung wurden zugleich Voraussetzungen für die Entwicklung der kursiven Drucktype geschaffen.
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:Entstehung der humanistischen Kursive:
:Die humanistische Kursive hatte keine Vorbilder. Sie erhielt ihre Wesensart als humanistica corsiva durch die Verschmelzung von Elementen der italienischen Form der gotischen Kursive mit denen der neokarolingischen Minuskel.
 
:Ihr Ursprung ist, wie auch der Ursprung der humanistischen Minuskel, eine Folge der Bemühungen Francesco Petrarcas (1304–1374) und Coluccio Salutatis (1330–1406) um eine klare, schlichte und gut lesbare Schrift als Gegenentwurf zu den gotischen (=„barbarischen“) Formen. Die Entwicklung der humanistischen Kursive ist eng mit dem Namen des Italieners Niccolò de’ Niccoli (1364–1437) in Florenz verbunden. Bei der Ausprägung ihrer charakteristischen Merkmale hat er im Umfeld der Frühhumanisten Coluccio Salutati, Poggio Bracciolini, Pomponio Leto, Leonardo Bruni, Flavio Biondo und anderen eine maßgebliche Rolle gespielt. Auch Niccoli war leidenschaftlicher Sammler antiker Manuskripte, die er kopierte und bearbeitete. Er stand in dem Ruf, ein hervorragender Schreiber zu sein, und bildete selbst Schreiber aus. Seine zügige Handschrift bildete sich Anfang des 15. Jh. immer mehr zu einer Konzept- bzw. „Schnellschrift“ aus. Dieser Prozess wurde unterstützt durch den neuen Beschreibstoff Papier. Das früheste aufgefundene Schriftbeispiel aus Niccolis Hand stammt aus dem Jahre 1423.
 
:[[File:Humanist and Italic a.png|300 px|thumb|Zu den Innovationen von Niccolis Kursive zählt die Änderung des Buchstabens a von der humanistischen Minuskel in eine gerundete Form.]]
:Niccolò de’ Niccolis vielleicht signifikanteste Änderung eines einzelnen Buchstabens war die des Kleinbuchstabens a in die „einstöckige“ Form ɑ, die sich so bis heute in den meisten lateinischen Schreibschriften findet.
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:Charakter der humanistischen Kursive:
:Im Gegensatz zur statisch betonten humanistischen Minuskel, die aus einzelnen Elementen zusammengebaut ist, zeichnet sich die Kursive durch die fortlaufende bzw. wenig unterbrochene Linienführung aus. Dieser Fluss wird durch die Verbindungen/Ligaturen, durch das Abschleifen der Form sowie durch eine mehr oder weniger ausgeprägte Schräglage der Grundstriche unterstützt.
 
:Da diese neue Schriftform im Detail nicht festgelegt (kanonisiert) war, entstanden vielfältige Varianten. So waren Mischformen/Hybride, bei denen einmal die gotischen Elemente, ein andermal die neokarolingischen Merkmale bzw. solche der humanistischen Minuskel dominierten, keine Ausnahme. Das breitgefächerte Spektrum von humanistischen Kursiven reichte von flüchtig geschriebenen Handschriften mit kurrenten Zügen (humanistica currens) bis hin zu formbetonteren Schriften, die mit etwas breiter zugeschnittenem Federkiel geschrieben waren und durch den Fett-Fein-Kontrast der Linien ästhetisch besonders reizvoll wirken. Zur Hervorhebung (Auszeichnung) von Überschriften, Kapitel- oder Satzanfängen wurden wie bei der humanistischen Minuskel die Formen der Capitalis von den römischen Inschriften verwendet. Zunächst meist unauffällig, klein und senkrecht stehend, nahmen diese Majuskel im Text in zunehmendem Maße die Schräglage der Kleinbuchstaben an, wurden teilweise dem jeweiligen Duktus des Schreibers angepasst und erst später Gegenstand kalligrafischer Ausdruckssteigerungen.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für das breite Spektrum der humanistischen Kursive ">
Humanistische Kursive von Leonardo Bruni.png | Leonardo Bruni, Italien 1440
Humanistische Kursive von J.C.v. Imola, 1467.png| J. C. von Imola, Italien 1467
P. Leto und B. Sanvito.png|Pomponio Leto, Rom 1470
Humanistische Kursive von Laurentius Cynthius.png | L. Cynthius, Italien 1475–1499
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:Ausprägung und Verbreitung des Stils der lateinischen Form der Kursive:
:Einen wesentlichen Beitrag zur stilistischen Vervollkommnung der Kursive leisteten zunächst die florentinischen Kanzleien. Seit dem 15. Jh. entwickelte sich unter dem Einfluss humanistisch gebildeter Sekretäre eine neue Form der Kanzleischrift, die Cancellaresca italica. Diese entsprach in ihrer Grundstruktur dem Charakter der humanistischen Kursive und stellte eine Abkehr von der gotischen Kanzleischrift dar. Als Cancellaresca corsiva und Cancellaresca formata hatte sie sich in den päpstlichen Kanzleien für die Gestaltung der Breven (littera da brevi) als gut lesbare, einfach und schnell zu schreibende Schrift herauskristallisiert, die zugleich gehobenen ästhetischen Ansprüchen gerecht wurde. Die lateinische Form der Kanzleischrift zeichnete sich gegenüber den teils informellen, individuell geprägten humanistischen Handschriften (humanistica currens) durch einen formal gestrafften, schmallaufenden Duktus aus. Die elegante Wirkung der Cancellaresca italica wurde durch den ausdrucksvollen Kontrast in der Liniengestaltung, dem Wechselzug, unterstützt.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für die stilistische Vervollkommnung der Kursive">
Passierschein für Leonardo da Vinci.PNG| Passierschein für Leonardo da Vinci 1502
Cancellaresca, Mantua 1542.png| Urkunde, Mantua 1542
Cancellaresca, handgeschriebene Buchseite. Italien vor 1546.png | Buchseite, Italien vor 1546
File:Stundenbuch des Farnese 1546.png| Stundenbuch des Farnese, Rom 1546
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:Die Konsolidierung des kursiven Stils der lateinischen Schrift:
:Unter den vielfältigen Erscheinungsformen der Cancellaresca, deren Bezeichnungen dementsprechend unterschiedlich ausfielen, war die Cancellaresca formata durch eine weniger schräge Grundstrichstellung charakterisiert. Aus dieser Variante entwickelte der Stempelschneider Francesco Griffo da Bologna im Auftrag des venezianischen Verlegers und Druckers Aldus Manutius um 1501 die erste kursive Drucktype aus Blei. Der Druck mit diesen schmallaufenden und damit platzsparenden Typen leitete mit den sogenannten Aldinen die Entwicklung der Taschenbücher ein. Ludovico degli Arrighi, genannt Vincentino, der auf eine lange Karriere als Kalligraf in der päpstlichen Kanzlei vor allem als scrittore da brevi apostolici (päpstlicher Brevenschreiber) zurückblicken konnte, schuf die jüngere Version der Kursive. Seine gestalterischen Intentionen waren dabei weniger auf den ökonomischen Faktor der Papierersparnis, sondern mehr auf die ästhetische Qualität der Schrift gerichtet.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption= "Zusammenhang von Brevenschrift und kursiver Drucktype">
Book printed by Aldus Manutius-Horace.jpg|Erste kursive Drucktype von Francesco Griffo 1501
Breve Papst Leo X. Gutenberg-Museum-Mainz.png|Cancellaresca im Breve geschrieben von Ludovico degli Arrighi 1513
Ludovico degli Arrighi TYPESPECIMEN.jpg|Arrighi´s kursive Drucktype 1529
LITTERA DA BREVI.png | Arrighi´s ''Littera da brevi'' 1523
</gallery>
 
:Kursive Drucktypen existierten über einen langen Zeitraum als eigenständige Textschriften von Büchern. In der Literatur zur Schriftgeschichte wird das 16. Jahrhundert auch als "Age of Italics" bezeichnet, weil viele Bücher, besonders in Italien, in kursiv gedruckt wurden. Erst nach und nach löste die Antiqua die kursiven Drucktypen als Brotschrift ab und kursive Drucktypen wurden nur noch zur Auszeichnung beispielsweise bei Titeln und Kapitelanfängen eingesetzt. 1702 stellte Phillippe Grandjean de Fouchy in Frankreich mit der Romain du Roi den ersten richtigen Typenverbund zwischen den zwei verschiedenen Schriften Antiqua und Kursive (Roman und Italic) her. Damit war die Weiterentwicklung der gedruckten Kursive als „Schwesterschrift“ der Antiqua auf den Weg gebracht. Danach diente die kursive Type in der Regel nur noch als Ergänzungs- bzw. Auszeichnungsschrift. Heute gehört sie als Schrift„schnitt“ zu einer Schriftfamilie.
 
:Das Erlernen der Cancellaresca italica und ihre Verbreitung wurde vor allem durch die Schreibmeisterbücher gefördert. 1522 hatte Ludovico degli Arrighi als erster dieser Schriftform ein Lehrbuch (La Operina) gewidmet. Danach erschienen in Italien weitere Anleitungen, von denen besonders die der Schreibmeister Tagliente 1524 und 1446, Verini 1536, Palatino 1540, Cataneo 1545, Amphiareo 1554 und Cresci 1569 über ihre Zeit hinaus Bedeutung erlangten.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für die Cancellaresca in italienischen Schreibmeisterbüchern">
Cancellaresca von Giovanni Antonio Tagliente, 1524.jpg| Giovanni Antonio Tagliente, Venedig 1524
Cancellaresca von Giovanni Battista Palatino, 1540.png| Giovanni Battista Palatino, Rom 1540
Cancellaresca von Bernardino Cataneo, 1545.png| Bernardino Cataneo, Siena 1545
Cancellaresca von Vespasiano Amphiareo, 1554.png| Vespasiano Amphiareo, Venedig 1554
</gallery>
 
:Die erste Cancellaresca nördlich der Alpen wurde 1540 von dem Universalgelehrten Gerard Mercator in den Niederlanden propagiert. Für die Beschriftung seiner Landkarten und Globen favorisierte er anstelle der gotischen Schrift die Cancellaresca italica, die danach 200 Jahre lang den Kartenstil geprägt hat. 1548 begründete Juan Yciar in Saragossa mit seinem Schreibmeisterbuch die Kalligraphie in Spanien. Darüber hinaus leistete Francisco Lucas, Madrid 1577, einen herausragenden Beitrag zur Vervollkommnung des Stils der Italic.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für die Cancellaresca in Schreibmeisterbüchern außerhalb Italiens">
Cancellaresca von Gerard Mercator, 1540.PNG|Gerhard Mercator, Louvain 1540
1589 1594 giesenkirchen.jpg|Kartenschrift von Gerhard Mercator
Cancellaresca von Juan de Yciar 1550.png|Juan de Yciar, Saragossa 1550
Cancellaresca von Francisco Lucas, 1570.png| Francisco Lucas, Madrid 1570
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:Die geschriebene Kursive in der Nachrenaissancezeit
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:Die Entwicklung der lateinischen Kanzleischriften war bis in die Mitte des 16. Jh. vorwiegend vom Gebrauch der Breitfeder sowie durch den Holzschnitt bestimmt, mit dem die Vervielfältigung der Vorlagen in den Schreibmeisterbüchern erfolgte. Diese technischen Bedingungen unterstützten die Entwicklung einer „gesunden renaissancehaften Kernigkeit des Duktus“. Nach und nach wurde die Schlichtheit und Strenge der Form durch Neuerungen in der Schreibtechnik aufgegeben. Ein schmalerer Federnzuschnitt führte zu dünneren Grundstrichen. Damit wurde der ausdrucksvolle Fett-Fein-Kontrast zugunsten der Magerkeit der Schriftzeichnung aufgegeben. Darüber hinaus führte das tiefere Einschneiden der weichen Schreibfeder zu deren größerer Elastizität. Bereits bei geringem Druck entstand ein Schwellzug. Tropfenförmige Verdickungen an den stark gebogenen Oberlängen und weitausholende dekorative Schwünge am Beginn und am Ende insbesondere der Großbuchstaben konnten durch die Einführung und Verbreitung des Kupferstichs nicht nur besser vervielfältigt werden, sondern die technischen Möglichkeiten des Stichels selbst regten zu artistischen Gestaltungen an, die dann mit der Feder nachgeahmt wurden. Solche Veränderungen kamen den Stilauffassungen des 17. Jh. entgegen und begünstigten die grundlegende Wandlung der lateinischen Kanzleischrift im Geiste des Barock. Die Führung in der Weiterentwicklung der Kursive als Schreibschrift ging nach der Mitte des 17. Jh. in die Hände französischer, spanischer und niederländischer Kalligrafen über. Dabei nahmen die virtuosen Schwünge, die sich nicht selten zu opulenten Federspielen verselbständigten, immer mehr zu.
 
<gallery widths="139" heights="140" perrow="4" caption="Beispiele für die Veränderung des kursiven Schreibstils">
Kursive, Italien ca. 1600.png|Kursive, Italien ca. 1600
Calligrafie, Jan Van De Velde (1605).jpg| Jan van de Velde (I), Amsterdam 1605
Lucas Materot.png |Lucas Materot, Avignon 1608
Louis Barbedor, Paris 1647.jpg|Louis Barbedor, Paris 1647
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:Weiterentwicklung in Frankreich und England zur lateinischen Schreibschrift
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:Nach der Zerstörung der Apostolischen Kammer beim Sacco di Roma 1527 zogen viele Schreiber von Rom nach Südfrankreich, wo sie die Schrift weiterentwickelten und ihr fließendere, geschwungenere Formen gaben. Um 1600 wurde daraus die Circumflessa, welche im frühen 17. Jahrhundert zur französischen Ronde weiterentwickelt wurde. Die Ronde wurde dann im 17. und 18. Jahrhundert in England zur Round hand weiterentwickelt. Diese wurde die Basis der englischen Copperplate und der daraus folgenden englischen longhand (Schreibschrift). Diese englische Schreibschrift (in Frankreich Anglaise genannt) fand im 18. und 19. Jahrhundert Ausbreitung über ganz Europa und auch nach Amerika. Sie wird im deutschen Sprachraum als lateinische Schreibschrift bezeichnet, um sie von der deutschen Kurrentschrift zu unterscheiden, welche eine ganz andere Entwicklung genommen hatte.
:{| class="wikitable" style="margin: 1em auto 1em auto; margin-left: 10px"
|-align="center"
| [[File:EcritureRonde-Encyclopedie.jpg|thumb|300 px|Schriftbeispiel der ''Ronde'' des Kalligraphen Charles Paillasson aus Diderots ''Encyclopédie'' (1751–1780)]] || [[File:Bickham-letter.png|thumb|300 px|Die ''Round Hand'' von George Bickham, aus ''The Universal Penman'', New York ca. 1740–1741]]
|}
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:Moderne Weiterentwicklungen
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:Die ursprüngliche humanistische Kursive mit ihrem im Vergleich zur lateinischen Schreibschrift deutlich klareren und leichter lesbaren Schriftbild lebt bis heute nicht nur in der Kalligrafie und in kursiven Drucktypen fort, sondern auch in der Handschrift. Sie bildete den Ausgangspunkt für im 20. Jahrhundert entwickelte Kursivschriften, darunter die Schulausgangsschrift Gleichstrich-Kursiv in der DDR und ihre im Kunstunterricht mit Wechselzug gelehrte Variante Schulschrift-Kursiv. In den letzten Jahrzehnten wurde die im englischsprachigen Raum als Italic script bezeichnete Schrift als leichter zu erlernende Form der Schreibschrift wiederbelebt, insbesondere in den USA. Ein Beispiel hierfür ist die 1976 entwickelte Schrift Getty-Dubay, die seither viele amerikanische Schulkinder verwenden.
 
:{| class="wikitable" style="margin: 1em auto 1em auto; margin-left: 10px"
|-align="center"
| [[File:Schriftproben der Schulausgangsschrift und ihren Varianten.png|thumb|300 px|Die Gleichstrich-Kursiv (Mitte) und Schulschrift-Kursiv (unten)]] || [[File:Alphabet der Schulschrift-Kursiv.jpg|thumb|300 px|Alphabet der Schulschrift-Kursiv]]
|}
 
 
AB5
:[[File:Schulausgangsschrift 1968.png|350 px|thumb]]
:Schulausgangsschrift
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:Die Schulausgangsschrift (seit 1991 „SAS“) ist eine verbundene Schreibschrift. Sie wurde 1968 vom Ministerium für Volksbildung der DDR im Rahmen eines neuen Lehrplanwerks als Erstschrift für alle Schulanfänger der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule verbindlich eingeführt.
 
:Die vereinfachte Vorlage für das Schreibenlernen löste die Ausgangsschrift der DDR von 1958 ab. Anlass für die Veränderung waren sowohl didaktische Erfordernisse als auch ästhetische Gründe. Seit 1961 hatten Elisabeth Kaestner und Renate Tost mit der Entwicklung und Erprobung verschiedener Alphabetvarianten in Schulversuchen entsprechende Voraussetzungen für diese Maßnahme geschaffen.
 
:In den Ländern Berlin, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland ist die SAS die verbindliche Erstschreibschrift. In Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kann zwischen der SAS und der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) gewählt werden.
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:[[File:Ausgangsschrift der DDR 1958.png|300 px|thumb|Schreibschrift-Vorlage der DDR von 1958]]
:Vorgeschichte
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:Den Anstoß für Veränderungen der Ausgangsschrift gab Albert Kapr (Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig). Er hatte 1957 Bekanntschaft mit Vertretern der Society for Italic Handwriting gemacht. Unter seinem Einfluss entwickelte Renate Tost 1960 zunächst ein altersunabhängiges Schönschreibheft. Zugleich bewertete sie die Schreibschrift-Vorlage von 1958 kritisch und intervenierte mit Unterstützung von Albert Kapr beim Ministerium für Volksbildung mit dem Ziel, eine Vereinfachung der Schreibvorlage herbeizuführen.
 
:Zeitgleich zu den Bemühungen der Hochschule für Grafik und Buchkunst untersuchte die in der DDR führende Schreibdidaktikerin, Elisabeth Kaestner, tätig am Institut für Lehrerbildung „Edwin Hoernle“ in Radebeul (Ausbildungsstätte für Lehrer der Klassen 1 bis 4), die Geläufigkeitsentwicklung beim Schreibenlernen. Beide Projekte wurden ab 1961 durch Forschungsaufträge zusammengeführt. Die Zusammenarbeit von Pädagogin und Schriftgrafikerin war von einer engen fachlichen und fachdidaktischen Durchdringung des Gegenstandes geprägt. Mehrere Alphabetvarianten wurden entwickelt und erprobt.
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:[[File:Beispiel für verschnörkelte Großbuchstaben 1958.png|thumb|300 px|1958: verschnörkelte Großbuchstaben]]
:[[File:Vereinfachung der Großbuchstaben.png|thumb|300 px|1968: vereinfachte Großbuchstaben]]
:Entwicklung der Schulausgangsschrift 1968
:Großbuchstaben
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:Die Großbuchstaben (Majuskel) in der alten Schreibschrift-Vorlage (Ausgangsschrift der DDR seit 1958 verbindlich) waren mit Schwüngen und Schleifen (Relikte der englischen Schreibschrift aus dem 18./19. Jahrhundert) versehen. Sie erschwerten nicht nur die motorische Aneignung der Figuren, sondern behinderten eine annähernd formgerechte Automatisierung der Schreibbewegungen im fortschreitenden Lernprozess. Darüber hinaus schränkten sie durch ihre detaillierten Formen die Möglichkeiten für eine ästhetisch akzeptable Individualisierung ein.
 
:In der Schulausgangsschrift 1968 wurden die Großbuchstaben im Wesentlichen auf ihre unterscheidenden Merkmale reduziert. In einigen Fällen wurden Zugeständnisse an eine einzügige Bewegungsausführung gemacht.
 
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:[[File:Ableitung der Schreibschriftelemente.png|thumb|300 px|1958: breite Bogen&nbsp;(a) und lange Deckstriche&nbsp;(b)]]
:[[File:Dynamisierung der Bewegungsausführung.png|thumb|300 px|1968: dynamische Gestaltung der Kleinbuchstaben]]
:Kleinbuchstaben
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:Die Kleinbuchstaben (Minuskel) der alten Schriftvorlage waren in ihrer Grundstruktur darauf abgestimmt, dass die Kinder zunächst „drucken“ sollten, d. h. die Buchstaben der Fibelschrift (in der DDR die Gill Sans) nachmalten. Diese Elemente wurden in die Vorlage für die nachfolgende Schreibschrift übernommen.
 
:Die statisch aufgebauten Minuskeln der alten Schriftvorlage hatten breite Bogen und lange Deckstriche. Damit wurden Bewegungsmuster eingeübt, die der Entwicklung einer rhythmischen und damit ergonomischen Schreibbewegung entgegenstanden. Das führte im Verlauf der Automatisierung und Individualisierung der Bewegungen häufig zu Verformungen, die sich in ihrem infantilen Charakter teilweise bis in Erwachsenenschriften erhielten.
 
:Die Anlage der Schulversuche war von Anfang an darauf ausgerichtet, beim Schreibenlernen sofort mit der verbundenen Schreibschrift beginnen zu können.
 
:In der Schulausgangsschrift 1968 wurden die Kleinbuchstaben dynamischer gestaltet. Die Bewegungsumkehr in den Bogen (a) wurde verjüngt, die Deckstriche (b) verkürzt. Dadurch konnte dem Auf-ab-auf-Rhythmus in der flüssigen Bewegungsausführung besser Rechnung getragen werden.
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:[[File:Buchstabenverbindungen bzw. anschlüsse.png|300 px|thumb|Buchstabenverbindungen bzw. -anschlüsse zwischen den Buchstaben]]
:Buchstabenverbindungen
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:Die Verbindungsmöglichkeiten von Buchstaben (Außenligatur) wurden nicht verändert, sondern lediglich gestrafft. Das betraf insbesondere den Formenabschluss bei den Figuren b, o, v, w und x. Bei den vereinfachten Großbuchstaben A, F und H, wurde die Verbindung von der Mittelhöhe aus vollzogen.
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:Begleitende didaktische Hilfen:
:Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Schulausgangsschrift wurde ein differenziertes und umfassendes Konzept der Vermittlung der verbundenen Schreibschrift ohne den Umweg über das sogenannte Drucken erarbeitet. Erstmals wurde ein systematischer Schreiblehrgang für Schüler mit drei Übungsheften für die Klassen 1 bis 2, Unterrichtshilfen für die Lehrer und eine Handreichung entwickelt.
 
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:[[File:Schriftproben der Schulausgangsschrift und ihren Varianten.png|300 px|thumb|hochkant|Schulausgangsschrift und ihre Varianten: Gleichstrich-Kursiv und Antiqua-Kursiv (Schulschrift-Kursiv)]]
:Varianten der Schulausgangsschrift
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:Nach der Umsetzung der wesentlichsten Veränderungen in der Schreibvorlage von 1968 engagierten sich die Autorinnen für eine systematisch und kontinuierlich angelegte Schreiberziehung in der Schule. 1969 wurde die Gleichstrich-Kursiv, eine Form der Weiterentwicklung der Schulausgangsschrift, als „Beschriftungsform“ in den Lehrplan Schreibunterricht Klasse 2 aufgenommen.
 
:Die Weiterführung der Schulausgangsschrift zur Antiqua-Kursiv als Schulschrift-Kursiv im Kunstunterricht Klasse 4 und 5 erfolgte 1972/73. Da die Kursiv-Schrift in dem Fach Kunsterziehung keine Tradition hatte und die materialtechnischen Bedingungen (ungünstige Federhalter, Breitfedern und Tusche) einem Übungserfolg von vornherein im Wege standen, wurde sie 1987 aus dem Lehrplan entfernt.
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:Die Schulausgangsschrift nach 1989
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:Nach der Wiedervereinigung stand die Schulausgangsschrift, nun als SAS, neben den beiden Schreibschriften der alten Bundesländer, der LA (Lateinische Ausgangsschrift) und der VA (Vereinfachte Ausgangsschrift) für den Schreibunterricht in den deutschen Schulen zur Disposition. 1996 befand der Arbeitskreis Grundschule in seinen Empfehlungen zur Neugestaltung der Primarstufe „Die Zukunft beginnt in der Grundschule“ über die SAS: „Sie steht in der Tradition der europäischen Schriftkultur (,Humanistische Kursive‘) und genießt – im Gegensatz zur Vereinfachten Ausgangsschrift – auch die Anerkennung der Internationalen Typografischen Vereinigung.“ 2014 wurde die Schulausgangsschrift in Bayern zugelassen.
 
== AB6 - AB10 ==
 
 
AB6
:[[File:Токий предмет (ручка), зажатая в трех пальцах, позволяет выводить тонкие рисунки.JPG|thumb|Schreiben mit einem Kugelschreiber]]
:Manuelles Schreiben
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:Manuelles Schreiben, fachsprachlich auch Chirografie, ist die Tätigkeit des Schreibens von Hand mit einem Schreibgerät, zum Beispiel einem Bleistift oder Kugelschreiber. Das Ergebnis wird, insbesondere bei handgeschriebenen Büchern und Briefen, ein Manuskript oder eine Handschrift genannt. Ebenfalls nennt man Handschrift die individuelle, für einen Menschen typische Schrift beim manuellen Schreiben, sowie im übertragenen Sinn etwas, das seine Arbeit charakterisiert.
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:Umfang und Abgrenzungen
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:Technisch gesehen hat das manuelle Schreiben viel mit dem Zeichnen gemeinsam. Es kommen die gleichen Werkzeuge als Schreib- und Zeichengeräte zum Einsatz, ebenso die gleichen Farbstoffe und Untergründe (z. B. Papier). Das manuelle Schreiben unterscheidet sich vom Zeichnen jedoch durch die Verwendung von im jeweiligen Schriftsystem vereinbarten eindeutigen Schriftzeichen.
 
:Manuelles Schreiben gibt es in jeder Schrift. Darunter sind Alphabet-, Silben- und Wortschriften, sowie Kombinationen dieser Klassen, wie etwa die japanische Schrift oder die Stenografie. Manuelles Schreiben umfasst nicht nur die geschriebene Sprache, sondern auch Zahlen, Musiknoten und Ähnliches.
 
:Manuelles Schreiben steht mit seiner individuellen Gestaltung jedes einzelnen Schriftzeichens im Gegensatz zum Erzeugen von vorgefertigten Glyphen mit typografischen Mitteln wie dem Druck, einer Schreibmaschine oder einem Computer.
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:[[File:01Bandzugfeder mit Strich und Schriftbeispiel.jpg|thumb|Bandzugfeder mit Strich und Schriftbeispiel]]
:Geschichte und Schreibgeräte
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:Manuelles Schreiben ist die älteste und ursprüngliche Form des Schreibens und ist in jeder Schriftkultur zu finden. Vor der Erfindung des Buchdrucks war jede Schrift von Hand geschrieben bzw. geritzt, geschnitzt oder gemeißelt.
 
:Die Paläographie befasst sich mit den ältesten erhaltenen Schriften. Als Beschreibstoffe dienten unter anderem Ton, Holz, Baumrinde, Blätter, Stein und Metall. Die Völker des Alten Orients schrieben zum Beispiel mit einem Griffel in Tontafeln (Schrifttafeln) eingeritzte oder eingedrückte Keilschrift. Die antiken Griechen, Römer und Etrusker schrieben unter anderem mit Griffeln auf Wachstafeln, die wiederverwendbar waren: mit der spachtelartigen Rückseite des Griffels, der von den Römern Stilus genannt wurde, konnte die Schrift wieder ausgelöscht werden.
 
:Ebenfalls aus der Antike stammt das Schreiben mit einem Pinsel aus Binsen oder einem Schreibrohr und Tinte auf Papyrus oder Pergament. Dies entwickelte sich im frühen Mittelalter weiter zum Schreiben mit einem Federkiel. Der Federkiel wiederum wurde Ende des 18. Jahrhunderts zum Vorbild für metallene Schreibfedern, aus denen sich im 19. Jahrhundert der Füllfederhalter und im 20. Jahrhundert der Patronenfüllfederhalter sowie andere auf Tinte basierende Schreibgeräte wie der Kugelschreiber oder der Filzstift entwickelten. Papier als Beschreibstoff wurde zuerst im antiken China erfunden, erreichte dann in der arabischen Welt und Indien Verbreitung und gelangte im 11. Jahrhundert nach Europa, wo es schließlich maschinell massenproduziert wurde.
 
:Parallel dazu wurde auch bereits in der Antike mit in Rohre gegossenem Blei als Schreibgerät nach dem Prinzip eines Minenstifts geschrieben. Dies entwickelte sich weiter zum Bleistift, wobei im 16. Jahrhundert Graphit als besser geeignetes Material entdeckt wurde. Im Schulunterricht für Schreibanfänger wurde in Europa lange Zeit mit Griffeln aus Schiefer auf Schiefertafeln geschrieben. Die Schiefertafeln konnten mit einem feuchten Schwamm abgewischt und so immer wieder verwendet werden. Lehrer schrieben im Unterricht auf Schultafeln mit Tafelkreide, was eine große Schrift ermöglicht, die auf Distanz gelesen werden kann. Auch hier kann die Schrift leicht mit einem Schwamm gelöscht und die Tafel immer wieder neu beschrieben werden.
 
:In der arabischen und hebräischen Schrift blieb das aus Schilfrohr gemachte Schreibrohr (Qalam) bis in die Neuzeit in Gebrauch. In Ostasien wurde seit der Antike vor allem mit Schreibpinseln geschrieben. Heute jedoch wird in praktisch allen Schriftkulturen im Alltagsgebrauch mit den im Westen üblichen Schreibgeräten geschrieben. Die bis ins 19. Jahrhundert üblichen traditionellen Schreibgeräte sind jedoch weiterhin wichtig in der Kalligrafie, da moderne Schreibgeräte nicht das gleiche Schriftbild erzeugen können.
 
:Durch die Erfindung der Schreibmaschine, des Computers und der papierlosen Übertragung von Text (E-Mail, Chat, Instant Messaging) ist der Kreis der von Hand geschriebenen Schriftstücke sukzessive kleiner geworden. Heute wird Schrift zu großen Teilen digital über eine Tastatur oder Bildschirmtastatur eingeben, teils auch über Spracherkennung. Überwiegend von Hand werden nach wie vor Notizen, Post- und Glückwunschkarten geschrieben, sowie Schrift auf Tafeln, Whiteboards und Flipcharts.
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:Schreibschrift vs. Druckbuchstaben
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:In manchen Schriftkulturen hat sich eine spezielle Schreibschrift entwickelt, bei der das Schreibgerät weniger oft abgesetzt werden muss, so dass ein schnelleres, flüssigeres Schreiben möglich wird. Das Aussehen der Buchstaben kann in der Schreibschrift deutlich vom Aussehen der Druckbuchstaben abweichen, so dass die Schreiber und Leser die Schreibschrift wie ein eigenes Alphabet erlernen müssen.
 
:Im deutschen Sprachraum wurde früher als Schreibschrift die deutsche Kurrentschrift geschrieben, sowie parallel Kurrent und die lateinische Schreibschrift. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist als Schreibschrift praktisch ausschließlich die lateinische Schreibschrift in Gebrauch. In der Praxis verwenden viele Menschen heute eine individuelle Mischform aus lateinischer Schreibschrift und Druckbuchstaben.
 
:In manchen Ländern wie den USA wird dem Erlernen von Schreibschrift heute nur noch wenig Gewicht beigemessen. Beim Ausfüllen von Formularen werden oft Druckbuchstaben verlangt, um die Leserlichkeit zu verbessern.
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:[[File:Handwriting.png|thumb|300 px|Beispiel desselben englischen Satzes von zwei Personen in ihrer jeweiligen Handschrift geschrieben (2006)]]
:Wahl der Schreibhand und individuelle Handschrift
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:Beim manuellen Schreiben wird in der Regel nur eine Hand verwendet, die das Schreibgerät führt. Die meisten Menschen bevorzugen hierfür ihre dominante Hand entsprechend ihrer Händigkeit. Früher wurden in Schulen allen Kindern das Schreiben mit der rechten Hand beigebracht, ungeachtet ihrer Händigkeit. Davon ist man in vielen Ländern inzwischend wieder abgekommen.
 
:Die individuelle Handschrift, der Duktus (Schreibstil), kann Rückschlüsse auf den Schreiber ermöglichen. In der Graphologie wird versucht, aus der Handschrift auf Eigenheiten der schreibenden Person zu schließen. Des Weiteren kann die Individualität der Handschrift auch verwendet werden, um den Schreiber eines Schriftstücks zu identifizieren. Dies führte zur juristischen Bedeutung der Unterschrift. Die Schriftvergleichung ist eine Methode in der Forensik.
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:Gesundheitsaspekte
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:Manuelles Schreiben ist eine anspruchsvolle feinmotorische Tätigkeit. Bei Überlastung kann ein Schreibkrampf auftreten. Ein Tremor beim Schreiben kann als Begleitsymptom unterschiedlicher Krankheiten auftreten.
 
:Verschiedene gesundheitliche Ursachen können zur Schwierigkeiten beim manuellen Schreiben führen, obwohl die Feinmotorik der Hand und der Intellekt noch vorhanden sind, was Dysgraphie genannt wird. Beim völligen Verlust der Schreibfähigkeit spricht man von Agrafie.
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:Schönschreiben und Kalligrafie
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:Beim Schulfach Schönschreiben ist das Ziel eine gute Leserlichkeit des Textes. Die Kalligrafie, die übersetzt ebenfalls „Schönschreiben“ bedeutet, ist dagegen die Gestaltung handgeschriebener Schrift mit hohem Anspruch an Ästhetik zur Verwendung in der Kunst bzw. im Grafikdesign.
 
AB7
:[[File:Anna Green Winslow's diary entry in handwriting.png|thumb|Beispiel: Tagebuch der US-Amerikanerin Anna Green Winslow, 1771]]
:Lateinische Schreibschrift
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:Als lateinische Schreibschrift werden im Deutschen alle Formen der Schreibschrift bezeichnet, die das lateinische Alphabet verwenden und nicht zur deutschen Kurrentschrift gehören. Vom 17. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert, als die Schreibmaschine aufkam, war die lateinische Schreibschrift die wichtigste Korrespondenzschrift in allen westlichen Sprachen außerhalb des deutschen Sprachraums. Sie löste die deutsche Kurrentschrift ab und ist die verbreitetste Schreibschrift weltweit.
 
:Wie jede von Hand geschriebene Schrift gibt es auch die lateinische Schreibschrift in einer Vielfalt von Formen, die sich regional und zeitlich entwickelt haben. Sie stellt also eine ganze Familie von Schreibschriften dar.
 
:Für in anderen Alphabeten geschriebene Sprachen, etwa dem kyrillischen oder dem neugriechischen, gibt es eigene Schreibschriften.
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:[[File:Schriftzug Humanistische Kursive.svg|thumb|250 px|Humanistische Kursive (als Satzschrift)]]
:Entstehung
:Humanistische Kursive
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:Schreibschriften werden allgemein auch Kursive (mittellateinisch cursivus ‚fließend, geläufig‘, im Französischen und Englischen cursive) genannt. In der Renaissance entstand in humanistischen Kreisen in Italien die humanistische Kursive. Aus dieser Urform entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert, vor allem prägend in Frankreich und England, die lateinische Schreibschrift.
 
:Etwa zeitgleich mit dem Aufkommen des Buchdrucks mit beweglichen Lettern entwickelte sich die von Hand geschriebene und die gedruckte Schrift in zwei getrennte Richtungen: Während bis zum Aufkommen der ersten Kursive der Neuzeit die meisten Schriften unverbundene Buchstaben hatten und die Typografie dieses Merkmal aus technischen Gründen sowie der guten Lesbarkeit wegen beibehielt, wurde es zu einem charakteristischen Merkmal der nun aufkommenden Schreibschriften, die Buchstaben eines Wortes in einem fließenden Duktus zu verbinden. Ebenfalls typisch für die meisten Formen der lateinischen Schreibschrift ist die aus der humanistischen Kursive stammende Rechtsneigung der Schrift.
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:[[File:EcritureRonde-Encyclopedie.jpg|thumb|250 px|Schriftbeispiel der ''Ronde'' in Diderots ''Encyclopédie'']]
:Circumflessa und Ronde
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:Nach der Zerstörung der Apostolischen Kammer beim Sacco di Roma 1527 zogen viele Schreiber von Rom nach Südfrankreich. Dort entwickelten sie und ihre Nachfolger die humanistische Kursive weiter und gaben ihr fließendere, geschwungenere Formen, die im Geiste des Barocks stehen. Um 1600 entstand so aus der humanistischen Kursive die Circumflessa, welche im frühen 17. Jahrhundert zur französischen Ronde weiterentwickelt wurde, die sich durch üppige Schwünge und Rundungen auszeichnet, vor allem bei den Großbuchstaben. Die französische Ronde borgte sich auch einige Formen von der mittelalterlichen, gebrochenen Rotunda. Sie ist nur sehr leicht geneigt. Prägend waren Schreibmeister wie Louis Barbedor (1630–1670).
 
:Innerhalb der Ronde werden wiederum einige Unterformen unterschieden. In Frankreich hat sich die Ronde bis ins 20. Jahrhundert hinein gehalten, da sie im Schulunterricht als Schreibschrift gelehrt wurde. So verwendeten sie etwa die Schreiber des französischen Finanzministeriums bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, weshalb eine Unterform der Schrift écriture ronde finnancière genannt wird.
 
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Louis Barbedor, Paris 1647.jpg|Schriftbeispiel von Louis Barbedor, 1647
Ronde-Proportions.jpg|Proportionen der ''Écriture ronde''
Écriture ronde française (XVIIIe).svg|''Écriture ronde française'' (als Satzschrift)
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:[[File:English_Round_Hand_(Pierre_Picquet,_1820).png|thumb|250 px|Schriftbeispiel der ''Round hand'', 1820]]
:Round hand
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:Die Ronde wurde im 17. und 18. Jahrhundert (Klassizismus) in England zur stärker geneigten Round hand weiterentwickelt. Dabei wurde die Schrift auch durch ein neues Schreibgerät beeinflusst. Bis zur Massenproduktion von Stahlfedern in England ab 1822 wurde in Europa vorwiegend mit Federkielen geschrieben. Durch die nun aufgekommene stählerne Spitzfeder (auch Schwellzugfeder genannt) entstand ein Schriftbild mit charakteristischem Kontrast zwischen dünnen und dicken Linien, wobei die dünnen Linien beim Aufschwung mit wenig Druck auf das Papier, und die dicken beim Abschwung mit mehr Druck entstehen. Die Spitzfeder setzte sich ab den 1830er Jahren überall in der westlichen Welt rasch als Schreibgerät durch und verdrängte den Federkiel.
 
:Die englische Schreibschrift (in Frankreich Anglaise genannt) breitete sich im 18. und 19. Jahrhundert über ganz Europa und auch die europäischen Kolonien überall in der Welt aus, darunter auch nach Amerika. Lediglich in den deutschen Sprachraum, in dem sich auch in der Satzschrift lange Zeit die Fraktur gegenüber der Antiqua behauptete, konnte sie nur schwer eindringen, da sich dort über eine separate Entwicklungslinie eine eigene Schreibschrift etabliert hatte: Kurrent.
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:[[File:Danksagung Goethe an Loge Amalia zu Weimar 1830.jpg|thumb|300 px|Handschrift Goethes in lateinischer Schrift, 1830]]
:Im deutschen Sprachraum
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:Im deutschen Sprachraum bestanden lange Zeit zwei Schreibschriften parallel nebeneinander: die deutsche Kurrentschrift und die lateinische Schreibschrift. Außerhalb des deutschen Sprachraums beherrschten nur Wenige die deutsche Kurrentschrift. Im deutschen Sprachraum konnten die meisten Menschen beide Schreibschriften lesen und schreiben.
 
:Im Deutschen etablierte sich seit dem 16. Jahrhundert die typografische Konvention, im Fraktursatz Deutsches in Frakturschrift und Fremdsprachiges in Antiqua zu setzen. Analog dazu wurde in handgeschriebenen Dokumenten für Deutsches die deutsche Kurrentschrift und für Fremdsprachiges die lateinische Schreibschrift verwendet. Daneben war die lateinische Schreibschrift auch beliebt zur Hervorhebung von Überschriften und Personennamen. Man schrieb also durchaus auch deutsch in der lateinischen Schreibschrift und daher gab es in der deutschen Ausprägung dieser Schrift auch die dafür benötigten deutschen Umlaute, das lange s und das ß. Das lange s (ſ) wurde außerdem auch in anderen Sprachen wie dem Englischen, Französischen, Spanischen und Italienischen verwendet.
 
:In der lateinischen Schreibschrift, wie sie im deutschen Sprachraum geschrieben wurde, haben sich kleinere regionale Besonderheiten ausgebildet. So haben beim schnellen Schreiben die Buchstaben n und m oft eine „Girlandenform“ ähnlich wie in der Kurrentschrift. Darum wurde es ein weitverbreiteter Brauch, einen zusätzlichen Bogen über den Buchstaben u zu zeichnen, um diesen vom n zu unterscheiden. Diese speziell deutsche Praxis fiel im 20. Jahrhundert allmählich außer Gebrauch.
 
:Unter den Nationalsozialisten wurde 1941 die deutsche Kurrentschrift verboten und die lateinische Schreibschrift zur neuen „Deutschen Normalschrift“ erklärt. Auch nach dem Ende des NS-Regimes kam es zu keiner Wiedereinführung der Kurrentschrift. Damit fiel die Notwendigkeit weg, begrifflich zwischen der „deutschen“ und der „lateinischen“ Schrift zu unterscheiden. Während sich die gebrochenen Satzschriften bis heute noch in typografischen Nischen erhalten haben, wird die Kurrentschrift kaum irgendwo mehr verwendet. Heute können sie die meisten Menschen nicht oder nur mühsam lesen.
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:In anderen Sprachräumen
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:In anderen Sprachräumen entstanden eigene Variationen der lateinischen Schreibschrift. Da viele Sprachen Variationen des lateinischen Alphabets mit besonderen Buchstaben und/oder diakritischen Zeichen verwenden, finden sich diese Sonderbuchstaben und -zeichen auch in den entsprechenden Ausprägungen der lateinischen Schreibschrift.
 
:In den USA bildete eine bestimmte Form der lateinischen Schreibschrift, Spencerian script, von etwa 1850 bis 1925 einen de-facto-Standard für die Geschäftskorrespondenz bis zur Einführung der Schreibmaschine. Diese Schrift, die Platt Rogers Spencer (1800–1864) entwickelte, basiert auf ovalen Formen und soll schnelles Schreiben mit einem eleganten Schriftbild und guter Lesbarkeit vereinen. Die Logos von Ford und Coca-Cola verwenden kalligrafische Schriftzüge basierend auf der Spencerian script.
 
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CaligrafiaRedonda.jpg|Die mit der Breitfeder geschriebene Ronde in einer dänischen Variante, 1883
Spencerian example.jpg|Beispiel der ''Spencerian script'', 1884
Ford Motor Company Logo.svg|Das Logo von Ford
Coca-Cola logo.svg|Das Logo von Coca-Cola
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:Ausgangsschriften
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:Seit dem 19. und insbesondere im 20. Jahrhundert entstanden pädagogische Formen der lateinischen Schreibschrift, die als Ausgangsschriften im Schulunterricht gelehrt wurden und sich prägend auf die weitere Entwicklung der lateinischen Schreibschrift in der westlichen Schriftkultur auswirkten. Die Entwicklung neuer Schreibgeräte wie der Schnurzugfeder und der Gleichzugfeder, bei der kein unterschiedlicher Druck für Auf- und Abstriche benutzt wird und auch keine Variation der Linienstärke mehr entsteht, sowie das Bemühen um eine möglichst einfache Erlernbarkeit und Lesbarkeit führte zu technisch und schulmäßig wirkenden Formen der Schreibschrift.
 
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Sütterlin , lateinisches Alphabet.jpg|Sütterlins lateinische Ausgangsschrift, 1914
Lateinische Ausgangsschrift 1953 plain.svg|Lateinische Ausgangsschrift, 1953
Schulausgangsschrift_1968.png|Schulausgangsschrift, 1968
Vereinfachte Ausgangsschrift.png|Vereinfachte Ausgangsschrift, 1972
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:In anderen Sprachräumen gab es unterdessen eigene Entwicklungen. In den USA fanden Schriftpädagogen wie Austin Palmer und E. C. Mills, Spencerian script sei nicht optimal für die Anforderungen an eine Geschäftsschrift. Sie versuchten sie zu vereinfachen und mehrere Parameter zu optimieren: eine möglichst hohe Schreibgeschwindigkeit, eine möglichst gute Lesbarkeit und eine möglichst geringe Ermüdung der Schreibhand. Dafür kamen neue Schreibgeräte mit gleichbleibender Linienstärke zum Einsatz. Die um 1888 aus der Spencerian Method entwickelte Palmer Method prägte die Schreibschrift des Landes bis etwa 1950. Sie ist besonders breit und einige Großbuchstaben unterscheiden sich deutlich von den in Europa bekannten Formen der lateinischen Schreibschrift. Zum Beispiel ist das große A „einstöckig“ wie das kleine Schreibschrift-a (ɑ). 1978 wurde in den USA die Ausgangsschrift D’Nealian cursive eingeführt.
 
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Palmer Method alphabet.jpg|Alphabet der Palmer Method, 1901
Palmer Method sample.jpg|Schriftbeispiel der Palmer Method, 1901
Edward Clarence Mills 1909 business writing style.jpg|Geschäftsschrift-Vorlage von E. C. Mills, 1909
Cursive.svg|D’Nealian cursive, 1978
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:Mit heutigen Schreibgeräten ist der Geschwindigkeitsvorteil der Schreibschrift gegenüber der Druckschrift nur noch klein, weshalb viele Menschen schon als Schüler, insbesondere in den USA, zu einfacheren Handschriften mit nur wenigen Ligaturen übergehen.
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:[[File:Bickham-letter-detail.png|thumb|300 px|Kalligrafie des englischen Schreibmeisters George Bickham d. Ä., circa 1740–1741]]
:[[File:Sample of Copperplate Script with an Oblique Penholder.jpg|thumb|300 px|Copperplate-Kalligrafie]]
:Kalligrafische Formen
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:Die lateinische Schreibschrift kommt wie jede Handschrift auch in der Kalligrafie zum künstlerischen und gestalterischen Einsatz. In der angelsächsischen Kalligrafie orientiert man sich dabei gerne an der besonders schönen Round hand von englischen Schreibmeistern bis zurück in das 16. Jahrhundert, wie sie auf alten Kupferstichen zu finden ist. Daher werden diese kalligrafischen Schriften als Dachbezeichnung Copperplate genannt.
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:Typografische Formen
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:Des Weiteren gibt es auch Satzschriften, die das Erscheinungsbild einer lateinischen Schreibschrift nachahmen. Sie gehören nach DIN 16518 zur Gruppe der Schreibschriften. Beispiele:
 
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American Scribe.svg|American Scribe (basierend auf älterer US-amerikanischer Schreibschrift)
FONTCezanne.png|Cézanne (basierend auf der Handschrift des Malers Paul Cézanne)
Declaration_Script.png|Declaration Script (basierend auf der Schreibschrift in der Verfassung der Vereinigten Staaten, 1787)
Edwardian Script ITC.svg|Edwardian Script (Britisches Zeitalter Eduards VII.)
Kuenstler Script.svg|Künstler Script, Schriftgießerei D. Stempel, 1902
Zapfino.png|Zapfino, 1998
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AB8
:[[File:Fibel worte.jpg|thumb|300 px|Seite aus einer Schulfibel in sehr leserlicher Schrift (deutsche Kurrentschrift, 1903)]]
:[[File:Bickham-ABC.png|thumb|300 px|Beispiel englischer Schönschreibung aus dem 18. Jahrhundert von Bickham mit künstlerischen Initialen]]
:Schönschreiben
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:Schönschreiben bezeichnet das Schreiben von Hand, dessen Ziel die gute Leserlichkeit des Textes für die Allgemeinheit ist.
 
:In manchen Alphabeten, insbesondere den lateinischen Alphabeten, wird bei von Hand geschriebener Schrift zwischen Schreibschrift, die überwiegend aus verbundenen Buchstaben besteht, und Schrift in Druckbuchstaben unterschieden. Insbesondere bei Schreibschrift ist die Gefahr der Unleserlichkeit groß und daher das Schönschreiben besonders wichtig.
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:Geschichte
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:Vor der Erfindung des Buchdrucks war jede Schrift von Hand geschrieben (bzw. geritzt, geschnitzt oder gemeißelt). Seit Beginn der Typografie betrifft das Schönschreiben nur noch jene Schriftstücke, die noch immer von Hand geschrieben werden, sowie kalligrafische Vorlagen für Druckstücke.
 
:Schönschreiben wurde in Europa im Mittelalter und der Neuzeit zuvor von Schreibmeistern (damals: Modisten genannt) in Schönschreibschulen ausgeübt. Bekannt sind im deutschen Sprachraum z. B. Johann Neudörffer der Ältere (1497–1563), Jonathan Sauter (1549–1612), Arnold Möller (1581–1655) oder in Böhmen Jan Táborský z Klokotské Hory (1500–1572). Schreibmeister waren in der frühen Neuzeit auch Lehrer, die im öffentlichen Auftrag oder privat Schulen betrieben, an denen Schönschreiben gelehrt wurde. Teilweise wurden von ihnen auch Schreibmeisterbücher mit Anleitungen zum Schönschreiben herausgegeben.
 
:Ausgangspunkt des Schönschreibens ist heute in der Regel eine Schulschrift. Dies kann eine Schriftgrundlage sein (Ausgangsschrift), die von einer Meisterschule vorgegeben wird oder wie im deutschsprachigen Raum von einem Land (z. B. einem Bundesland in Deutschland oder einheitlich wie in ganz Österreich). Die älteste gesamtösterreichische Schulschrift geht z. B. auf das Jahr 1775 zurück und wurde von J.I. Felbiger unter Maria Theresia veranlasst. Im Schulfach Schönschreiben wird das leserliche Schreiben unterrichtet. Um das Schönschreiben zu üben, werden bzw. wurden in eigenen Schönschreibheften Aufgaben (Schönschreibübungen), meist für jüngere Schüler, aufgegeben.
 
:In allen Sprachen, die das lateinische Alphabet benutzen, kommt heute eine Form der lateinischen Schreibschrift zum Einsatz. Die früher übliche deutsche Kurrentschrift ist nicht mehr in Gebrauch.
 
:Durch die Erfindung der Schreibmaschine, des Computerdrucks und der papierlosen Übertragung von Text (Internet) ist der Kreis der von Hand geschriebenen Schriftstücke kleiner geworden.
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:Gegensatz
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:Das Gegenteil des Schönschreibens ist das unleserliche, schlechte Schreiben, auch klieren, abwertend: krickeln, klecksen, krakeln, sudeln, schmieren (umgangssprachlich), kratzeln (Schweiz), fuzeln (Österreich) genannt. Die unleserlich schreibende Hand wird auch als „Sauklaue“ bezeichnet.
 
:Das unleserliche Schreiben von Ärzten auf Rezepten ist in vielen Ländern der Erde bekannt und wird u. a. auch für Todesfälle verantwortlich gemacht. Teilweise wird die Unleserlichkeit generell bestimmten Berufsgruppen (z.&nbsp;B. Beamten) oder allgemein Akademikern unterstellt.
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:Schönschreiben und Kalligrafie
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:Schönschreiben und Kalligrafie wird teilweise als Synonym verwendet. Tatsächlich ist der Übergang zwischen Schönschreiben und der Kalligrafie fließend. Teilweise wurde bzw. wird z. B. einem Text selbst ein kalligrafisch besonders schöner Anfangsbuchstabe (Initial) vorangestellt. Schönschreiben unterscheidet sich von der Schönschreibkunst (Kalligrafie) daher vor allem dadurch, dass es beim Schönschreiben um die leserliche („schöne“) Darstellung des Textes geht, während die Kalligrafie aus der Alltagsschrift eine Schönschreibkunst macht. Bei der Kalligrafie ist daher die Schrift Ausdruck für die Kunst. Die Kalligrafie wird im Gegensatz zum Schönschreiben daher durchwegs nicht im Alltag eingesetzt, sondern zu speziellen Anlässen oder in bzw. bei speziellen Werken (z. B. Inschriften auf Torbögen, Bücherillustrationen etc.). Auch ist in der Kalligrafie die Leserlichkeit nicht das Wichtigste, sondern z. B. die Erzielung perfekter ästhetischer Ausgewogenheit und das Sichtbarmachen von Emotionen. Teilweise wird von den Kalligrafen die Tätigkeit als meditativ eingestuft.
 
:Die Begriffe „Schönschreiberei“ bzw. „Schönschreiber“ werden im Zusammenhang mit
:* Schönschreiben,
:* Schönschreibkunst, aber auch
:* etwas schöner darstellen, als es ist (ähnlich den Begriffen „Schönrederei“, „Schönschwätzerei“)
:verwendet.
 
 
AB9
:[[File:Brief Schiller Schwan 8 Dez 1782 (cropped).jpg|thumb|300 px|Beispiel der deutschen Kurrentschrift: Brief Schillers (1782)]]
:[[File:Deutsche_Kurrentschrift.svg|thumb|Alphabet der Kurrentschrift, um 1865 (die vorletzte Zeile zeigt die Umlaute ''ä, ö, ü'' und die entsprechenden Großbuchstaben ''Ae, Oe, Ue''; die letzte Zeile zeigt die Ligaturen ''ch, ck, th, sch, sz'' und ''st'')]]
:[[File:Deutsche Kurrentschrift-2.png|thumb|Gotisk skrift (dänische Kurrent) um 1800 mit Æ und Ø am Ende des Alphabets]]
:Deutsche Kurrentschrift
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:Die deutsche Kurrentschrift (lateinisch currere „laufen“), auch und insbesondere im Ausland nur als Kurrent bezeichnet, ist eine Schreibschrift. Sie war etwa seit Beginn der Neuzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts (in der Schweiz bis Anfang des 20. Jahrhunderts) die allgemeine Verkehrsschrift im gesamten deutschen Sprachraum. Sie wird auch deutsche Schreibschrift oder deutsche Schrift genannt. Der Begriff „deutsche Schrift“ kann sich jedoch auch auf bestimmte gebrochene Satzschriften beziehen.
 
:Typografisch gehört die deutsche Kurrentschrift zu den gebrochenen Schriften. Sie unterscheidet sich durch spitze Winkel („Spitzschrift“) von der runden, „lateinischen“ Schrift – wenngleich aber auch die Kurrent viele Rundungen aufweist. Mit geringen Abwandlungen wurde sie auch in Skandinavien – in Dänemark und Norwegen als „Gotisk skrift“ bezeichnet – bis 1875 verwendet.
 
:Die deutsche Kurrentschrift wurde typischerweise ursprünglich mit einem Federkiel, später dann auch mit einer Bandzugfeder geschrieben, was zu richtungsabhängigen Änderungen der Strichstärke führte. Seit dem 19. Jahrhundert wurde sie auch mit einer Spitzfeder geschrieben, was an- und abschwellende Linien erzeugte.
 
:Eine im 20. Jahrhundert als Ausgangsschrift für den Schulunterricht in Deutschland eingeführte Variante der deutschen Kurrentschrift ist die Sütterlinschrift, die zum Schreiben mit der Gleichzugfeder mit einer gleichmäßigen Strichstärke entwickelt wurde.
 
:Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wird die deutsche Kurrentschrift (einschließlich ihrer Sütterlinschrift-Variante) kaum noch verwendet. Historiker und Wissenschaftler anderer Disziplinen sowie genealogisch Interessierte müssen sie kennen, um in deutscher Kurrentschrift verfasste Dokumente lesen zu können.
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:Geschichte
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:Entwicklung:
:Die deutsche Kurrentschrift entwickelte sich im frühen 16. Jahrhundert aus der Bastarda.[1] Sie etablierte sich als die übliche Verkehrsschrift im gesamten deutschen Sprachraum. Insbesondere in Österreich etablierte sich Kurrent auch als Amts- und Protokollschrift. In der Schweiz war Kurrent bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts als Verkehrs-, Amts- und Protokollschrift gebräuchlich.
 
:Außer im deutschsprachigen Raum etablierte sich die Kurrentschrift auch in anderen nichtromanischen Sprachräumen, etwa im Dänischen, Norwegischen oder Tschechischen.
 
:Kurrent wurde hauptsächlich nur für Texte in der jeweiligen eigenen Sprache, also im deutschsprachigen Raum für deutsche Texte, verwendet. Analog zur parallelen Verwendung von Antiqua und Fraktur in der gedruckten Schrift verwendete man im deutschen Sprachraum in handgeschriebenen Texten für bestimmte Einsatzgebiete, wie etwa Überschriften, Eigennamen, Fremdsprachen oder für die Briefkorrespondenz mit Ausländern, parallel zur deutschen Kurrentschrift die lateinische Schreibschrift. Gebildete Schreiber beherrschten und verwendeten also zwei verschiedene Schreibschriften.
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:[[File:Staedt.Kinderheim-01.jpg|thumb|Bild 1: Schriftbeispiel - Städtisches Kinderheim]]
:[[:de:w:Datei:Kurrentschriftbeispiel.jpg|Bild 2: Schriftbeispiel - »Klassenarbeit. 1. 12. 1910. Die Bedeutung des Pfarrers für den Gang der Handlung in „Hermann und Dorothea.“ Prädikat: Gut.«]]
:Im 20. Jahrhundert:
:Ab 1911 wurde in Preußen eine Veränderung und Normierung der deutschen Kurrentschrift durch den Grafiker Ludwig Sütterlin eingeleitet. Er entwickelte 1911 zwei Ausgangsschriften für den Schulgebrauch, eine deutsche und eine lateinische Schreibschrift. Die Sütterlinschrift wurde in Deutschland forciert eingeführt, da sie graphisch einfacher zu formen ist als die bis dahin übliche Variante der deutschen Kurrentschrift. In Folge kam der Begriff Kurrent in Deutschland außer Gebrauch. Die Sütterlinschrift zog zwischen 1915 und der Zeit des Dritten Reichs nach und nach in Deutschlands Schulen ein, nicht jedoch in Österreichs Schulen; dort schrieb man weiterhin in der traditionellen Kurrentschrift.
 
:1941 kam es durch den Normalschrifterlass dazu, dass im sogenannten Großdeutschen Reich die gebrochenen und deutschen Schriften zugunsten der lateinischen Schrift abgeschafft wurden, die nun als „deutsche Normalschrift“ bezeichnet wurde. Durch Martin Bormanns Erlass vom 3. Januar 1941 wurden zunächst nur die gebrochenen Druckschriften verboten. Mit einem zweiten Rundschreiben vom 1. September 1941 wurde auch die Verwendung der deutschen Schreibschriften untersagt. Als Schreibschrift-Version der „deutschen Normalschrift“ kam eine Form der lateinischen Schreibschrift zum Einsatz, die auf Sütterlins lateinisches Alphabet zurückgeht. Seit Beginn des Schuljahres 1941/42 durfte an den deutschen Schulen nur noch die „deutsche Normalschrift“ verwendet und gelehrt werden.
 
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:Merkmale
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:Die deutsche Kurrentschrift ist rechtsschräg und hat Schleifen an den Oberlängen. Die Schäfte der Buchstaben f und ſ sind wie bei den älteren Kanzleibastarden nach unten verlängert. Zahlreiche Buchstaben sind in einem einzigen Federzug geschrieben. Die Buchstaben h und z haben durchgezogene Schleifen an den Unterbögen. Das e hat eine eigene, charakteristische Form, die an das n erinnert. Aus dieser Form des e sind historisch die Umlaut-Punkte im deutschen Alphabet entstanden.
 
:Da die Buchstaben n und u ansonsten gleich aussehen, wird zur Unterscheidung über das u ein Bogen gezeichnet. Ein gerader Strich über einem n oder m ist ein Reduplikationsstrich, der die Verdoppelung des Konsonanten anzeigt.
 
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Kurrent B.svg|b B
Kurrent F.svg|f F
Kurrent S.svg|ſ s S
Kurrent H.svg|h H
Kurrent Z.svg|z Z
Kurrent E.svg|e E
Kurrent N.svg|n N
Kurrent U.svg|u U
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AB10
:[[File:Schrifttafel Deutsche Schrift.JPG|mini|300 px|Deutsche Schreibschrift]]
:Deutsche Schrift
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:Die Bezeichnung deutsche Schrift wird entweder als Sammelbegriff für einige gebrochene Schriften verwendet, mit denen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert deutsche Texte bevorzugt geschrieben und gedruckt wurden, oder dient als Name einer dieser Schriften. In Bezug auf Schreibschrift wird auch die Bezeichnung ''deutsche Schreibschrift'', je nach Zusammenhang sowohl als Sammelbegriff als auch als Einzelname verwendet.
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:Schriftarten:
:Um ihre offizielle Verwendung in deutschen Behörden und Schullehrplänen wurde ein jahrzehntelanger Antiqua-Fraktur-Streit geführt, in dem die Antiqua (auch eingedeutscht Altschrift) die gewohnte deutsche Schrift (unter anderem die häufig gedruckte Fraktur) schließlich durch den Normalschrifterlass im Dritten Reich ablöste. Um deutlich zu machen, dass die Schriftformen nicht ausschließlich in Deutschland in Gebrauch waren, wurde in der paläografischen Diskussion auch der Begriff neugotische Schrift vorgeschlagen. Alltagssprachlich werden manche dieser Schriftarten heute auch als alte deutsche Schrift oder altdeutsche Schrift bezeichnet.
 
:Mit deutscher Schrift sind je nach Zusammenhang meist eine oder mehrere dieser Schriftarten gemeint:
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:Druckschriften:
:* Schwabacher − Im 15. und frühen 16. Jahrhundert die vorherrschende Druckschrift im deutschsprachigen Raum.
:* Fraktur − Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum. Sie war mehrmals offizielle Amtsschrift für Drucksachen im Deutschen Reich.
:* Weitere gebrochene Schriften.
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:Schreibschriften:
:* Deutsche Kanzleischrift − bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich für amtliche Schriftstücke
:* Deutsche Kurrentschrift − Verkehrsschrift im 18. und 19. Jahrhundert
:* Deutsche Schreibschrift – Anfang des 20. Jahrhunderts als Schulschrift eingeführt
:* Sütterlinschrift − Schulausgangsschrift ab 1928
:* Deutsche Verkehrsschrift oder Deutsche Volksschrift − Variante der Sütterlinschrift als Schulausgangsschrift von 1935 bis 1941
:* Deutsche Normalschrift − Weiterentwicklung der Sütterlinschrift als Schulausgangsschrift von 1941 bis 1953
:* Offenbacher Schrift − wurde nach 1945 an einigen deutschen Schulen als zweite Schreibschrift gelehrt.
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:Runen – Germanische Schriftzeichen; nachweisbar für das 2. bis 12. Jahrhundert, sind keine deutschen Schriften
 
 
== AB11 - AB15 ==
 
AB11
:[[File:Kant Breitkopf-Fraktur.png|thumb|350 px|Schriftbeispiel für die Breitkopf-Fraktur]]
:Fraktur
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:Die Fraktur (von lateinisch fractura ‚Bruch‘, seit Mitte des 15. Jahrhunderts auch ‚gebrochene Schrift‘[1]) ist eine Schriftart aus der Gruppe der gebrochenen Schriften. Sie war von Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum, dazu – in Konkurrenz zur Antiqua – auch in den nordeuropäischen Ländern.
 
:In der Umgangssprache wird der Sammelbegriff Frakturschrift fälschlicherweise synonym für gebrochene Schriften verwendet, also auch zum Beispiel für Textura und Schwabacher, die sich aber durch das Fehlen der für die Fraktur charakteristischen Elefantenrüssel klar abgrenzen lassen.
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:Entstehung:
:Die Entstehung der Frakturtype am Anfang des 16. Jahrhunderts ist eng verbunden mit Kaiser Maximilian I. Wer genau die Fraktur geschaffen hat, ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt, da die Formen der Type auch in handschriftlichen Urkunden aus dem Umfeld der Wiener Universität und in Nürnberg nachweisbar sind. In Frage kommt unter anderem Vinzenz Rockner, ein Sekretär von Maximilian I., der den Druck des Gebetbuches (siehe unten) überwachte und die handschriftlichen Vorlagen für die Drucklettern lieferte. Unklar bleibt, ob er diese Vorlage auch selbst entworfen hat. Der zweite mögliche Urheber ist der Mönch und Schreiber Leonhard Wagner, der bereits am Ende des 15. Jahrhunderts eine entsprechende Schriftart entwickelte, die aber in der Bibliothek seines Klosters verblieb, so dass unklar ist, wie bekannt diese Handschrift war.
 
:Die erste Frakturschrift für den Buchdruck wurde bereits 1513 von Hans Schönsperger in Augsburg entworfen und (unter anderen) im von Albrecht Dürer illustrierten Gebetbuch verwendet. Als zweite wichtige Anwendung der Fraktur im Druck gilt der 1517 in Nürnberg gedruckte Theuerdank. Ihre ästhetische Vollendung erfuhr sie durch Schriftschneider im 18. Jahrhundert wie G. I. Breitkopf und J. F. Unger.
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:Entwicklung:
:Die Fraktur hat sich, ähnlich wie die Antiqua, im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Zeitgeistes angepasst und verändert. Es lassen sich folgende wichtige Formen der Fraktur unterscheiden:
 
:* Renaissance-Fraktur: Theuerdank-Fraktur
:* Barock-Fraktur: Breitkopf-Fraktur
:* Klassizistische Fraktur: Unger-Fraktur, Walbaum-Fraktur
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:Verwendung der Fraktur in der Neuzeit:
:Die Frakturschrift wurde in Deutschland in ausgewählten Publikationsbereichen Ende des 19. Jahrhunderts von der Antiqua abgelöst. So änderten im Zuge der Internationalisierung wissenschaftlich-technische Zeitschriften ihre Typographie, zum Beispiel bereits 1872 die ''Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure''. In anderen Bereichen war Frakturschrift bis nach dem Ersten Weltkrieg üblich, danach begann sich im Zuge der Neuen Typographie allmählich die Antiqua durchzusetzen.
 
:Zur Zeit des Nationalsozialismus erlebte die Fraktur insbesondere als Auszeichnungs-, aber auch als Textschrift zunächst eine Renaissance, da sie als deutsche Schrift betrachtet wurde. Man berief sich unter anderem auf Cäsar Flaischlen, der „Vom Herrenrecht unserer deutschen Schrift“ gedichtet hatte. Ab Juni 1933 forcierte das Reichsinnenministerium das Vorhaben, Schreibmaschinen mit Frakturschrift verbindlich in Behörden einzuführen. Der Fachnormenausschuss für Schreibmaschinen scheiterte jedoch an der Aufgabe, sich auf verbindliche Schriftzeichen zu einigen. In diesem Ausschuss war auch die Schreibmaschinenindustrie vertreten, die eigentlich ein Interesse an verstärktem Absatz hätte haben müssen. Hitler selbst war jedoch kein Freund des Romantischen und erklärte auf einer Kulturtagung der NSDAP 1934: „Der nationalsozialistische Staat [muss] sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen jener Rückwärtse, die meinen, eine ‚teutsche Kunst‘ aus der trauten Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu können ...“ So wurde das Vorhaben der Umstellung der Schreibmaschinen nicht weiter forciert.
 
:Seit 1940 sollten alle für das Ausland gedruckten Texte in Antiqua gesetzt werden, worüber die Bevölkerung jedoch nicht informiert wurde. Die Schriftpolitik blieb über längere Zeit völlig unklar. Ein Erlass des NSDAP-Regimes von 3. Januar 1941, in welchem Martin Bormann in Hitlers Auftrag die der Fraktur ähnliche Schwabacher als „Judenschrift“ bezeichnete, erklärte dann in einer totalen Kehrtwendung (und in Verkehrung der tatsächlichen Entwicklung der Schrift) die Antiqua zur „Normalschrift“. Schwabacher und Fraktur galten fortan als unerwünscht, so dass NSDAP-treue Zeitungen und Verlage vor allem in der für das Ausland bestimmten Produktion zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift, insbesondere der Antiqua, übergingen. Der Duden erschien 1941 letztmals in Fraktur.
 
:Allerdings glaubten wohl selbst die NS-Funktionsträger nicht an diese Argumentation. Hintergrund des (extrem teuren) Wechsels mitten in Kriegszeiten war vermutlich die Auffassung, dass die deutsche Hegemonie in einem eroberten Europa mit einer besonderen, optisch engen und komplizierten, schwer zu erlernenden Schrift nicht zu sichern sei. Auch waren die zahlreichen Zwangsarbeiter oft nicht in der Lage, einfache Beschriftungen in Fraktur zu verstehen, was die Kriegsproduktion behinderte. So schrieb Goebbels am 2. Februar 1941 in sein Tagebuch: „Der Führer ordnet an, daß die Antiqua künftig nur noch als deutsche Schrift gewertet wird. [Gemeint war wohl: … dass künftig nur noch die Antiqua als deutsche Schrift gewertet wird.] Sehr gut. Dann brauchen die Kinder wenigstens keine 8 Alphabete mehr zu lernen. Und unsere Sprache kann wirklich Weltsprache werden.“ Unter den „acht Alphabeten“ verstand man damals die Klein- und Großbuchstaben von Fraktur, deutscher Schreibschrift, Antiqua und lateinischer Schreibschrift.
 
:Goebbels betonte fünf Vorteile der Antiqua: 1. Wirksamere Verbreitung deutscher (Propaganda-)Schriften im Ausland; 2. verbesserte Möglichkeiten, eroberte Gebiete zu verwalten; 3. Absicherung der militärisch-politischen Herrschaft durch eine schriftlich-kulturelle Dominanz; 4. Abgrenzung gegenüber der Sowjetunion und Anpassung an Westeuropa mit einer einheitlichen europäischen (deutschen) Schrift; 5. wirtschaftliche Vorteile durch Verbesserung des Absatzes deutscher Bücher im Ausland. Ab September 1941 wurde in deutschen Schulen nur noch die lateinische Schrift gelehrt, die bis dahin nur als zweite Schrift ab Klasse 2 unterrichtet worden war, wodurch Unterrichtszeit für andere Fächer frei wurde. Kaum jemand war über die Gründe unterrichtet. Für Bevölkerungsgruppen, die sich in Nationalitätenkonflikten wähnten, z.&nbsp;B. die Sudetendeutschen, stellte die Umstellung ein Ärgernis dar.
 
:Die Frakturschrift erlebte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches keine Renaissance. 1951 kam es zwar zur Neugründung des Bundes für deutsche Schrift in Hannover (seit 1989: Bund für deutsche Schrift und Sprache), der sich für die Verwendung deutscher Druck- und Schreibschriften einsetzt. Das Thema findet jedoch in der Öffentlichkeit keinen größeren Raum. Allerdings wurden auch nach 1945 noch Bücher in Fraktur gedruckt. Der Autor Hermann Hesse bestand noch lange nach dem Krieg darauf, dass seine Werke in Fraktur gedruckt würden. Auch viele Klassiker fanden in den 1950er Jahren als Frakturausgaben noch sehr guten Absatz, so eine Theodor-Storm-Gesamtausgabe von 1953. Die evangelischen Kirchen hielten noch längere Zeit an der „deutschen Schrift“ fest. So erschienen viele deutschsprachige Bibel-Übersetzungen bis in die 1960er Jahre in Fraktur. Die katholische Kirche hatte für lateinische Texte traditionell die lateinische Schrift verwendet und vollzog daher die Umstellung auch für deutschsprachige Texte früher. Bis in die 1980er Jahre wurden in Westdeutschland einzelne Gesetzestexte, zum Beispiel das Wechselgesetz im „Schönfelder“, in Fraktur gedruckt.
 
:Auf den DM-Banknoten zu 5, 10, 100, 500 und 1000 DM der ab 1961 ausgegebenen dritten Serie sowie auf allen Banknoten der ab 1990 ausgegebenen vierten Serie war das Wort Banknote in Fraktur gesetzt.
 
:In der Gegenwart werden Frakturschrift oder andere gebrochene Schriften in der Werbung, zur Beschriftung verschiedener Artikel und für Straßenschilder verwendet. Auf Warenverpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, signalisiert die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität. Bei Gaststätten signalisiert die Hausinschrift in Fraktur einen mit Liebe geführten Traditionsbetrieb, zumindest aber Gemütlichkeit. Schließlich ist die Frakturschrift, meistens die im englischsprachigen Raum verbreitetere gotische Schrift, in Musik- und Jugendkulturen wie Metal, Punk oder Gothic beliebt. Gebrochene Schriften sind einerseits derzeit in der Mode verbreitet, andererseits werden sie trotz der schließlichen nationalsozialistischen Frakturablehnung auch von Neonazis verwendet. Allerdings werden die Schreibregeln bezüglich des langen s bei Massenprodukten und Kneipenschildern aus Kunststoff inzwischen seltener oder überhaupt nicht mehr angewandt. Gleiches gilt für die Ligaturen ch, ck, tz und st.
 
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:Schreib- und Lesehilfe
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:[[File:Lesehilfe Fraktur.svg|thumb|300 px|Lesehilfe im „Deutschen Lesebuch“ (1912)]]
:Im Laufe der Geschichte haben sich einige Grundregeln bei der Verwendung von gebrochenen Schriften durchgesetzt, die sich vorwiegend im deutschen Sprachraum finden. Hierzu gehören die Verwendung von Ligaturen (auch auf Schreibmaschinen und in der Computerschrift) und zwei unterschiedliche Formen des Buchstaben ''s''.
 
:In Fraktur ungeübte Leser haben meistens nur mit wenigen Buchstaben Schwierigkeiten. Das lange ''s'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia long s.svg|x32px|long s]]<math>\big)</math> unterscheidet sich vom ''f'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia f.svg|x32px|f]]<math>\big)</math> immer durch den ausgesparten kurzen Querbalken auf der rechten Seite, manchmal fehlt auch zur deutlicheren Unterscheidung der linke Querbalken.
 
:Das ''k'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia k.svg|x32px|k]]<math>\big)</math> unterscheidet sich vom ''t'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia t.svg|x32px|t]]<math>\big)</math> vor allem durch eine kleine Schlaufe rechts oben. Das ''x'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia x.svg|x32px|x]]<math>\big)</math> unterscheidet sich vom ''r'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia r.svg|x32px|r]]<math>\big)</math> nur durch eine offene Schleife am Zeichenfuß. Das ''y'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia y.svg|x32px|y]]<math>\big)</math> ähnelt dem ''h'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia h.svg|x32px|h]]<math>\big)</math>, weist aber keine Oberlänge auf und ist im Gegensatz zum ''v'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia v.svg|x32px|v]]<math>\big)</math> unten offen. Bei den Großbuchstaben ähneln sich ''B'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia B.svg|x32px|B]]<math>\big)</math> und ''V'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia V.svg|x32px|V]]<math>\big)</math>, wobei ''V'' der schließende innere Querstrich fehlt, genauso wie ''N'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia N.svg|x32px|N]]<math>\big)</math> im Vergleich mit ''R'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia R.svg|x32px|R]]<math>\big)</math>. Der untere Bogen des ''G'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia G.svg|x32px|G]]<math>\big)</math> ist bei ''E'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia E.svg|x32px|E]]<math>\big)</math> nicht geschlossen. ''I'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia I.svg|x32px|I]]<math>\big)</math> und ''J'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia J.svg|x32px|J]]<math>\big)</math> haben als Großbuchstaben meist das gleiche Schriftbild. Das ''A'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia A.svg|x32px|A]]<math>\big)</math> ähnelt in vielen Frakturschriften dem ''U'' <math>\big(</math>[[File:UnifrakturMaguntia U.svg|x32px|U]]<math>\big)</math>, ist jedoch weniger weit geöffnet.
 
AB12
:[[File:Boegenunterschiede.png|thumb|300 px|Unterschiede bei Bögen von runden (oberstes Beispiel) und gebrochenen Schriftarten (untere vier Beispiele)]]
:Gebrochene Schrift
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:Gebrochene Schrift ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe lateinischer Schriftarten, bei denen die Bögen eines Buchstabens ganz oder teilweise gebrochen sind, d. h. aus einer Schreibbewegung entstehen, in der ein oder mehrere erkennbare abrupte Richtungswechsel in der Strichführung einen sichtbaren Knick im Bogen hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die runden, nicht gebrochenen Schriftarten wie die Antiqua, bei denen die Bögen beim Schreiben aus einer gleichmäßig fließenden Bewegung entstehen.
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:Entstehung
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:In der Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa der Kunststil der Gotik. Eine der auffälligsten Änderungen in der Architektur war der Übergang von den romanischen Rundbögen zu den gebrochenen gotischen Spitzbögen. Dieses Stilelement der Bogenbrechung wurde im Folgenden auch auf die Bögen der Kleinbuchstaben angewendet. Dadurch entstand aus den runden karolingischen Minuskeln die erste gebrochene Schriftart, die gotischen Minuskeln.
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:Gebrochene Schriftarten
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:[[File:Gebrochene Schriften.png|thumb|Übersicht über Unterschiede bei gebrochenen Schriften]]
:[[File:Gebrochene Schriften klein.png|thumb|Gebrochene Schriften im typisch fehlerhaften Computersatz: Ohne Ligaturen, etwa beim ch.]]
 
:Zu den gebrochenen Schriften zählen:
:* Gotische Minuskel
:* Gotische Textura
:* Rotunda
:* Schwabacher
:* Fraktur
:* Deutsche Kurrentschrift
:* Sütterlinschrift
:* Offenbacher Schrift
 
:Nach DIN 16518 werden die gebrochenen Satzschriften in die fünf Untergruppen Gotisch (Textura), Rundgotisch (Rotunda), Schwabacher, Fraktur und Fraktur-Varianten unterteilt. Eine der Besonderheiten bei einigen dieser Schriftarten ist die Beibehaltung des – früher auch in der Antiqua verwendeten – „langen&nbsp;s“, welches gemäß den Regeln insbesondere in der deutschen Sprache verwendet wird. Der gewöhnliche Kleinbuchstabe '''s''' wird in diesem Zusammenhang als Schluss-s bezeichnet.
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:Verwendung
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:Die gebrochenen Schriften sind ein tief verwurzelter Bestandteil europäischer Schriftkultur, verloren aber im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Nur in Deutschland blieben gebrochene Schriften bis weit ins 20. Jahrhundert populär. An deutschsprachigen Schulen lernten alle Schüler gebrochene Schriften lesen und schreiben. 1941 verbannte der Normalschrifterlass die gebrochenen Schriften aus Schullehrplänen und offiziellem Schriftgebrauch. Danach verschwanden auch in Deutschland die gebrochenen Schriften rasch als Gebrauchsschriften aus dem Alltag. Letzte Reste finden sich heute nur noch bei Zeitungsköpfen, Schildern, Firmenlogos und Etiketten. Als typographisches Stilmittel stehen sie hier für Geschichtsträchtigkeit, Traditionsbewusstsein, bäuerliche Einfachheit oder Volkstümlichkeit.
 
:Seit den 1970ern erscheinen gebrochene Schriften auch bei Jugendkulturen wie Metal, Hardcore und Gothic. Hier symbolisieren die Schriften keine Traditionspflege, sondern den Bruch mit der vorherrschenden Gegenwartskultur.
 
:Gefängnis-Tätowierungen, insbesondere in der Schrift Old English, sind bei Skinheads und Gangsta-Rappern verbreitet. Sie knüpfen an eine Symbolik an, die der Wiener Historiker Heinrich Fichtenau 1942 in seiner Habilitationsschrift zusammenfasste: es sei „die Antiqua die Schrift des rationalen, kühlen objektiven Denkers; die Fraktur jenes des mehr subjektiven ‚Täters‘, zumindest des mit hoher Vitalkraft Begabten, der so häufig bloss am Rande einer verpflichtenden Gemeinschaft steht, ohne ihr dienend anzugehören“.
 
:Wegen der geringen Nachfrage nach gebrochenen Schriften und den hohen Materialkosten für Bleilettern hatten Ende der 1980er nur noch wenige Druckereien Restbestände an gebrochenen Lettern. Die Situation änderte sich jedoch mit der Entwicklung des Computersatzes. Kommerzielle Schrifthäuser und freie Typographen digitalisierten nun auch gebrochene Schriften. Heute ist eine Vielzahl hochwertiger Schriften für jeden Computerbenutzer erhältlich. In der Folge entdeckt heute eine neue Generation von Typographen diese jahrhundertealten Schriftfamilien wieder, und zwar nicht aus ideologischen Gründen, sondern vielmehr aus Interesse an den ästhetischen und handwerklichen Qualitäten der gebrochenen Schriften.
 
AB13
:[[File:Runde und gebrochene Schriftarten.svg|thumb|300 px|Vergleich runder und gebrochener Schriftarten]]
:Antiqua-Fraktur-Streit
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:Der Antiqua-Fraktur-Streit war eine politische Auseinandersetzung im Deutschland des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts über den Stellenwert gebrochener Schriften für die geschriebene deutsche Sprache.
 
:Im weiteren Sinne ist der gesamte etwa 200-jährige Übergangsprozess gemeint, in dem die Antiqua die gebrochenen Schriften als Alltagsschrift ablöste. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde deutsche Sprache ausschließlich in gebrochenen Schriften geschrieben. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die gebrochenen Schriften fast vollständig aus dem Alltag verschwunden. Bei den Buch- und Druckschriften erfolgte die Ablösung – mit gewissen Modeschwankungen – allmählich über den gesamten Zeitraum. Dagegen wurde über Schreibschriften und Schullehrpläne zwar lange gestritten, die tatsächliche Umstellung erfolgte aber beschleunigt ab dem Jahr 1941, bedingt durch den Normalschrifterlass.
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:[[File:Initialen.jpg|thumb|Zweischriftigkeit: Deutscher Text in Fraktur, lateinische und französischstämmige Worte in Antiqua (1768)]]
:Zweischriftigkeit
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:Anfang des 16. Jahrhunderts bildete sich so die deutsche Eigenheit heraus, zwei Schriften zu pflegen. Deutschsprachiger Text wurde weiterhin in gebrochenen Schriften gedruckt und geschrieben, lateinischer Text in Antiqua. Bei gemischtsprachigen Texten werden auch die Schriften gemischt: Fraktur für den Druck deutschsprachiger Wörter, Antiqua für fremdsprachige Wörter. Diese Regel hat sich im Fraktursatz bis heute gehalten. Diese Unterscheidung hat sich umgangssprachlich auch in den Begriffen „Deutsche Schrift“ und „Lateinische Schrift“ verfestigt, auch wenn es sich natürlich in beiden Fällen um lateinische Buchstaben handelt.
 
:Die Zweischriftigkeit galt auch für Schreibschriften. Handschriftliches in deutscher Sprache wurde in gotischen Kursiven geschrieben, wie deutscher Kurrentschrift oder Sütterlinschrift. Handschriftliches in lateinischer Sprache wurde in humanistischer Kursive verfasst.
 
:Bei den deutschen Schriftstreiten ging es um die Frage, ob auch die deutsche Sprache in Antiqua geschrieben werden solle, sowie um die Überwindung der Zweischriftigkeit zugunsten einer einzigen Schrift. In Italien und Frankreich war die Frage schon im 16. Jahrhundert zugunsten der Antiqua entschieden.
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:Aufklärung, Klassizismus, Befreiungskriege
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:In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs durch Aufklärung, Klassizismus und Französische Revolution das Interesse in Deutschland an Literatur aus Frankreich und der griechischen und römischen Antike. Dies förderte die Verbreitung der Antiqua.
 
:Der erste Höhepunkt des Schriftstreites fällt mit der Besetzung Deutschlands durch den französischen Kaiser Napoleon zusammen. Er erzwang im Jahr 1806 die Gründung des Rheinbundes, die das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bedeutete. Obwohl dieses „Römische Reich“ noch kein Nationalstaat im modernen Sinne war, liegen die Ursprünge der deutschen Nationalstaatsbewegung etwa in dieser Zeit.
 
:Zunächst gab die Verwaltung der französischen Besatzungsmacht Anlass zum Schriftenstreit, da die meisten Verordnungen in lateinischer Schrift verbreitet wurden. Gebrochene Schriften wurden von deutschen Nationalisten als Symbol der äußeren Abgrenzung gegenüber der militärischen und kulturellen Übermacht Frankreichs verwendet.
 
:Andererseits blieb die Frage, ob deutsche Sprache nicht auch mit Antiqua-Schriften geschrieben werden könne, eine Geschmacksfrage. Traditionalisten schätzten das vertraute Schriftbild der gebrochenen Schriften, Neuhumanisten bevorzugten die Antiqua aus philosophischen Gründen. Den gebildeten adeligen und bürgerlichen Kreisen in Deutschland war die Antiqua nicht nur geläufig, weil sich Französisch als internationale Diplomaten- und Gesellschaftssprache durchgesetzt hatte, sondern auch, weil fast die gesamte fremdsprachige Literatur in Antiqua gesetzt war und deren Kenntnis zum unverzichtbaren Bestandteil der höheren Bildung zählte.
 
:Wichtige Befürworter der Antiqua sind die Brüder Grimm, deren Märchensammlung und Deutsches Wörterbuch zu den wichtigsten Werken deutscher Sprachkultur gehören. Die Fraktur sei in der Majuskel „unförmig“ und hindere die Verbreitung deutscher Bücher im Ausland.
 
:Durch die Einführung der Volksschule im 19. Jahrhundert setzte Preußen die Schulpflicht erstmals für große Bevölkerungsanteile durch. Im Lese- und Schreibunterricht wurde die Deutsche Kurrentschrift („Spitzschrift“) gelehrt.
 
:Für Adel und Bürgertum blieb weiterhin Französisch wichtigste Verkehrssprache; durch den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Austausch mit dem industriell führenden Großbritannien gewann auch Englisch an Bedeutung. Deshalb mussten gebildete deutsche Briefschreiber zusätzlich auch die lateinische Schreibschrift („Rundschrift“) beherrschen.
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:[[File:Antiqua-Fraktur-Streit-Acht-Alphabete.png|thumb|300 px|„8 Alphabete“ um 1900: Die Buchstaben S und E in lateinischer und deutscher Schrift, Druck- und Schreibschrift, Groß- und Kleinbuchstaben, einschließlich „langem&nbsp;s“ - Die Buchstaben "S" and "E" als Klein- und Großbuchstaben in a) Antiqua Druckschrift (Cardo, basiert auf Bembo) b) Antiqua Schreibschrift (Commercial Script BT) c) Kleist-Fraktur d) Deutsche Kurrentschrift (aus: Image:Deutsche Kurrentschrift.jpg). Beim S sind langes s und rundes s abgebildet.]]
:Kaiserzeit
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:In der Zeit von 1867/1871 wurde der deutsche Bundesstaat gegründet. Damals wurde vieles in Deutschland vereinheitlicht, allerdings dauerte es noch bis 1901, dass man sich beispielsweise auf eine gemeinsame deutsche Rechtschreibung einigte. In diesem Zeitraum herrschte auch die Debatte um die Schrift. Reichskanzler Otto von Bismarck etwa war erklärter Befürworter der Fraktur.
 
:Der Antiqua-Fraktur-Streit als öffentliche Debatte wurde 1881 durch Reformvorschläge des Schreibwarenherstellers Friedrich Soennecken ausgelöst, die 1885 zur Gründung des „Vereins für Altschrift“ führten („Altschrift“ als eindeutschende Bezeichnung für Antiqua). Die völkische Gegenposition vertraten der Oberkorrektor der Reichsdruckerei Adolf Reinecke und der Verleger Gustav Ruprecht, der sich mit dem Flugblatt Das Kleid der deutschen Sprache (1912) an dem Streit beteiligte und den Buchhändlerischen Frakturbund gründete. Der öffentliche Streit gipfelte 1911 in einer Reichstagsdebatte, die aber zu keiner Entscheidung führte.
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:Gesetzgebung
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:Am 4. Mai 1911 wurde die Schriftfrage ausführlich im deutschen Reichstag verhandelt. Der die Antiqua propagierende Verein für Altschrift hatte sich Mitte der 1890er Jahre an die Petitionskommission des Reichstags gewandt, um die Antiqua in den Schulen neben der Fraktur einzuführen. Nachdem dem Antrag zunächst zugestimmt worden war, entfachte Reinecke gemeinsam mit anderen nationalistischen Gruppierungen eine sehr emotional geführte öffentliche Debatte. In der Folge dieses öffentlichen Streits nahm der Reichstag den Beschluss mit 85 zu 82 Stimmen zurück. Bei der endgültigen Abstimmung am 17. Oktober 1911 stimmten 75 % der Abgeordneten gegen den Antrag. Damit blieb alles beim Alten.
 
:1911 erhielt der Grafiker Ludwig Sütterlin vom preußischen Kultusministerium den Auftrag, neue Schulausgangsschriften zu entwickeln. 1915 führte Preußen die deutsche und die lateinische „Sütterlinschrift“ in den Lehrplan ein. Bis 1935 übernahmen auch die meisten anderen deutschen Länder die beiden Sütterlinschriften.
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:Weimarer Republik
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:Während der Weimarer Republik (ab 1919) bestand die Zweischriftigkeit in Schullehrplänen und alltäglichem Schriftgebrauch weiter. Die Antiqua gewann als internationale Schrift an Bedeutung.
 
:Im Umfeld des funktionalistischen Bauhauses und des Typographen Jan Tschichold entstand in den 1920er Jahren eine Neue Typographie. Serifenlose Grotesk-Schriften gewannen an Bedeutung.
 
:In diese Zeit fielen auch zahlreiche Untersuchungen zur besseren Lesbarkeit einer dieser beiden Schriftgattungen, bei denen die Bruchschrift – entgegen den subjektiven Einschätzungen der Testteilnehmer – gegen die Antiqua gewann.
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:Nationalsozialismus
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:Die Nationalsozialisten hatten ein widersprüchliches Verhältnis zu den traditionellen gebrochenen Schriften. Auf der einen Seite forderten Studenten bei der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland „Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift“. Auf der anderen Seite verspottete Adolf Hitler in einer Rede auf einer „Kulturtagung des Parteitags der NSDAP“ am 5. September 1934 im Apollo-Theater in Nürnberg diese rückwärtsgewandte Haltung:
 
:„[...] der nationalsozialistische Staat [muss] sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen all jener Rückwärtse, die meinen, eine ‚theutsche Kunst‘ … aus der krausen Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu müssen […] Eure vermeintliche gotische Verinnerlichung paßt schlecht in das Zeitalter von Stahl und Eisen, Glas, Beton, von Frauenschönheit und Männerkraft, von hochgehobenem Haupt und trotzigem Sinn.“ (– Adolf Hitler)
 
:Die NSDAP und die nationalsozialistische Regierung selbst setzten in den 1920er und 1930er Jahren in ihrem Propagandamaterial Schriften uneinheitlich ein. Als ausschließliche Besonderheit der Nazi-Typographie lassen sich eigentlich nur das Hakenkreuz, die Siegrune (SS) und die Kombination aus Davidstern und pseudo-hebräischer Schrift beim „Judenstern“ und antisemitischer Propaganda nachweisen. Es ist umstritten, inwiefern die nach 1933 in Mode gekommenen gebrochenen Grotesken als „Nazi-Schrift“ zu werten sind.
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:Der Übergang zum alleinigen Gebrauch der Antiqua
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:Als Hitler in den Jahren 1940/41 auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen war und einen großen Teil Europas besetzt hielt, kam ein Umschwung von der Bevorzugung der Fraktur zur Vorherrschaft der Antiqua zustande, zuerst im Hinblick auf das Ausland. Joseph Goebbels gab eine neue Wochenzeitung heraus, die für die Intelligenz auch des Auslands bestimmt war: Das Reich. Diese Zeitung erschien am 15. März 1940 zum ersten Mal, gesetzt in Antiqua.
 
:Bei einer geheimen Ministerkonferenz im Propagandaministerium wurde am 27. März 1940 beschlossen, für sämtliches zur Verbreitung im Ausland bestimmte Propagandamaterial ausschließlich den dort üblichen Antiqua-Druck zu verwenden.
 
:Am 3. Januar 1941 fällte der „Führer“ Adolf Hitler seine Entscheidung. Die gotischen Schriften seien sämtlich zugunsten der „Normal-Schrift“ aufzugeben.
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:Nachkriegszeit, Deutsche Teilung und Gegenwart
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:Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 endeten die Herrschaft der Nationalsozialisten und die Rechtshoheit des Deutschen Reiches. Schriftfragen und Schullehrpläne wurden in den Besatzungszonen von den jeweiligen Besatzungsmächten geregelt. Österreich und die Tschechoslowakei waren wieder unabhängige Staaten. In den westlichen Besatzungszonen wurde das Benutzen der deutschen Schrift vielerorts durch die Alliierten untersagt, weil sie diese Schrift nicht lesen konnten.
 
:Die deutsche Kurrentschrift wurde in der Bundesrepublik ab 1954 wieder an den Schulen einiger Bundesländer als zusätzliche Ausgangsschrift gelehrt, konnte sich jedoch nicht mehr nachhaltig gegen die lateinischen Schreibschriften durchsetzen.
 
AB14
:[[File:Offenbacher Schrift, das deutsche Alphabet.jpg|thumb|300 px|Das deutsche Alphabet]]
:[[File:Offenbacher Schrift, das lateinische Alphabet.jpg|thumb|300 px|Das lateinische Alphabet]]
:Offenbacher Schrift
:---
:Die Offenbacher Schrift ist eine deutsche Schreibschrift, die 1927 von Rudolf Koch in zwei Versionen, als deutsches und als lateinisches Alphabet, entwickelt wurde. Sie wird gelegentlich als „Rudolf-Koch-Kurrent“ bezeichnet und soll nach Koch leichte Schreibbarkeit mit ästhetischer Schönheit verbinden.
 
:Diese Schrift ist im Gegensatz zur Deutschen Kurrentschrift mittenbetont und hat ein Lineaturverhältnis von 2:3:2 oder 3:4:3 (Kurrentschrift 2:1:2) bei einem Neigungswinkel von etwa 75 bis 80 Grad (Kurrentschrift 70 Grad). Sie wird am besten mit einer Breitfeder oder Bandzugfeder geschrieben, wobei die meißelförmige Schreibspitze einen Winkel von 15 bis 20 Grad zur Grundlinie bildet.
 
:Als Ausgangsschrift konnte sich die Offenbacher Schrift in den Schulen nicht durchsetzen, ab 1930 war die Sütterlinschrift in den meisten deutschen Ländern offizielle Unterrichtsschrift. Die Offenbacher Schrift wurde von Martin Hermersdorf, einem Schüler Kochs, leicht überarbeitet und von 1950 bis 1955 unter dem Namen Koch-Hermersdorf-Schrift als Zweitschrift an bayerischen Schulen verwendet.
:---
:Schriftprobe der Offenbacher Schrift
 
{|
|width="510" rowspan="9"|[[File:Offenbacher_Schriftprobe.jpg|500px]]
|width="290" align="center"|„Nur die Schrift allein
|-
| align="center"|bewahret die göttlichen Gedanken
|-
| align="center"|der weisen Männer
|-
| align="center"|und die Aussprüche der Götter,
|-
| align="center"|ja selbst alle Philosophie und Wissenschaft
|-
| align="center"|und übergibt sie
|-
| align="center"|von Jahrhundert zu Jahrhundert
|-
| align="center"|den kommenden Geschlechtern.“
|-
| align="right"|Diodorus Siculus
|}
 
AB15
:[[File:Kanzlei.max1.jpg|thumb|300 px||Kanzleischrift um 1500. Auszeichnungsschrift des Reichsregisters]]
:Deutsche Kanzleischrift
:---
:Die Deutsche Kanzleischrift (oder Kanzleikurrent) ist eine Schrift, die im deutschsprachigen Raum zwischen dem 15. Jahrhundert und dem 19. Jahrhundert für amtliche Schriftstücke und Dokumente gebräuchlich war. Sie hat starke Grundstriche und kurze Ober- und Unterlängen. Sie entstand aus der lateinischen Schrift, verfügt aber über eine hohe Schnörkeldichte.
 
== AB16 - AB20 ==
 
AB16
:[[File:Fonts-langes-s.jpg|thumb|Langes s in verschiedenen Schriften]]
:Langes s
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:Das lange s „ſ“ ist eine grafische Variante des Buchstabens „s“ oder, sprachwissenschaftlich, eine stellungsbedingte allographische Variante des Graphems „s“. Das „ſ“ ist durch seinen vertikalen Schaft charakterisiert und bildet den ersten Bestandteil der beiden Ligaturen „ſʒ“ („ſz“) und „ſs“, die als Ursprung des deutschen Buchstabens „ß“ angenommen werden.
 
:Das „ſ“ wird in den heute üblichen „runden“ Schriften (Antiqua-Schriften) normalerweise nicht mehr verwendet.
 
:In gebrochenen Schriften ist die Verwendung des „ſ“ parallel zum runden s nach historisch gewachsenen Regeln konventionalisiert. Dabei wird das „ſ“ im Deutschen für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geschrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s oder Auslaut-s gebraucht wird. Früher kam das lange s in allen romanischen ebenso wie den deutschen, englischen, niederländischen, westslawischen und den skandinavischen Schriftformen vor.
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:Bezeichnungen
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:[[File:s-beispiele.png|thumb|Verschiedene Ausführungen des langen ſ und des runden s in verschiedenen Schriften]]
 
:'''Synonyme für langes s'''
:* ''Lang-s, kleines Lang-s, Schaft-s''
:* nach der Position: ''Anlaut-s, Inlaut-s, Silbenanfang-s''
 
:'''Synonyme für rundes s'''
* ''Rund-s, kurzes s, Kurz-s, Kleinbuchstaben-s, Minuskel-s''
* nach der Position: ''Schluss-s, Auslaut-s''
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:Schriftgeschichte
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:Das runde s für das Wortende kam schon im 9. Jahrhundert in einigen Schreibschulen auf. Es breitete sich in der Folgezeit weiter aus, zunächst gerne hochgestellt, während sein Auftreten in der Wortmitte auf das 12. Jahrhundert verweist.
 
:Das Integralzeichen <math>\int</math, von Gottfried Wilhelm Leibniz eingeführt, leitet sich aus dem langen s für lateinisch ſumma (summa) ab.
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:Verschwinden des langen s im Antiquasatz:
:[[File:Langes s Beispiele.svg|thumb|300 px|Langes s im Antiquasatz]]
:[[File:Vergleich s-Schreibung in Kurrentschrift-Lateinschrift alt-Lateinschrift neu-Schreibmaschine.jpg|thumb|Vergleichende s-Schreibung, Hamburger Rechtsamt 1955. Abweichend wird in der modernen lateinischen Handschrift auch ß verwendet. Und bei Namen muss eine ſs-Kombination nicht immer von einem ß kommen.]]
 
:Die Differenzierung zwischen langem und rundem s verlor seit dem 18. Jahrhundert im Antiquasatz international an Bedeutung. Das lange s wurde in französischen Texten fast schlagartig mit der Französische Revolution unüblich. Das Pariser astronomische Jahrbuch ''Connaissance des temps'' beispielsweise benutzte das ſ bis zum Erscheinungsjahr 1792, ab 1793 aber das s, gleichzeitig änderte sich die Jahreszählung auf dem Französischen Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe.
 
:Um 1800 wurde zum ersten Mal auch deutschsprachiger Text in größeren Mengen in Antiqua gesetzt (vgl. Antiqua-Fraktur-Streit). Anfangs wurde das lange s uneinheitlich verwendet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich ein gewisser Konsens heraus. Grundsätzlich wurde im Antiquasatz ''kein'' langes s verwendet. Die einzige Ausnahme war, dass in Antiqua ''ſs'' geschrieben wurde, wo im deutschen Fraktursatz ''sz'' (Eszett, ß) geschrieben wurde. So wurde ''Wasser'' im Fraktursatz mit zwei langen s geschrieben, im Antiquasatz mit zwei runden. Dagegen wurde ''Fluss'' im damaligen Fraktursatz mit ''ß'' geschrieben, aber im Antiquasatz als ''Fluſs''. Die Schreibweise ''Fluß'' war aber auch im Antiquasatz zulässig. Der Duden von 1880 fasste die Regel so zusammen:
 
:[[File:Duden woerterbuch 1880 xiv detail s-laute.png|700 px|Regeln zum langen s im Duden, 1880]]
 
:Mit der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung von 1901 (Orthographische Konferenz von 1901) wurde statt dieser Zwischenlösung die Verwendung eines ß-Zeichens auch im Antiquasatz vorgeschrieben. Dank einer Initiative der Buchdruckerei- und Schriftgießereibesitzer von 1903 verfügten die meisten Druckereien ab 1904 über geeignete Lettern.
 
:Seitdem entsprach die Verwendung eines langen s im Antiquasatz nicht mehr der gültigen Rechtschreibung. Der in Fraktur gesetzte Duden stellte 1915 klar, dass „die mehrfach versuchte Anwendung eines langen ſ in lateinischer Schrift für das ſ in der deutschen Schrift unzulässig ist“. Die Schreibweise ſs anstelle von ß in der Antiqua war nur noch als Notbehelf zugelassen, wenn kein ß vorhanden war.
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:Das lange s im Deutschen
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:Vorteile und Nachteile
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:[[File:Wachstube.svg|thumb|250 px|Vorteil: Das ſ macht die Wortfuge bzw. die Morpheme deutlich:<br /[Wachs·tube (oben)<br />Wach·stube (unten) ]]
:[[File:München Marienklause Kapelle Gedenktafel.jpg|mini|hochkant|Nachteil: Ähnlichkeit von ſ und f (Gedenktafel an der Marienklause, München)]]
:Als Vorteil der Unterscheidung zwischen langem und rundem s in der deutschen Sprache wird angeführt, dass bei zusammengesetzten Wörtern, die im Deutschen fast immer zusammengeschrieben werden, die Wortfuge in vielen Fällen klarer erkennbar sei. Denn das (runde) s ist einerseits, weil es bei den meisten maskulinen und neutralen Substantiven den Genitiv kennzeichnet und als Fugenlaut dient, sehr oft der letzte Buchstabe des vorangehenden Wortteils; andererseits ist das (lange) s (auch in den Verbindungen sch, sp, st) einer der häufigsten Anfangsbuchstaben und damit oft der erste Buchstabe des nachfolgenden Wortteils.
 
:Wörter wie ''Haustür'', ''Häschen'' oder ''desselben'' werden dadurch leichter lesbar, und es ermöglicht Unterscheidungen, zum Beispiel:
:* ''Wachſtube'' (Wach·stu·be) und ''Wachstube'' (Wachs·tu·be)
:* ''Kreiſchen'' (Krei·schen, für Schreien) und ''Kreischen'' (Kreis·chen, für kleiner Kreis)
:* ''Verſendung'' (Ver·sen·dung) und ''Versendung'' (Vers·en·dung)
:* ''Röschenhof'' (Rös·chen·hof, von kleine Rose) und ''Röſchenhof'' (Rö·schen·hof, vom Eigennamen Röschen)
:* ''Lachſturm'' (Lach·sturm) und ''Lachsturm'' (Lachs·turm)
 
:Dies wurde im Antiqua-Fraktur-Streit als Argument benutzt, um die Überlegenheit der gebrochenen Schriften für den Satz deutscher Texte zu demonstrieren.
 
:Demgegenüber kann angeführt werden, dass das lange s leicht mit dem Buchstaben f zu verwechseln ist, insbesondere nachdem das lange s heute aus verkehrsüblichen Texten nahezu verschwunden und nicht mehr Teil der Schulausbildung ist. Zur besseren Unterscheidung von ſ und f sprach Gustav Michaelis bereits 1876 die Bitte aus, die deutschen Buchdrucker mögen gemeinsam beschließen, den „durchaus unschönen und störenden Haken“ am ſ wegfallen zu lassen; es würden dadurch sicher zahllose Korrekturen entfallen.
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:Heutige Regeln
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:[[File:Gaststätte Reichsstadt.jpg|thumb|''Gaſtſtätte Reichsſtadt'' (Esslingen am Neckar): Die traditionellen Regeln sind zwar nicht mehr vorgeschrieben, werden aber bei gebrochenen Schriften meist noch angewendet]]
 
:Als Folge der Orthographische Konferenz von 1901 sah die geltende Rechtschreibung ab Anfang des 20. Jahrhunderts eine Trennung der Anwendungsregeln des langen s für lateinische Schrift und gebrochene Schrift vor. Während in der Antiqua kein langes s mehr zu verwenden war, blieb die Unterscheidung zwischen langem und rundem s in gebrochenen Schriften erhalten.
 
:Die amtliche deutsche Rechtschreibung macht in ihrer aktuellen Fassung keine Vorgaben mehr zur Verwendung des langen s und erwähnt auch keine Sonderregeln für bestimmte Schriftstile wie etwa die gebrochenen Schriften. Demnach ist also ein genereller Verzicht auf das lange s als regelkonform anzusehen. Sollen dagegen gebrochene Schriften heute mit einer Unterscheidung von langem und rundem s gesetzt werden, erfolgt dies zumeist nach den traditionellen Regeln, wie sie sich bis in das 20. Jahrhundert entwickelt haben. Der Duden schlägt davon leicht abgewandelte Regeln vor, die im Einklang mit der neuen Rechtschreibung gewählt wurden.
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:Traditionelle Regeln:
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:Das runde s
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:[[File:Grave Franz Mendelssohn Berlin.JPG|thumb|Grabstein der Familie Mendelssohn: s beim Fugen-s,<br /> dann ſ am Silbenanfang]]
 
:Das runde „s“ kann ''nur im Silbenauslaut'' stehen (zumeist nur direkt am Silbenende als Wort- oder Teilwortschluss-s), niemals am Anfang eines kleingeschriebenen Wortes, Teilwortes oder am Silbenanfang:
 
:* als ''Wortschluss-s:''<br />z.&nbsp;B. ''das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils'' (aber: ''im Hauſe, die Häuſer, das Pilſener'')
:* am Ende von ''Vorsilben,'' als ''Fugen-s'' und in ''Zusammensetzungen'' und Komposita am Ende des ersten Teilwortes, auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt:<br />z.&nbsp;B. ''Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag, Unterſuchungs-ergebnis, Haus-tür, Dis-poſition, dis-harmoniſch, das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht.''
:* in Ableitungen mit Wortbildungssuffixen, die mit einem Mitlaut beginnen, wie -lein, -chen, -bar u.&nbsp;Ä. (nicht vor Flexionsendungen mit ''t'' und ggf. Schwa [ə]):<br />z.&nbsp;B. ''Wachs-tum, Weis-heit, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft'' (aber: ''er reiſte, das ſechſte,'' vgl. unten zur Verbindung ſt).
:* als ''Silbenauslaut-s'', ohne dass ein [Teil]wortschluss vorliegen muss (häufig auch in Eigennamen):<br />z.&nbsp;B. ''kos-miſch, brüs-kieren, Realis-mus, les-biſch, Mes-ner; Os-wald, Dres-den, Schles-wig, Os-nabrück.''<br />Hiervon gibt es Ausnahmen: siehe Lang-s weiter unten!
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:Das lange s
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:[[File:Kurz ist das Leben.png|thumb|''Kurz iſt das Leben'': Lang-s und Schluss-s, Kurrentschrift des frühen 19. Jahrhunderts. Lang-s hier aufwärts geschrieben und als ſt-Ligatur.]]
:[[File:Gaststätte-01.jpg|thumb|250 px|Oben falsch ''Gaststätte'',<br /> unten richtig ''Gaſtſtätte''<br /> (nach traditionellen Regeln)]]
 
:Das lange s steht immer dann, wenn das kurze s nicht verwendet wird:
 
:* immer im ''Silbenanlaut'' (gemeint sind Sprechsilben), also am Silbenanfang und vor dem Selbstlaut in der Silbenmitte:<br />z.&nbsp;B. ''ſauſen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, ſkandalös, Pſyche, Mi-ſanthrop'' (Sprechsilben: Mi-san-throp)<br />Genauso im Anlaut der Nachsilben -ſel, -ſal, -ſam: z.&nbsp;B. ''Rätſel, Labſal, ſeltſam.''
:* in den ''Lautverbindungen ſp und ſt'' (und seit 1901 auch ''ſz''), wenn sie nicht durch Fugen-s oder Komposition entstehen; auch vor Flexionsendungen auf -t(…):<br />z.&nbsp;B. ''Weſpe, Knoſpe, faſten, faſzinierend, Oſzillograph, Aſt, Haſt, Luſt, einſt, du ſtehſt, meiſtens, beſte, knuſpern; er reiſt, du lieſt, es paſſte [neue Rechtschr.], ſechſte, Gſtaad''
:* in ''Digraphen,'' also Buchstabenverbindungen, die ''einen'' Laut darstellen (''ſch'', in Fremdwörtern ''ſh'', auch beim doppelt dargestellten Mitlaut ''ſſ/ſs''):<br />z.&nbsp;B. ''Buſch, Eſche, Wunſch, wünſchen, Flaſh, Waſſer, Biſſen, Zeugniſſe, Faſs [neue Rechtschr.],'' aber: ''Eschatologie.''<br />Dies gilt auch bei durch Assimilation entstandenem Doppel-s: z.&nbsp;B. ''aſſimiliert, Aſſonanz.''
:* vor l, n, r, wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist:<br />z.&nbsp;B. ''unſre, Pilſner'' aber: ''Zuchthäusler, Oslo, Osnabrück.''
:* auch am Silbenende bei ''Silbentrennung'':<br />z.&nbsp;B. ''Weſpe – Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.''
:* immer vor Apostroph: ''ich laſſ’''
:* im Wort ''tranſzendieren'', tranſzendent usw. (das ſ von ''-ſzendieren'' schluckt das s der Vorsilbe ''trans'')
 
:Heutige Verwendung
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:[[File:Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1914.jpg|thumb|250 px|Historisches Beispiel für den Verzicht auf das lange s bei einer gotischen Schrift: Buchtitel von 1914]]
 
:In der Antiqua ist die Verwendung des langen s heute selten, bei gebrochenen Schriften ist sie uneinheitlich. Die Regeln zur traditionellen Verwendung des langen und runden s sind heute vielfach unbekannt und ihre Unterscheidung ist mit Computerschriften und Computerprogrammen technisch nicht ohne weiteres realisierbar. In der Folge erscheinen gebrochene Schriften immer häufiger nach Antiqua-Satzregeln und verwenden ausschließlich das runde&nbsp;s. Da in manchen Computerschriften anstelle des runden s ein langes s abgelegt ist, kann auch der umgekehrte Fall eintreten und es wird durchgängig ein langes s verwendet. Dies ist jedoch weder durch die aktuellen Antiqua-Satzregeln noch durch die traditionellen Fraktursatzregeln gerechtfertigt.
 
:Eine Reihe von Firmen haben, soweit sie für ihre Produkte Bezeichnungen in gebrochenen Schriften verwenden, das lange s in den vergangenen Jahren durch ein rundes s ersetzt, etwa Gilden-Kölsch (Bier), Ostfriesentee oder Warsteiner. Beibehalten wurde das lange s etwa von Jägermeister, wobei es beim Waidmannsspruch am Etikettenrand im Jahr 2005 ebenfalls entfernt wurde. Weitere Beispiele siehe unten: Produktnamen mit langem s.
 
:Der Typograf Friedrich Forssman bezeichnet die Anwendung des langen s bei gebrochenen Schriften als unverzichtbar, nennt jedoch eine Ausnahme: „In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachigen Anwendungen oder bei Verwechslungsgefahr in Beschriftungen.“ Forssman leitet dies nach eigenen Angaben aus der früheren Praxis ab (vgl. Bild rechts). Für eine Untergruppe andere Regeln zu verwenden als für die restlichen gebrochenen Schriftstile, ist jedoch nicht unumstritten.
 
:Die Stiftung Buchkunst zeichnete 2012 das in Schwabacher gesetzte Buch ''Morgue und andere Gedichte'' aus, das auf die Verwendung eines langen s verzichtet. In der Urteilsbegründung heißt es: „Eine Marginalie für die Dogmatiker unter den Schriftsetzern: Der Verzicht auf das lange Binnen-S der gebrochenen Schriften ist für unsere heutigen Lesegewohnheiten kein Fehler.“
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:Anwendungsbeispiele
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:Beispiele mit ſ
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:'''Langes s in gebrochenen Schriften'''
:[[File:Staedt.Kinderheim-01.jpg|thumn|Städtisches Kinderheim in Esslingen am Neckar: Deutsche Kurrentschrift mit Lang-s beim ''sch'']]
 
<gallery perrow="7">
Langes-s.jpg|Langes s in einer gebrochenen Schrift
CycleDesign Kopie.jpg|Lang-s in Textura (Bezirk Berlin-Neuköll])
Dänische Straße.jpg|Straßenschild in Kiel
</gallery>
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:'''Langes s in Antiquaschriften'''
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:[[File: Milton paradise.jpg|thumb|250 px|Bild 1]]
:Bild 1: ''Paradiſe loſt''<br /> Erstausgabe von John Miltons ''Paradise Lost'' (1667) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Andrées Weltatlas1880Legende.png|thumb|250 px|Bild 2]]
:Bild 2: Andrées Weltatlas, Bielefeld/Leipzig 1880:<br />Im Antiqua-Satz wurde im 19. Jahrhundert noch das ſ eingesetzt, um drei gleiche ''s'' aneinander zu vermeiden <br style="clear:both;" />
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:[[File:Flurkreuz bei Hohenfurch (errichtet 1953).jpg|thumb|250 px|Bild 3]]
:Bild 3: ''Gott ſegne unſere Fluren!'' Flurkreuz bei Hohenfurch (Oberbayern), errichtet 1953 <br style="clear:both;" />
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:[[File:Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (Logo).jpg|thumb|250 px|Bild 4]]
:Bild 4: ''Zeitgeſchichte'' – das Lang-s ist auch heute noch im Logo der Vierteljahreshefte <br style="clear:both;" />
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:[[File:Stuttgarter Künstlerbund 2.jpg|thumb|250 px|Bild 5]]
:Bild 5: ''Stuttgarter Künſtlerbund'' <br style="clear:both;" />
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:[[File:Der Schönhengstgau - Bild einer deutschen Sprachinsel (1962).jpg|thumb|250 px|Bild 6]]
:Bild 6: ''Der Schönhengſtgau. Bild einer Deutſchen Sprachinſel'' (1962) <br style="clear:both;" />
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:[[File:2014-09-28-Württembergische.jpg|thumb|250 px|Bild 7]]
:Bild 7: ''Württembergiſche''<br /> Schrift in Reichenbach an der Fils <br style="clear:both;" />
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:Beispiele mit ſ und s
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:'''Langes und rundes s in gebrochenen Schriften'''
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:[[File:Schedel register.jpg|thumb|Bild 8]]
:Bild 8: ''Regiſter Des buchs der Croniken und geſchichten – mit figuren und pildnüſſen von anbeginn der welt bis auf diſe unnſere Zeit''<br />(Schedel’sche Weltchronik, 1493) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Aesopnurembergchronicle.jpg|thumb|250 px|Bild 9]]
:Bild 9: ''Eſopus'' (Äsop)<br /> Gebrochene Druckschrift mit Lang- und Rund-s (Schedel’sche Weltchronik, 1493) <br style="clear:both;" />
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:[[File:UniTüLangS.jpg|thumb|250 px|thumb|250 px|Bild 10]]
:Bild 10: ''Beim Verlaſſen der Sprechʒelle iſt das Licht ʒu löſchen''<br /> (Universität Tübingen) <br style="clear:both;" />
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:'''Langes und rundes s in Antiquaschriften'''
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:[[File:95Thesen.jpg|thumb|250 px|Bild 11]]
:Bild 11: Martin Luthers 95 Thesen (Wittenberg 1522) in Antiqua <br style="clear:both;" />
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:[[File:Gedenktafel mit langem antiqua s.jpg|thumb|250 px|Bild 12]]
:Bild 12: Gedenktafel an der Salzburger Universität in Antiqua <br style="clear:both;" />
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:[[File:Messias Kapelle.jpg|thumb|250 px|Bild 13]]
:Bild 13: ''Meſſias-Kapelle'' <br style="clear:both;" />
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:Beispiele mit ſs
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:'''Deutsch'''
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:[[File:SignGrPetersgrube.JPG|thumb|250 px|Bild 14]]
:Bild 14: ''Groſse Petersgrube'' – Lübecker Straßenschild aus der 2.&nbsp;Hälfte des 19.&nbsp;Jahrhunderts in gebrochener Schrift: ſs&nbsp;als Ersatz für ß <br style="clear:both;" />
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:[[File:WaldstraßePirna.JPG|thumb|250 px|Bild 15]]
:Bild 15: Nicht falsch, weil hier das ß aus langem und rundem s durch enges Zusammenrücken erreicht werden sollte. Besser wäre jedoch die Verwendung des ß gewesen. (Pirna) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Maßatelier.jpg|thumb|250 px|Bild 16]]
:Bild 16: ''Maſsatelier'' statt ''Maßatelier'' (in Berlin, Kurfürstendamm) <br style="clear:both;" />
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:[[File:ClaßenKölnK.jpg|thumb|250 px|Bild 17]]
:Bild 17: ''Claſsen'' statt ''Claßen''<br /> (in Köln). Auch hier wird ſs für ß in lateinischer Schreibschrift verwendet. <br style="clear:both;" />
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:[[File:(Barb.01) Claßen.jpg|thumb|250 px|Bild 18]]
:Bild 18: Verwechslungsgefahr: Das ''ſ'' (Lang-s) in der lateinischen Schreibschrift (oben) und der Kleinbuchstabe ''h'' in der deutschen Kurrentschrift (unten) sehen sehr ähnlich aus. <br style="clear:both;" />
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:Beispiel mit ſʒ
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:[[File:Berliner Strassenschilder.jpg|thumb|250 px|Bild 19]]
:Bild 19: Berliner Straßenschilder: links eine ß-Ligatur aus ſ&nbsp;und ʒ (Z mit Unterschlinge) (und rechts eine tz-Ligatur aus t und ʒ). Nach einer Schrift von Herbert Thannhaeuser, 1930er Jahre. <br style="clear:both;" />
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:Beispiele für fehlerhafte Verwendung
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:Fehlerhafte Verwendung des Rund-s
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:'''Gebrochene Schriften'''
:[[File:Schmale-gasse.jpg|thumb|300 px|Bild 20]]
:Bild 20: Bei Anwendung der traditionellen Fraktursatzregeln müsste hier ''Gaſſe'' anstelle von ''Gasse'' stehen. Hier wird die Antiquasatzregel bei einer Frakturschrift angewandt. <br style="clear:both;" />
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:[[File:trausaal.jpg|thumb|300 px|Bild 21]]
:Bild 21: Kurios: Falsches Rund-s nur bei ''Trausaal'', zuvor zweimal richtiges ''ſ'' bei ''Bürgerſaal'' und ''Ratsſäle'' <br style="clear:both;" />
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:[[File:Geburtshaus Markt Papst Benedikt.jpg|thumb|300 px|Bild 22]]
:Bild 22: Gedenktafel am Geburtshaus von Papst Benedikt XVI. in Marktl mit viermal falschem Rund-s <br style="clear:both;" />
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:[[File:MainzStrSchilder.jpg|thumb|300 px|Bild 23]]
:Bild 23: Straßenschilder in Mainz: links falsch ''…aſse'' (in Antiqua ohne ''ß'' wäre dies als Ersatz für ''ß'' korrekt), rechts korrekt ''...aße'' <br style="clear:both;" />
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:[[File:Obst und Südfrüchte.jpg|thumb|300 px|Bild 24]]
:Bild 24: Unersichtlich, warum ''Obst'' mit ''s'' geschrieben wurde und nicht mit ''ſ'' wie bei ''Wurſtwaren''; ansonsten korrekte Anwendung von Lang-s und Rund-s <br style="clear:both;" />
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:[[File:2016-08-21 Dachstubchen bei Preetz.jpg|thumb|300 px|Bild 25]]
:Bild 25: Falsches Rund-s auf dem rechten Schild: Gibt es hier Dachs·tübchen, also kleine Tuben für einen Dachs? Sicher nicht. Richtig wäre Dach·ſtübchen. <br style="clear:both;" />
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:'''Antiquaschriften'''
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:[[File:Mineralwaesser.jpg|thumb|300 px|Bild 26]]
:Bild 26: ''Mineralwäſser'' statt ''Mineralwäſſer'', geschrieben in der lateinischen Schreibschrift mit ''ſ'' (Lang-s) und ''s'' (Rund-s) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Garderobe.JPG|thumb|300 px|Bild 27]]
:Bild 27: In ''ſt'' und ''ſch'' konnte sich ''ſ'' länger halten. Hier aber falsch verwendetes Rund-s am Wortanfang bei ''selbſt''. Schild mit Lang-s im Antiquasatz. <br style="clear:both;" />
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:Fehlerhafte Verwendung des Lang-s
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:[[File:Hofbräuhausladen.jpg|thumb|300 px|Bild 28]]
:Bild 28: Schrift über der Eingangstür des Andenkenladens des Hofbräuhauses in München: falsches Lang-s am Wortende (wurde im Juni 2013 übermalt, jetzt mit Rund-s, aber weiterhin ohne Bindestrich) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Fehlerhafte Verwendung Langes s Strassenschild in Freiberg Sachsen.jpg|thumb|300 px|Bild 29]]
:Bild 29: Falsches Lang-s am Silbenende (Straßenschild in Frakturschrift in Freiberg) <br style="clear:both;" />
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:[[File:Dingslebener Edel-Pils.jpg|thumb|300 px|Bild 30]]
:Bild 30: ''Dingſlebener Edel-Pils'' – richtig wäre ''Dingslebener'' mit Rund-s am Silbenende <br style="clear:both;" />
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:[[File:Kernen-im-Remstal-Tor-ins-Remstal-1.jpg|thumb|300 px|Bild 31]]
:Bild 31: Zwei falsche ſ am rechten Pfeiler:<br /> ''Tor inſ Remſtal'' statt<br /> ''Tor ins Remstal'' <br style="clear:both;" />
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:[[File:Marhof Höllerhanslkapelle langes s.jpg|thumb|300 px|Bild 32]]
:Bild 32: ''Jeſuſ'' und ''daſ''&nbsp; statt<br /> ''Jeſus'' und ''das''<br /> (Schrift auf einer Kreuzwegtafel in der Höllerhanslkapelle in Marhof, Steiermark) <br style="clear:both;" />
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:Produktnamen mit langem s
:[[File:Fuersteneck Kirschwasser.jpg|thumb|150 px|''Fürſteneck'' mit richtigem Lang-s, aber ''Kirschwasser'' statt richtig ''Kirſchwaſſer'']]
'''Mit regelkonformer Verwendung des langen&nbsp;s'''
* [https://braukon.de/referenzen/eschweger-klosterbrauerei/ Eschweger Klosterbräu]
* [https://www.bier-index.de/biere/gilde-pilsener.html Gilde Brauerei (Gilde-Pilsener)]
* [https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hasser%C3%B6der_logo.svg Hasseröder Brauerei]
* [[:File:17-03-16-Jägermeister-Miniaturen-RR7 8310.jpg|Jägermeister (Kräuterlikör)]]
* [https://www.koelschfuehrer.de/index.php?q=brauereien/kurfuersten-koelsch.html Kurfürsten Kölsch (Bier)]
 
AB17
[[File:Wachstube.svg|right|thumb|''Wachs-tube'' mit Schluss-s, ''Wach-stube'' mit „langem s“ und st-Ligatur.]]
[[File:German-Kurrent-Ss.png|thumb|Großes s, Lang-s und Schluss-s der Kurrentschrift]]
[[File:Kurz ist das Leben.png|thumb|„Kurz iſt das Leben“ Lang-s (noch in der Form ''vor'' Sütterlin) und Schluss-s in Kurrentschrift des frühen 19. Jahrhunderts]]
:Schluss-s
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:Das Schluss-s, Auslaut-s, runde s oder Ringel-s ist eine typographische Variante des Buchstabens S – oder linguistisch gesagt: Es ist eine stellungsbedingte allographische Variante des Schriftzeichens (Graphems) s. Es wird in einigen gebrochenen Schriften zur Kennzeichnung des Silbenendes (Auslaut) verwendet, während innerhalb einer Silbe (Inlaut) oder am Silbenanfang (Anlaut) ein langes s gesetzt wird.
 
:Die Theorie des Typografen Jan Tschichold, dass das Fraktur-ß auf eine ſs-Ligatur zurückgeht, hat sich seit den 1940ern weit verbreitet. Zusammen mit der Ligatur ß („SZ“, gesprochen: Eszett) würde es in den gebrochenen Schriften zwei Lettern für das s geben. In den heute üblichen Antiqua-Schriften wird das lange s normalerweise durch ein rundes s ersetzt und die Kombination beider (ſs) meist durch ein ß. Für das deutsche Eszett der gebrochenen Schriften wurde erst im 19. Jahrhundert ein Antiqua-Gegenstück entworfen. Dagegen gibt es für eine ſs-Ligatur viel ältere Belegstellen. Die genaue Beziehung des Antiqua-ß zu Eszett und ſs-Ligatur ist umstritten.
 
:Da im Deutschen das Phonem s am Wortende nie stimmhaft ausgesprochen wird, steht das Schluss-s immer für ein stimmloses („scharfes“) s (​/⁠s⁠/​). Aufgrund der graphischen Form wird das Schluss-s auch „rundes s“ genannt, im Gegensatz zum von der Form her „langen s“.
 
:In der griechischen Schrift gibt es eine ähnliche Regelung: Zu Wortbeginn oder innerhalb eines Wortes (auch am Silbenanfang!) wird σ geschrieben, am Wortende (aber nicht am Silbenende innerhalb eines Wortes) ς – hier könnte man also vom Schluss-Sigma sprechen. Beispiel: Κολοσσός Ῥόδioς Kolossós Rhódios ‚Koloss von Rhodos‘.
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:Orthographie
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:Das Schluss-s wird in folgenden Fällen verwendet:
:* am Ende eines Wortes (z.&nbsp;B. da'''s''' Hau'''s''', de'''s''' Wege'''s''')
:* in Wortzusammensetzungen vor dem sonst selbstständigen Teilwort (z.&nbsp;B. Ei'''s'''laufen, Gla'''s'''tür)
:* vor einer mit einem Konsonanten beginnenden Nachsilbe (z.&nbsp;B. Mäu'''s'''chen, Wei'''s'''heit)
:* bei den Vorsilben des oder dis (z.&nbsp;B. De'''s'''infektion, Di'''s'''tribution)
:* am Silbenende vor den Buchstaben k, m, n, w oder d (z.&nbsp;B. Dre'''s'''den, O'''s'''wald)
:* wenn ein Wort auf -sk endet (z.&nbsp;B. grote'''s'''k, brü'''s'''k)
 
:Das lange s steht dagegen in folgenden Fällen:
:* am Anfang oder im Inneren einer Silbe (z.&nbsp;B. ſonſt, Maſuren)
:* am Ende einer Silbe, wenn keine der Regelungen für das Schluss-s zutrifft (z.&nbsp;B. Waſſer, Gaſſe)
:* bei Auslassungen (z.&nbsp;B. ich laſſ')
:* bei den Lautverbindungen ſch, ſt und ſp (z.&nbsp;B. Knoſpe, löſchen)
 
 
AB18
:[[File:ß in various fonts.svg|thumb|Der Buchstabe ß in verschiedenen Schrifttypen]]
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:Das Schriftzeichen ẞ bzw. ß ist ein Buchstabe des deutschen Alphabets. Er wird als Eszett [ɛsˈt͜sɛt] oder scharfes S bezeichnet, umgangssprachlich auch als „Doppel-S“, „Buckel-S“, „Rucksack-S“, „Dreierles-S“ oder „Ringel-S“.
 
:Das ß dient zur Wiedergabe des stimmlosen s-Lautes [s]. Es ist der einzige Buchstabe des lateinischen Schriftsystems, der heutzutage ausschließlich zur Schreibung deutscher Sprachen und ihrer Dialekte verwendet wird, so in der genormten Rechtschreibung des Standarddeutschen und in einigen Rechtschreibungen des Niederdeutschen sowie in der Vergangenheit auch in einigen Schreibungen des Sorbischen.
 
:Historisch gesehen geht das ß in der deutschen Sprache auf eine Ligatur aus ſ „langes s“ (ursprünglich ein weiterer Buchstabe des deutschen Alphabets) und z zurück. Bedeutsam für die Form des ß in den heutzutage üblichen Antiqua-Schriftarten war jedoch auch eine Ligatur aus langem ſ und s, die bis ins 18. Jahrhundert auch in anderen Sprachen gebräuchlich war.
 
:Das ß wird heute ausschließlich beim Schreiben in deutscher Sprache sowie im Niederdeutschen verwendet, allerdings nicht in der Schweiz und Liechtenstein. Deutsche Muttersprachler in Belgien, Dänemark (Nordschleswig), Italien (Südtirol) und Namibia gebrauchen das „ß“ in ihren geschriebenen Texten nach den in Deutschland und Österreich geltenden Rechtschreibregeln. Ebenso wird in Luxemburg verfahren.
 
:Das ß dient überdies in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten als Abkürzung für die Währung Schilling und „ßo“ steht für das Zählmaß Schock.
 
:Seit dem 29. Juni 2017 ist das große ß – ẞ – Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung. Über seine Aufnahme in das deutsche Alphabet wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert.
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:Entstehungsgeschichte
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:[[File:Sz-ligatur-deutsche-kurrent.png|thumb|Langes s, z und ß in ''Deutscher Kurrentschrift'' (1866)]]
:Entstehung des ß in der deutschen Sprache
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:Im Zuge der Zweiten Lautverschiebung im 7. und 8. Jahrhundert waren aus germanischem ​/⁠t⁠/​ und /tː/ zwei verschiedene Laute entstanden – ein Frikativ und eine Affrikate –, die zunächst beide mit zz wiedergegeben wurden. Zur besseren Unterscheidung gab es seit dem Althochdeutschen Schreibungen wie sz für den Frikativ und tz für die Affrikate.
 
:Der mit ss geschriebene Laut, der auf ein ererbtes germanisches /s/ zurückgeht, unterschied sich von dem mit sz geschriebenen; das ss wurde als stimmloser alveolo-palataler Frikativ ​[⁠ɕ⁠]​ ausgesprochen, das sz hingegen als stimmloser alveolarer Frikativ [s]. Auch als diese zwei Laute zusammenfielen, behielt man beide Schreibungen bei. Man brachte sie aber durcheinander, weil niemand mehr wusste, wo ursprünglich ein sz gestanden hatte und wo ein ss.
 
:Bei der Einführung des Buchdrucks im späten 15. Jahrhundert wurden Druckschriften aus den damals geläufigen gebrochenen Schriften geschaffen. Dabei wurde für die häufig auftretende Buchstabenkombination aus langem ſ und z mit Unterschlinge („ſʒ“) eine Ligatur-Letter geschnitten. Diese Ligatur behielt man auch bei später eingeführten Druckschriften wie der Fraktur bei.
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:[[File:Szlig.svg|thumb|180 px|Das „ß“ als „ſs“-Ligatur in einer Antiqua-Schrift sowie als „ſz“-Ligatur in Textura- und Fraktur-Schrift.]]
:Das ß in der Antiqua
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:In einigen der ab dem 15. Jahrhundert entstehenden Antiquaschriften ist es eine Ligatur von langem ſ und rundem s. Für das deutsche Eszett der gebrochenen Schriften wurde erst im 19. Jahrhundert ein Antiqua-Gegenstück entworfen. Dagegen gibt es für eine ſs-Ligatur viel ältere Belegstellen. Die genaue Beziehung des Antiqua-ß zu Eszett und ſs-Ligatur ist umstritten.
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:Die ſs-Ligatur in der Antiqua
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:Wie schon die Antiqua selbst, entstand in Italien eigenständig eine kursive Ligatur aus langem ſ und rundem s, lange bevor das lange ſ im Laufe des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch geriet. Die beiden Buchstaben wurden mit einem losen Bogen verbunden; dies war eine rein kalligrafische und typografische Variation ohne orthografische Funktion. Sie erscheint sowohl in Handschriften als auch im Druck bis Ende des 17. Jahrhunderts als eine Alternative für ſſ bzw. ss im Wortinneren. Die kursive Ligatur erscheint vor allem in Werken in lateinischer, italienischer und französischer Sprache.
 
:Die ß-Ligatur in der Antiqua findet sich erstmals bei einer um das Jahr 1515 entstandenen Schrift von Lodovico Vicentino degli Arrighi. Er nimmt sie auch 1522 in sein Kalligrafielehrbuch La Operina auf. In der „lateinischen“ Alltagsschrift des 17. und 18. Jahrhunderts erscheint in Frankreich, England und eingeschränkt in Deutschland als Äquivalent zu ß die Ligaturform ſs, wobei das lange s die Schleifen erhielt. Im Druck lässt sich die kursive ß-Ligatur bis auf einige Seiten (f. 299v.–302v.) einer Livius-Ausgabe aus dem Jahre 1518 zurückverfolgen, wo sie in freier Variation zur ſſ-Ligatur steht, die auch im restlichen Werk exklusiv vorkommt. Die Ausgabe trägt das Zeichen von Aldus Manutius, erschien aber drei Jahre nach seinem Tod als Gemeinschaftsarbeit nach seiner Grundidee.
 
:Im Jahre 1521 erschien in Basel eine deutsche Übersetzung (Leonis Judae) von Enchiridion militis Christiani von Erasmus von Rotterdam. Sie ist in einer Kursiv-Antiqua mit ß-Ligaturen gedruckt, wobei diese sich in Wortformen wie wyßheit, böß und schloß findet.
 
:Bis weit in das 17. Jahrhundert hinein gehört es zu den typografischen Satzkonventionen in Italien, Frankreich und etwas weniger in Deutschland, vor allem in lateinischen, aber auch teilweise in italienischen und französischen Werken bei Antiquakursivsatz, die ß-Ligatur zu verwenden. Sie kommt auch auf einigen Titelblättern von um 1620 gedruckten Werken von Johannes Kepler vor.
 
:Erst mit zunehmendem Druck deutscher Texte in Antiqua im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert erhielten auch gerade Antiquaschriften eine ß-Ligatur, die je nach orthografischer Konvention alternierend zu ſs- oder ss-Sequenzen verwendet wurde. Davor gab es vereinzelte Vorkommen dieser Typen.
 
:Als die Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1941 die Fraktur und sonstige gebrochene Schriften abschafften und die Antiqua als „Normal-Schrift“ einführten, wurde von den zuständigen Ministerien auch eine Abschaffung des ß in Antiqua beschlossen, da der Buchstabe im Ausland unbekannt und selten in Antiqua-Schriften vorhanden war. Hitler intervenierte aber. Aus einem Schreiben des Reichsministers der Reichskanzlei: „Der Führer hat sich für eine Beibehaltung des „ß“ in der Normalschrift entschieden. Er hat sich aber gegen die Schaffung eines großen „ß“ ausgesprochen. Bei der Verwendung großer Buchstaben soll das „ß“ vielmehr als „SS“ geschrieben werden.“
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:Die deutsche Ersatzschreibung in Antiqua
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:Antiquasatz
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:In deutschem Antiquasatz wurde normalerweise bis ins 19. Jahrhundert an Stelle von ß entweder einfaches ss oder die Buchstabenfolge ſs (keine Ligatur) verwendet. Daneben traten nur selten die Sulzbacher Form des ß auf und – besonders in der von den Brüdern Grimm propagierten historischen Schreibweise – das sz. Die Verwendung von ſs erfolgte weiterhin, auch nachdem im Antiquasatz das gewöhnliche ſ im späten 18. Jahrhundert unüblich geworden war. Die Empfehlung der Orthographischen Konferenz von 1876 bestand darin, dass im Antiquasatz die Buchstabenfolge ſs verwendet werden sollte.
 
:Das eigentliche ß im Antiquasatz kam erst im späten 19. Jahrhundert auf und ist dann mit der Orthographischen Konferenz von 1901 zur amtlichen Norm erhoben worden.
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:[[File:(Barb.01) Claßen.jpg|thumb|'''Claßen''' (oben) in ''' ''lateinischer Schreibschrift'' ''' durch '''ſs''' wiedergegeben und als Gegenüberstellung '''Clahsen''' (unten) in der ''spitzen Kurrentschrift''. Man sieht die ''Ähnlichkeit'' und damit die Verwechslungsgefahr des '''ſ''' ''(langen-s)'' der ''' ''lateinischen Schreibschrift'' '''mit dem kleinen '''h''', wie es in derselben Form in der ''spitzen Kurrentschrift'' verwendet wird.]]
:Lateinische Schreibschrift
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:Auch in lateinischer Schreibschrift (Kursive) wurde ß bis Ende des 19. Jahrhunderts gerne durch ſs wiedergegeben. Da das Lang-ſ der Kursive grafisch mit dem h der Kurrentschrift übereinstimmte, wurde die ſs-Gruppe der lateinischen Schreibschrift oft als hs missgedeutet, was sich in ungewöhnlichen Schreibweisen von Familiennamen niedergeschlagen hat, beispielsweise „Grohs“ statt „Groß“, „Ziegenfuhs“ statt „Ziegenfuß“, oder „Rohs“ statt „Roß“ (siehe dazu auch rechts das Bild: „Claßen in lateinischer Schreibschrift“).
 
:Namensschreibungen wie die Variante Weiſs blieben aus juristischen Gründen auch nach 1901 in dieser Form erhalten und wurden durch keine Regel orthografisch angepasst. Im Deutschland der Zwischenkriegszeit waren alleine im standesamtlichen Bereich Schreibmaschinen in Verwendung, die ſs als Sondertype enthielten.
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:Das deutsche Eszett in der Antiqua
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:Als im späten 18. und im 19. Jahrhundert deutsche Texte vermehrt in Antiqua gesetzt wurden statt in der allgemein üblichen gebrochenen Schrift, suchte man eine Antiqua-Entsprechung für das Eszett der gebrochenen Schrift. Die Brüder Grimm benutzten in der „Deutschen Grammatik 1. Band“ im Jahr 1819 noch die Fraktur, 1826 allerdings die Walbaum-Antiqua. In späteren Werken wollten sie dann das Eszett durch eine eigene Form des Buchstabens ersetzen, setzen aber schließlich sz in Ermangelung des ihnen vorschwebenden Druckbuchstabens.
 
:Der Duden von 1880 empfiehlt, das Eszett in Antiqua durch ſs zu ersetzen, lässt aber ausdrücklich auch einen ß-artigen Buchstaben zu. Blei-Antiquaschriften wurden üblicherweise ohne ß ausgeliefert, so dass deutsche Texte aus dieser Zeit in Schweizer Satz erscheinen. Die Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung von 1901 schrieb auch im Antiqua-Satz den Buchstaben ß vor. Schriftgießereien wurden verpflichtet, künftig bei Antiqua-Schriften ein ß mitzuliefern bzw. ein solches für Bestandsschriften nachzugießen.
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:[[File:Sz modern.svg|thumb|Glyphenvarianten des ''ß'']]
:Buchstabenform
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:Für die Form der Glyphe eines Antiqua-Eszett gab es verschiedene schriftgestalterische Ansätze. Erst im Anschluss an die I. Orthographische Konferenz von 1876 gab es erfolgreiche Bemühungen um eine einheitliche Form. 1879 veröffentlichte das Journal für die Buchdruckerkunst eine Tafel mit Entwürfen. Ein Ausschuss der Leipziger Typographischen Gesellschaft entschied sich für die sogenannte Sulzbacher Form.
 
:1903, nach der Entscheidung für eine einheitliche Rechtschreibung, erkannte eine Kommission von Buchdruckerei- und Schriftgießereibesitzern die Sulzbacher Form an. In einer Bekanntmachung in der Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker beschreiben sie die charakteristischen Merkmale dieser sz-Form: „Das sogenannte lange Antiqua-ſ wird oben mit einem z verbunden, im Kopfe eingebogen und läuft im unteren Bogen in eine feine oder halbstarke Linie oder in einen Punkt aus.“
 
:Die Sulzbacher Form wurde und wird aber nicht von allen Typographen akzeptiert. Etwa vier Grundformen finden größere Verbreitung:
 
:1.) Einzelbuchstaben „ſ“ und „s“ sind eng zusammengerückt
:2.) Ligatur aus „ſ“ und „s“
:3. Ligatur aus „ſ“ und z mit Unterschlinge („ʒ“)
:4.) Sulzbacher Form
 
:Heutzutage sind die meisten ß in Antiquaschriften entweder nach 2. oder nach 4. geformt, doch bisweilen findet sich auch eines nach 3., etwa auf Straßennamenschildern in Berlin und Bonn. Die Variante nach 1. wird selten verwendet.
 
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WaldstraßePirna.JPG|''Form 1: ''Langes und rundes ''s'' für ''ß'' in Pirna (wie&nbsp;¹)
ClaßenKölnK.jpg|''Form 1'': ''Claßen'' in lateinischer Schreibschrift als ''Claſsen'' geschrieben, heute als historisches Firmenlogo, Köln Juli 2005
MainzStrSchilder.jpg|''Form 1 (links): ''Langes und rundes ''s'' für ''ß'' in „‑straſse“ und<br />''Form 3 (rechts):'' ß-Ligatur aus ''ſ'' und ''ʒ'' in „‑straße“ auf emaillierten Straßenschildern in Mainz
Palatino1540.JPG|''Form 2:'' Italienisches Schriftmuster von 1540:<br />Im Alphabet Ligatur aus langem und kurzem s,<br />im Titel aber „Esſempio“, Kurz-s-Lang-s
Gruesse-Schneidler-Legende.png|''Form 2:'' Schrift „Legende“ von Friedrich Hermann Ernst Schneidler
Lang-s-Rund-s Blaeu.gif|Recklinckhuſen, Dorſten, Eßen. Blaeu-Atlas, Mitte 17. Jahrhunderts
Berliner Strassenschilder.jpg|''Form 3:'' Berliner Straßenschilder:<br />ß-Ligatur aus ''ſ'' und ''ʒ''. Und ''tz''-Ligatur aus ''t'' und ''ʒ'' nach einer Schrift von Herbert Thannhaeuser, 1930er Jahre.
Strasse-FF-Cst-Berlin.png|''Form 3:'' Schrift ''FF Cst Berlin''<br />in Anlehnung an Herbert Thannhaeuser
ß from Hieronymi Aleandri Mottensis Tabulae utilißimae, Köln 1541.png|''Form 4:'' Hieronymus Aleander Mottensis, ''Tabulae utilißimae'', Köln 1541
ß in Arial + Helvetica.png|Arial mehr ſs (wie Form 2),<br />Helvetica (Schriftart) mehr ſʒ
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:Rechtschreibung
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:Das ß dient der Wiedergabe des stimmlosen s-Lautes, der Fortis ​[⁠s⁠]​, dessen Darstellung durch s, ß und ss sich mit der Zeit gewandelt hat, zuletzt mit der Rechtschreibreform von 1996.
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:Konzepte der s-Schreibung
:Die Handhabung des ß gemäß den Regeln der Rechtschreibreform von 1996 folgt der sogenannten Heyseschen s-Schreibung, die von Johann Christian August Heyse im Jahr 1829 formuliert wurde.Von 1879 an galt sie in Österreich, bis sie im Rahmen der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung durch die Orthographische Konferenz von 1901 für Schulen und Ämter in deutschsprachigen Staaten ungültig wurde. Stattdessen galt ab dann die Adelungsche s-Schreibung des Orthographen Johann Christoph Adelung. Mit der Rechtschreibreform von 1996 wurde die Heysesche s-Schreibung in Österreich wiedereingeführt.
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:Heutige Rechtschreibregeln
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:Gemäß den Regeln der Rechtschreibreform von 1996 schreibt man ''ß'' für den stimmlosen s-Laut:
:* nach einem betonten langen Vokal: ''Straße, aßen, aß, Buße, grüßt;''
:* nach einem (gleichermaßen als lang geltenden) Doppelvokal (Diphthong): ''heißen, außen.''
 
:Man schreibt aber ''s,'' wenn im Wortstamm ein Konsonant folgt:
:* ''Trost, Faust, räuspern, geistig.''
:Beim Vorliegen einer Auslautverhärtung schreibt man ebenfalls ''s,'' wenn der s-Laut in verwandten Wortformen stimmhaft ist:
:* ''(ich) nieste'' ''(niesen)''; ''Gras'' ''(Gräser)''; ''löslich'' ''(lösen)''; ''Aas'' ''(des Aases)''.
:In der Schweiz und in Liechtenstein schreibt man statt ''ß'' immer ''ss.''
 
:Ausnahmen und Sonderfälle:
:* Eigennamen: Personen- und Ortsnamen werden von den obigen Regeln nicht berührt. So schreibt man weiterhin Theodor ''Heu'''ss''''' (trotz des Diphthongs) oder umgekehrt ''Schü'''ß'''ler''-Salze, ''Litfa'''ß'''säule'' und ''Kö'''ß'''larn'' (trotz des kurzen Vokals).
:* Verschiedene Aussprachen schlagen sich in verschiedenen Schreibungen nieder: Sowohl ''Lö'''ss'''boden'' als auch ''Lö'''ß'''boden'' ist korrekt, da das ''ö'' kurz oder lang sein kann. Sodann schreibt man in Österreich ''Gescho'''ß''''' statt ''Gescho'''ss''','' da dort das ''o'' lang ist; Ähnliches gilt für ''Spa'''ss''''' als aussprachebedingte Variante von ''Spa'''ß'''''.
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:Rechtschreibregeln von 1901 bis 1996
:Nach den von 1901 bis 1996 gültigen Regeln schrieb man ß in denselben Fällen wie heute; zusätzlich stand ß statt ss am Wortende (auch in Zusammensetzungen): Kuß, kußecht, Paß, Paßbild sowie am Wortstammende, wenn ein Konsonant folgte: (du) mußt, (es) paßt, wäßrig, unvergeßne, Rößl.
 
:In der Adelung'schen s-Schreibung richtet sich somit die Verteilung von ß und ss teils nach graphotaktischen Kriterien (Berücksichtigung der graphischen Umgebung: Wortende, Wortfuge oder folgender Konsonantenbuchstabe) und teils nach dem Kriterium der Aussprache (Berücksichtigung der Länge des vorangehenden Vokals). Wenn der s-Laut ambisyllabisch ist, steht ss.
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:In der Schweiz und in Liechtenstein
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:Anstelle von ß wird in der Schweiz und in Liechtenstein immer ss geschrieben. In diesen Ländern steht ss – im Gegensatz zu anderen Doppelkonsonantenbuchstaben – nicht nur nach Kurz-, sondern auch nach Langvokalen und Diphthongen. Wie bei anderen Digraphen (z.&nbsp;B. ch) ist die Länge oder Kürze des vorangehenden Vokals nicht erkennbar (Masse steht sowohl für Maße wie für Masse, Busse steht sowohl für Buße wie für Busse; vgl. hoch und Hochzeit, Weg und weg). Dem steht entgegen, dass in einer schweizerischen Aussprache solcher Wörter tatsächlich ein verdoppeltes s gesprochen wird, d. h. zwei [s]-Laute, die zu verschiedenen Silben gehören.
 
:Die frühen Antiquadrucke kannten in der Schweiz wie auch in Deutschland kein ß. Im Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft fehlte nach der Umstellung von Fraktur auf Antiqua 1873 das ß zuerst, wurde aber bald darauf eingeführt, doch schon 1906 wieder aufgegeben. Der Beschluss der Zweiten Orthographischen Konferenz von 1901, ß auch für die Antiqua zwingend vorzuschreiben, fand in der Schweiz keine durchgängige Beachtung. In der Folge beschloss die Erziehungsdirektion (Kultusministerium) des Kantons Zürich in den Dreißigerjahren, das ß vom 1. Januar 1938 an in den kantonalen Volksschulen nicht mehr zu lehren; die anderen Kantone folgten. Als letzte schweizerische Tageszeitung entschied die Neue Zürcher Zeitung, die am 1. August 1946 von Fraktur auf Antiqua umgestellt hatte, ab dem 4. November 1974 auf das ß zu verzichten. Mit der Reform von 2006 wurde es auch offiziell für den amtlichen Schriftverkehr abgeschafft. Schweizer Verlage, die für den gesamten deutschsprachigen Markt produzieren, verwenden das ß jedoch weiterhin.
 
:In der Schweiz war es in der Antiqua seit jeher üblich, ss in s-s aufzutrennen, auch wenn es für ein ß steht. Beispielsweise wird das Wort Strasse (für Straße) in Stras-se (für Stra-ße) getrennt. Diese schweizerische Trennung wurde mit der Rechtschreibreform von 1996 als allgemeine Regel übernommen (§ 108 (1996) bzw. § 110 (2006)).
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:[[File:Eszett-Schreibungen.png|thumb|Kleinschrift mit ß, Ersetzung durch ss (nur zulässig, wenn kein ß vorhanden, oder in der Schweiz und Liechtenstein), Kapitälchen mit SS, Kapitälchen mit ß, Kapitälchen mit großen ß (ẞ).]]
:Ersatzformen
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:Im deutschen Satz:
:Heute darf nach der deutschen Rechtschreibung im Satz das ß nur dann durch ss wiedergegeben werden, wenn in einer Schrift oder einem Zeichensatz das ß nicht vorhanden ist. Manuskripte ohne ß müssen deshalb den Regeln entsprechend umgesetzt werden. In der Schweiz und in Liechtenstein kann das ß immer durch ss wiedergegeben werden.
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:Im fremdsprachigen Satz:
:Wenn ein deutsches Wort mit ß latinisiert wird oder wenn ein deutscher Name mit ß im fremdsprachigen Satz erscheint, bleibt das ß erhalten, z.&nbsp;B. Madame Aßmann était à Paris.
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:[[File:Capital ß.svg|thumb|120 px|ẞ]]
:Großschreibweise
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:Es gab jahrhundertelang keine Großbuchstabenform des Buchstabens ß. Da das ß im Hochdeutschen nicht an einem Wortanfang stehen kann, wird ein solcher Großbuchstabe (Versal) ß im Hochdeutschen nur bei durchgängiger Großschreibung (Versalschrift) benötigt. Als Ersatz entstanden zunächst folgende orthographisch zulässigen Lösungsmöglichkeiten:
:* den Ersatz des ß durch SS (Regelfall)
:* die Verwendung des kleinen ß inmitten eines in Großbuchstaben geschriebenen Wortes (in Ausnahmefällen wie amtlichen Dokumenten)
:* den Ersatz des ß durch SZ (in Ausnahmefällen, bis 1996)
 
:Heute gibt es die weitere Option:
:* das (große) ẞ
 
:Seit dem 29. Juni 2017 ist das große ß (ẞ) offiziell Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung. Damit ist seither zum Beispiel die Schreibweise STRAẞE gleichberechtigt neben der Schreibweise STRASSE zulässig.
 
:Über Computer kann der Großbuchstabe ẞ meist durch Verwendung bestimmter Tastenkombinationen (je nach Tastatur/Computersystem unterschiedlich) eingegeben werden; Details siehe Hauptartikel.
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:Besonderheiten der Verwendung
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:Alphabetische Sortierung:
:In der alphabetischen Sortierung (DIN 5007) wird das ß wie ss behandelt. Bei Wörtern, die sich nur durch ss bzw. ß unterscheiden, kommt das Wort mit ss zuerst, z.&nbsp;B. Masse vor Maße (DIN 5007, Abschnitt 6.1); der Duden weicht in dieser Hinsicht von der Norm ab: hier kommt das Wort mit ß zuerst.
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:In Dokumenten:
:Personen mit ß im Familiennamen haben häufig Probleme, da viele elektronische Systeme ß nicht verarbeiten können und man auf die Umschreibung ss ausweichen muss. Gerade in Personalausweisen und Reisepässen ist der Name dann in zweierlei Weise geschrieben, einmal richtig mit ß und in der maschinenlesbaren Zone (MRZ) mit Umschrift als ss, was besonders im Ausland für Verwirrung und Verdacht auf Dokumentenfälschung sorgt. Österreichische Ausweisdokumente können (müssen aber nicht) eine Erklärung der deutschen Sonderzeichen (auf Deutsch, Englisch und Französisch) beinhalten.
 
:Es wird empfohlen, für Flugtickets, Visa usw. exakt die in der MRZ gebrauchte Schreibweise zu verwenden und sich im Zweifelsfall auf diese zu berufen.
 
:Das deutsche Namensrecht (Nr. 38 NamÄndVwV) erkennt darüber hinaus Sonderzeichen im Familiennamen als Grund für eine Namensänderung an (auch eine bloße Änderung der Schreibweise, z.&nbsp;B. von Weiß zu Weiss, gilt als solche). Am 1. Oktober 1980 stellte das Bundesverwaltungsgericht noch einmal fest, dass die technisch bedingte fehlerhafte Wiedergabe von Sonderzeichen auf elektronischen Systemen ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens sein kann (der Kläger wollte die Schreibweise seines Namens von Götz in Goetz ändern, war aber damit zunächst beim Standesamt gescheitert; Aktenzeichen: 7 C 21/78).
 
:Schon vor Einführung des großen ẞ wurde empfohlen, ß bei Familiennamen in Dokumenten aus Gründen der Eindeutigkeit auch als Großbuchstaben zu benutzen (z.&nbsp;B. HEINZ GROßE).
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:[[File:MiBverständnis.JPG|thumb|Missverständnis bei der Wiedergabe des ß in Frankreich]]
:Im fremdsprachigen Raum:
:Wegen seiner optischen Ähnlichkeit zum ß und dem Fehlen auf der dort verwendeten Tastatur wird im Ausland manchmal fälschlicherweise der Großbuchstabe B als Ersatz verwendet, was für den deutschsprachigen Leser befremdlich wirkt.
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:Englischsprachiger Raum:
:Im englischsprachigen Raum, in dessen Alphabet der Buchstabe nicht vorkommt, wird das ß bei manchen wegen seiner Form umgangssprachlich als German B (deutsches B) bezeichnet. Deshalb wird das „ß“ auch von den meisten Englischsprechenden als „B“ gelesen, z.&nbsp;B. die Bezeichnung „Weißer“ als „Weiber“. So kommt es auch vor, dass das „ß“ einfach als „b“ wiedergegeben wird; zum Beispiel „Sesamstrabe“ in einem britischen Satelliten-TV-Programmheft, das auch das Programm deutscher Sender listet. Gelegentlich wird das ß auch mit dem griechischen Buchstaben β (beta) verwechselt.
 
:Die korrekte Bezeichnung im Englischen lautet Sharp S oder Eszett wie im Deutschen.
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:Ungarisch:
:In leichter Abwandlung der deutsch-österreichischen Tradition wird das scharfe /s/ im Ungarischen als <sz> geschrieben.
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:Ersetzung und ähnliche Zeichen
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:Kann das Zeichen „ß“ nicht dargestellt werden, weil es in der verwendeten Schriftart oder dem Zeichensatz fehlt, so sollte es durch „ss“ ersetzt werden (aus „Straße“ wird „Strasse“). In den (behördlichen) Fernschreiben wurde das „ß“ bis in das frühe 21. Jahrhundert durch „sz“ ersetzt. Dies war unter anderem bei Familiennamen wichtig („Straßer“ wurde im Text zu „Straszer“). Im Fernschreibverkehr und bei Schreibmaschinen ohne ß-Letter wurde das „ß“ durch „:s“ ersetzt, um zwischen Familiennamen wie etwa Strasser, Straszer und Straßer zu unterscheiden. Die Ersetzung durch „β“ (Beta) oder „B“ ist nicht mehr üblich.
 
:Da nahezu alle modernen Computersysteme und -schriften auf Unicode basieren, kann das Eszett heutzutage theoretisch weltweit dargestellt, verarbeitet, übertragen und archiviert werden. Eine Ersetzung aus technischen Gründen ist deshalb nur noch selten nötig. Auch wenn auf der verwendeten Tastatur das Zeichen nicht aufgedruckt ist, kann es meistens über eine entsprechende Tastenkombination des Betriebssystems oder des jeweiligen Texteditors eingefügt werden
 
 
AB19
:[[File:Garamond type ſi-ligature.jpg|thumb|Bleiletter und Druckbild einer ſi-Ligatur (langes s, i) in 12p Garamond]]
:[[File:Holzlettern mit Ligaturen-8895.jpg|thumb|Holzlettern mit Ligaturen (von rechts nach links) '''fi''', '''ff''', '''ft''', '''fl''' in 25&nbsp;Cicero = 300&nbsp;Punkt = 112,8&nbsp;mm]]
:Ligatur
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:Eine Ligatur (auch Buchstabenverbund, mittellateinisch ligatura „Verbindung“, nach lateinisch ligatur (3. Pers. Singular, Präsens Passiv) „es ist verbunden“, von ligare – „binden, verbinden“) bezeichnet in der Typografie die Verschmelzung zweier oder mehrerer Buchstaben einer Satzschrift zu einer Glyphe. Auch in handschriftlichen Kurrentschriften kommen Ligaturen vor. Dort entstanden diese entweder durch schnelle Schreibweise häufig genutzter Zeichenkombinationen oder zur optischen Korrektur.
 
:Im Satz werden Ligaturen heute vor allem verwendet, wenn zwei Buchstaben mit Oberlängen (z.&nbsp;B. f, i, l, t) aufeinander folgen, da ohne Ligatur eine Lücke zwischen den Buchstaben entstehen würde oder es bei Anwendung der Unterschneidung zu unschönen Verbindungen der Oberlängen käme. Im Bleisatz sind Ligaturen zur Ermöglichung von Unterschneidungen zwingend nötig. Menge, Art und Gebrauch der Ligaturen unterscheiden sich je nach Sprache und Schriftsystem.
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:[[File:Ligatures.svg|thumb|Ligaturen in einer Antiqua-Schrift mit langem Binnen-s (das seit seinem Verschwinden aus der Antiqua um 1800 üblicherweise nur in Fraktur-Schriften verwendet wird)]]
:Zeichensatz
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:Ligaturen vermeiden optische Lücken, die das Erscheinungsbild und die Lesbarkeit eines Texts stören. Sie werden vor allem im professionellen Satz verwendet, wurden aber aus zeitlichen und ökonomischen Gründen besonders im Zeitungssatz weggelassen. Ligaturen werden vor allem nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet und nicht nur durch einfache Verringerung der Laufweite gebildet (siehe Abbildungen).
 
:In deutschsprachigen Texten sind die Ligaturen ff, fi, fl, ft sowie deren Kombinationen (ffi, ffl und so weiter) geläufig, weniger üblich sind Ligaturen etwa von fk, fj, fh, fb, fz, ll, st, ch, ck, ct, th, tt, tz, kk, Qu, ſi, ſſ, ſt, ſch. Je nach Schriftart sind diese zudem selten Ligaturen im engeren Sinne, da die einzelnen Buchstaben nur zur Unterschneidung näher aneinander gerückt sind, aber keine tatsächliche Verbindung eingehen. Die Anzahl der Ligaturen ist bei verschiedenen Schriftarten unterschiedlich.
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:Anwendung im Deutschen:
:Im Deutschen werden Ligaturen nur gesetzt, wenn die zu verbindenden Buchstaben im gleichen Morphem liegen, beispielsweise im Wortstamm. Ligaturen werden in der Regel nicht gesetzt, wenn die Buchstaben über eine grammatikalische Fuge (z.&nbsp;B. eine Wortfuge) reichen. „Kaufläche“ (Kau-fläche) wird daher mit fl-Ligatur geschrieben; „Kauf‌leute“ hingegen nicht, weil die Buchstaben f und l verschiedenen Wortteilen (Kauf-leute) angehören. Eine Ausnahme bilden Nachsilben, die mit i beginnen (-ig, -in, -ich, -isch). Hier werden auch über die grammatikalische Fuge hinweg Ligaturen gesetzt. So wird beispielsweise „häufig“ trotz der Fuge (häuf-ig) mit fi-Ligatur geschrieben. Im Zweifel wird der Gliederung des Wortes nach Sprechsilben gefolgt und entsprechend die Ligatur gesetzt.
:Die Anwendung von Ligaturen ist nicht verbindlich geregelt, generell folgt man dem Grundsatz: Getrennt gesprochene Buchstaben werden nicht in Ligatur gesetzt.
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:[[File:LaTeX ligature Computer Modern.png|thumb|190 px|oben: automatische, falsche fl-Ligatur („Kau·fleu·te“ oder „Kaufl·eu·te“).<br />unten: korrekt ohne Ligatur („Kauf·leu·te“) ]]
:Bleisatz:
:Die Verwendung von Ligaturen hat im Bleisatz neben den ästhetischen auch technische Gründe. Ohne Ligaturen hätte man beim Buchstaben f nur die Wahl, ihn bündig auf den Kegel zu stellen, was ein den Lesefluss störendes ‚Loch‘ im Satzbild zur Folge hätte, oder ihn rechts frei über den Kegel hinausgehenzulassen, damit er zum Teil über den Kegel des nachfolgenden Buchstabens rage. Der so freigestellte Teil des f würde jedoch ohne den schützenden Kegel leicht abbrechen. Aus diesem Grund werden die betreffenden Kombinationen direkt zusammen auf einen Kegel gegossen
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:Computersatz:
:Der Computersatz erlaubt heute eine fast beliebige Positionierung der Buchstaben. Deshalb ist es möglich, den Abstand zwischen zwei Zeichen einzustellen und in vielen Fällen auf Ligaturen zu verzichten. Viele Schriftarten bieten spezielle Ligaturen an. Andere Ligaturen werden durch entsprechende Positionierung der typografischen Zeichen emuliert. Die ß-Ligatur wird als ein Buchstabe behandelt und standardmäßig verwendet.
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:[[File:Fraktur-Zwangsligaturen.svg|thumb|Zwangsligaturen ''ch'', ''ck'', ''ſt'', ''tz'' bleiben im gesperrten Satz erhalten.]]
:Fraktursatz
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:Im deutschsprachigen Fraktursatz gibt es eine Reihe von Ligaturen. Auch im Fraktursatz gilt in jedem Fall die Regel, dass eine Ligatur nicht über eine Wortfuge hinweg gesetzt werden darf (Beispiel: Ta-tz-e = tz-Ligatur, aber Lu-ft-z-ug = ft-Ligatur + z). Dies betrifft auch Familiennamen slawischer Herkunft auf -cky (z.&nbsp;B. Ranicky), die – entsprechend der getrennten Aussprache – nicht mit ck-Ligatur, sondern getrennten Lettern c und k geschrieben werden.
 
:Im Sperrsatz werden die Ligaturen ch, ck, ſt und tz nicht gesperrt. Alle anderen üblichen Ligaturen (ff, fi, fl, ft, ll, ſi, ſſ, ſt, tt, seit Anfang des 20. Jahrhunderts auch ſch) werden gesperrt, also im Sperrsatz in Einzelbuchstaben aufgelöst. Bei ſt bestehe auch die Möglichkeit, dass es im Sperrsatz zwar nicht gesperrt, aber trotzdem aufgelöst werde. Das ß wurde schon im 19. Jahrhundert nicht mehr als Ligatur, sondern als Einzelbuchstabe begriffen und folglich auch nicht aufgelöst.
 
:Die reformierte deutsche Rechtschreibung belebt im Bereich der s-Schreibung eine Idee aus dem frühen 19. Jahrhundert wieder, die sogenannte Heysesche s-Schreibung. Im Heyseschen Fremdwörterbuch taucht für Doppel-s am Wortende eine eigens geschaffene Ligatur ſs auf.
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:[[File:Szlig.svg|thumb|Antiqua-ſs vs. Textura- und Fraktur-ſz]]
:Die Ligatur w
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:Der Buchstabe w hat sich als Ligatur aus zwei u bzw. v entwickelt. Bis ins Mittelalter wurde zwischen den Buchstaben u und v nur ästhetisch, nicht dem Lautwert nach unterschieden. In manchen Sprachen ist dieser Ursprung noch an der Buchstabenbezeichnung nachzuvollziehen (engl. double u „Doppel-u“, span. doble uve oder doble v „Doppel-v“, frz. double v „Doppel-v“).
 
:Im Druck wurde das kleine w bei nicht vorhandener Letter auf verschiedene Weise realisiert, im Fraktursatz beispielsweise mit rundem r als „rv“.
 
AB20
:[[File:Illuminated.bible.closeup.arp.jpg|thumb|300 px|Initiale „P“ aus einer Bibel in der Abtei von Malmesbury, England (1407)]]
:Westliche Kalligrafie
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:Westliche Kalligrafie (griechisch κάλλος kállos „Schönheit“ bzw. καλός kalós „schön“, „gut“ und -grafie) bezeichnet die Schönschrift in lateinischen, griechischen oder kyrillischen Buchstaben und stellt eine eigenständige Kunstform dar. Sie hatte ihre Blütezeit im Hochmittelalter, als ein hoher Bedarf an Bibelabschriften bestand, und wird heute noch als entspannendes Hobby oder zu besonderen Anlässen ausgeübt. Kalligrafie wird in Europa und Nordamerika meistens mit einer Bandzugfeder, einer Schreibfeder mit breiter Spitze, betrieben.
 
:Die Geschichte der Kalligrafie ist mit der Entwicklung der Schrift untrennbar verbunden. Dabei versteht man unter Kalligrafie nicht nur das Schreiben mit Pinsel oder Feder, sondern auch das kunstvolle Eingravieren von Texten in Holz, Stein oder Metall. Im Mittelalter erlebte sie in Europa eine Blüte, die, neben der starken Aktivität christlicher Klöster, mit der Gründung der ersten Universitäten und dem dadurch entstandenen Bedarf an Büchern zusammenhing. Mit dem Aufkommen des Buchdrucks tradierten Schreibmeister die Kunst, verschiedene Schriftstile von Hand zu schreiben. Heutzutage führt die Schreibkunst eher ein Schattendasein neben den anderen Kunstformen, dennoch finden sich immer wieder Beispiele für hervorragende und innovative handgeschriebene Schriftgestaltung.
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:Werkzeuge und Hilfsmittel
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:Traditionelle Schreibgeräte
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:Beschriebene Stoffe:
:In der Antike und bis weit ins Mittelalter hinein war Papyrus das Maß der Dinge. Auf ihm wurden Urkunden festgehalten, Manuskripte verfasst und religiöse Texte verewigt. Das aus dem Papyrusmark hergestellte Blatt wurde meistens nur einseitig beschrieben und als Buchrolle gelagert. Durch geschickte Herstellung konnten Rollen weit über 20 Meter lang werden.
 
:Diese unhandliche Art der Aufbewahrung wurde ab dem ersten Jahrhundert vom Codex abgelöst, der im Wesentlichen der heutigen Buchform entspricht. Das leichter faltbare Pergament, das langsam an die Stelle des Papyrus trat, förderte diese neue Form. Sein Ursprung lässt sich bis ins 3. vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen, bis in das griechische Pergamon, von dem sich auch der Name herleitet. Während der neue Beschreibstoff schon bald für Manuskripte Verwendung fand, wurde er für Urkunden nur zögerlich eingesetzt. So stieg der Vatikan erst unter Benedikt VIII. Anfang des 11. Jahrhunderts von Papyrus auf Pergament um.
 
:Dieses ablehnende Verhalten wiederholte sich mit der Einführung des Papiers. Der vermutlich im alten China erfundene Beschreibstoff fand seinen Weg nach Europa über Arabien und Spanien, wo es die Mauren im 11. Jahrhundert einführten. Für Deutschland gilt das 1246 begonnene Registerbuch des Domherrn und Domdekans von Passau Albert Behaim als die erste Papierhandschrift. Wie zuvor das Pergament war das Papier lange Zeit als Träger für Urkunden verboten. Nach dem Statut von Padua von 1236 besaßen Urkunden auf Papier keine Rechtskraft. In den späteren Jahrhunderten führt die Verwendung von Papier selbst zum Zurückdrängen mancher Schriftarten, wie der Textura, die für Papier nicht sonderlich geeignet ist, zugunsten der Bastarda.
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:Stifte und Federn:
:Die Ägypter verwendeten Rohrfedern, um die hieratische Schrift auf Papyrus zu bringen. Die Hieroglyphen, die in den Stein gemeißelt wurden, haben eine signifikant andere Form. Das gleiche beobachtet man bei den Griechen und Römern. Die Formvollendung einer Capitalis monumentalis stammt von den Werkzeugen der Steinmetze. Die Schreiber nahmen dagegen einen Griffel (lat. stilus) für Wachstafeln oder angespitzte Schilfrohre (lat. calamus), in deren Spitze ein Spalt geschnitten wurde, um den Tintenfluss zu erleichtern. Ab dem 6. oder 7. Jahrhundert kamen Vogelfedern, besonders Gänsekiele, als Schreibwerkzeuge auf. Der Pinsel als Schreibgerät fand nur selten Einsatz, zum Beispiel bei goldenen Schriftzügen oder aufwändigen Initialen. Sehr wichtig war ein scharfes Messer, um die Schreibgeräte, deren Spitzen schnell abstumpften oder ausfransten, bei Bedarf wieder anspitzen zu können. Für das Ausbessern kleiner Schreibfehler hatten die Schreiber stets ein scharfes Messer, das rasorium, bereit, mit dem sie die entsprechenden Stellen vom Pergament abschaben konnten. Mit Einführung des billigen, aber wenig widerstandsfähigen Papiers wurde dies bald überflüssig.
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:Das Härten des Gänsekiels:
:Gänsefedern (Gänsekiele) werden, bevor sie zum Schreiben verwendet werden können, gehärtet. Das sogenannte „Ziehen“ der Federn erfordert einiges an Übung. Das Härten geschieht durch Erhitzen der Feder entweder in heißem Sand oder in heißer Asche, oder indem man den Kiel über einer starken Hitzequelle (kein offenes Feuer) so lange hin und her bewegt, bis er gleichmäßig erweicht ist. Ist die Hitze hierbei zu stark oder zu gering, erhält der Kiel im Anschluss nicht die notwendige Härte und wird beim Schneiden splittern und „Zähne“ bekommen. Sodann wird mit Hilfe eines Messers auf einer weichen Unterlage die oberste Haut des Kiels gleichmäßig auf allen Seiten abgeschabt. Anschließend muss der Kiel, solange er noch warm ist, wieder in seine ursprüngliche runde Form gedrückt werden. Das geschieht am leichtesten durch mehrmaliges Ziehen des Kiels durch ein weiches Tuch. Ist er so vorbereitet, kann er schließlich geschnitten werden. Für ein erfolgreiches Schreiben mit einem Gänsekiel musste die Schreibunterlage zwischen 40 und 60 % geneigt werden, damit die Tinte nicht zu schnell aus der Feder floss.
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:Moderne Federn und Papiere:
:Heutzutage werden Gänsefedern nur noch für besondere Aufgaben, z.&nbsp;B. besonders feine Linien, verwendet. Sie wurden von Stahlfedern abgelöst. Moderne Breit- oder Bandzugfedern verfügen über einen kleinen Tuschetank auf der Oberseite, der es erlaubt, mehrere Wörter zu schreiben, ohne erneut Tusche aufnehmen zu müssen. Die in Europa am weitesten verbreiteten werden von der Firma Brause hergestellt und sind in verschiedenen Strichbreiten von 0,5 mm bis 5 mm erhältlich.
 
:Soll die Schrift einen speziellen Charakter erhalten, greifen moderne Kalligrafen auch auf Pinsel zurück oder konstruieren die Schrift mit Lineal und Bleistift. Daneben gibt es spezielle Kalligrafiefüller, die mit einer breiten Spitze ausgestattet sind. Sie erreichen meist nicht das Schriftbild einer Stahlfeder und sind teurer in der Anschaffung. Dafür erübrigt sich aufgrund der Tintenpatronen das häufige Nachfüllen von Tusche. Zudem ist ein breites Sortiment an Stiften, Tintenrollern, speziellen Rund- und Copperplatefedern im Fachhandel erhältlich.
 
:Schreib- und Bastelläden bieten Tuschen und Tinten in ausreichend guter Qualität für die meisten kalligrafischen Belange an. Neben farbigen Tuschen ist auch Blattgold leicht zu bekommen. Als Beschreibmaterial dient heute meistens Papier. Besonders beliebt ist leicht marmoriertes Papier, die Elefantenhaut. Papyrus und Pergament sind zwar auf Bestellung erhältlich, allerdings zu Preisen, die ein normales kalligrafisches Projekt nicht rechtfertigt. Zudem ist Papier in vielen Fällen handlicher und durch die unterschiedlichen möglichen Farben und Strukturen vielfältiger einsetzbar.
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:Bedeutende Schreibstuben des Mittelalters
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:Handschriften und Miniaturen wurden im Mittelalter an vielen Orten angefertigt. Klöster hatten jedoch die Möglichkeiten, besonders hervorragende Werke zu schaffen. Einige wichtige Orte im deutschsprachigen Raum waren die Klöster Aachen, Seeon und St. Gallen in karolingischer Zeit und Mittelzell in Reichenau, Trier, Echternach, Köln, Fulda, Minden, Hildesheim, Magdeburg und Kloster Sankt Emmeram in Regensburg im Hochmittelalter.
 
:Bei Untersuchungen von Wissenschaftlern in vielen Archiven des Mittelalters wie z.&nbsp;B. dem Domarchiv von Arezzo oder Klosterbeständen stellten sich im Laufe der letzten 100 Jahre etliche kostbare Handschriften und Urkunden als Fälschungen heraus, die im Nachhinein Gebietsansprüche oder Schenkungen rechtlich absichern sollten. 60 % aller Königsdokumente der Merowingerepoche wurden von Klöstern gefälscht, Mark Mersiowsky überprüfte Ende der 1990er Jahre die 474 erhaltenen Urkunden Ludwig des Frommen und sortierte alleine dabei 54 Diplome als Fälschungen aus, die zum Teil recht plump gediehen waren, aber nicht selten auch täuschend echte Dokumente, die in Schrift und Fertigung des Siegels nebst Schnuraufhängung annähernd perfekt waren: „Per Federstrich attestierten sich Klöster Zollprivilegien. Sie sackten riesige Ländereien ein, gewährten sich Steuerfreiheit oder Immunität. Machte ihnen der Adel Besitz streitig, konterten sie mit Pergamenten, an denen Kaisersiegel baumelten.“ Zu den kreativsten Fälschern zählten Wibald von Stablo, Vorsteher der sächsischen Reichsabtei Corvey, Petrus Diaconus, Bibliothekar aus dem Kloster Montecassino, und schließlich Guido von Vienne, der es dank seiner Beugung der Wahrheit sogar als Papst Kalixt II. 1119 zu höchsten Würden brachte. Übertroffen wurde jedoch alles von der sogenannten Konstantinischen Schenkung des 8. Jahrhunderts. Dieses vorgeblich aus dem 4. Jahrhundert stammende Dokument sollte der Kirche umfangreiche Gebiete weltlichen Besitzes sichern und den eigenen Machtanspruch des Papstes gegenüber dem Kaiser manifestieren.
 
:Daneben wurden Handschriften auch von Privatleuten in Klöstern oder bei freien Künstlern in Auftrag gegeben. Im Namen reicher Adliger und Händler entstanden teure und berühmte Werke, z.&nbsp;B. das Stundenbuch Très Riches Heures des Herzogs von Berry.
 
:Die Zunahme des Bücherbedarfs nach der Gründung der ersten Universitäten förderte die Entstehung privater Schreibstuben. Sie widmeten sich speziell den Lehrbüchern, die die Studenten benötigten, aber auch Andachtsschriften für Privatleute. Durch die neuen Werke der Professoren, die vervielfältigt werden mussten, war ihr Umsatz sichergestellt. Selbst die Klöster des Spätmittelalters stellten freie Schreiber ein und bildeten Nicht-Mönche aus. Als Ergebnis nahm die Qualität der Bücher oft in dem Maße ab, wie ihre Zahl anwuchs. Richard de Bury, Bischof von Durham, schrieb dazu im 14. Jahrhundert, die Mönche widmeten sich mehr dem Leeren der Becher als dem Schreiben von Codices.
 
:Mit dem Aufkommen des Humanismus und des preiswerten Papiers als Beschreibstoff begannen Zeitgenossen, Werke selbst zu kopieren. Dies animierte findige Händler, Bücher der zeitgenössischen Literatur in hoher Zahl von vielen Schreibern preiswert abschreiben zu lassen und an eine bürgerliche Kundschaft zu verkaufen. Ihr Ruf war in den Kreisen gebildeter Bürger jedoch eher zweifelhaft.
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:Der Buchdruck als Herausforderung
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:Nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johann Gutenberg im 15. Jahrhundert verloren handgeschriebene und handverzierte Bücher stetig an Bedeutung. Die Schönheit der bemalten und illuminierten Seiten wurde zugunsten der kostengünstigen Produktion einer hohen Auflage, die die neue Technik erlaubte, aufgegeben. Dennoch mussten viele Texte noch mit der Hand geschrieben werden. Diese Handschriften hatten auf die Entwicklung der Buchstabenformen für die Lettern der Drucker durchaus Einfluss. So entstanden in italienischen Kalligrafien zur Zeit der Renaissance die Antiqua und die humanistische Kursive, Schriften, die bis heute verwendet werden.
 
:In Deutschland wurde auch im Druckereiwesen die gebrochene Schrift weiter verwendet. In der Form der Fraktur und Schwabacher, die sich aus den Bastardschriften und der Textura entwickelten, wurden sie bis in die 1940er Jahre verwendet.
 
:Mit dem 16. Jahrhundert endet die Zeit der Codices und Miniaturen. Der Buchdruck setzt sich langsam auch im Bereich der Illustration teurer Werke durch, und selbst die spanischen und flämischen Künstler wenden sich der großflächigen Malerei zu.
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:Schönschrift lernen
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:Es gibt zwei wesentliche Wege, die Kalligrafie für sich zu entdecken. Zum einen autodidaktisch, indem man selbst experimentiert oder anhand eines Lehrbuchs lernt. Die zweite Möglichkeit sind Kalligrafiekurse von unterschiedlichen Trägern. Evangelisches und katholisches Bildungswerk sowie manche Volkshochschulen bieten Kurse zur Kalligrafie an, in denen man zumindest die grundlegenden Techniken erlernen kann.
 
:Im Gegensatz zu vielen anderen Kunstformen benötigt man für den Einstieg lediglich eine Breitfeder und Tusche. Deshalb und wegen ihres entspannenden Charakters erfreut sich die Kalligrafie als Hobby steigender Beliebtheit. Die ersten Federstriche sind leicht erlernt, und angehende Kalligrafen können schon bald ihre ersten Resultate bewundern.
 
:Jedoch bieten weitere Techniken immer weitere Herausforderung. Das Schrägstellen der Feder oder Variationen des Schreibwinkels zwischen der Grundlinie und der Feder sind selbst für einen geübten Schreiber nicht selbstverständlich. Und um die Gleichmäßigkeit der Buchstaben in einem großen Werk zu gewährleisten, muss er konzentriert bleiben und routiniert schreiben können.
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:Kalligrafische Schriftarten
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:Man kann seit den Ägyptern zwischen zwei Schriftstilen unterscheiden: Gerade und Kursivschriften. Gerade Schriften wurden in offiziellen Texten und religiösen Manuskripten verwendet, während die Kursivschriften sich meistens aus diesen bildeten, indem schneller geschrieben wurde. Dadurch entstanden Schriften für den täglichen Schriftverkehr, die schnell und praktisch waren, jedoch vielfach an Leserlichkeit einbüßten. Mit Beginn des Buchdrucks veränderte sich diese Aufteilung. Schrift und Kursive wurden im Drucktext verwendet, während sich für die Handschrift eigene Schreibschriften entwickelten, beispielsweise die Copperplate, unsere Lateinische Schreibschrift oder im Deutschland des 19. Jahrhunderts die deutsche Kurrentschrift.
 
:Innerhalb der lateinischen Schrift wird weiterhin unterschieden zwischen Schriften, die nur aus Großbuchstaben (auch Majuskeln oder Versalien genannt) bestehen, etwa die Capitalis monumentalis oder die Unziale, den Schriften, die nur aus Kleinbuchstaben (auch Minuskeln genannt) bestehen, wie die karolingischen Minuskeln, und Schriften, die wie die Antiqua oder die Fraktur aus Groß- und Kleinbuchstaben bestehen. Letztere wurden erst ab dem 8. Jahrhundert verwendet, als Schreiber begannen, die Anfangsbuchstaben der Handschriften besonders zu kennzeichnen.
 
 
 
AB2?????
:Heysesche s-Schreibung
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:Die heysesche s-Schreibung (benannt nach Johann Christian August Heyse, 1764–1829) ist eine Regel in der deutschen Rechtschreibung, die festlegt, ob der stimmlose Laut [s] als „ss“ oder als „ß“ (Eszett oder „scharfes S“, in Österreich durchgängig „scharfes S“ genannt) geschrieben wird, sofern er nicht als einfaches „s“ geschrieben wird. Diese wurde in Österreich-Ungarn bereits 1879 eingeführt, aber 1901 zu Gunsten einer gemeinsamen Rechtschreibung durch die damals im Deutschen Reich gültige adelungsche s-Schreibung ersetzt. In der Rechtschreibung gemäß der Rechtschreibreform von 1996 hat man sich erneut für die heysesche s-Schreibung entschieden. Die beiden Regeln unterscheiden sich nur in ihrer Entscheidung zwischen „ss“ und „ß“.
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:Regeln
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:Heyse
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:Die Regel der heyseschen s-Schreibung für die Entscheidung zwischen „ss“ und „ß“ lautet:
 
:* Nach einem langen Vokal oder einem Diphthong schreibt man „ß“, nach einem kurzen Vokal schreibt man „ss“.
 
:Damit nähert die heysesche Schreibung die Darstellung des stimmlosen s-Lautes derjenigen der übrigen Konsonanten an, dass nach kurzem betonten Vokal entweder ein Doppelkonsonant oder eine feste Konsonantenverbindung steht, nach langem Vokal dagegen ein Einfachkonsonant (als solcher wird das ß dabei aufgefasst), dem allerdings Konsonanten eines anderen Wortbestandteils folgen dürfen.
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:Adelung (zum Vergleich)
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:In adelungscher s-Schreibung gilt im Vergleich zur heyseschen s-Schreibung zusätzlich die graphotaktische Bedingung, dass am Wortende, vor einer Wortfuge und vor einem Konsonanten nie „ss“ geschrieben wird.
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:Gemeinsamkeiten
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:Sowohl in der heyseschen als auch in der adelungschen s-Schreibung besteht ein Zusammenhang zwischen der Aussprache des vorangehenden Vokals und der Schreibung des stimmlosen s-Lautes in denjenigen Fällen, wo dieser s-Laut eine neue Silbe beginnt. So unterschieden sowohl Heyse als auch Adelung:
 
:„die Buße“ – „die Busse“ ''[Adelung: beides Singular, 1 = sein Standard, 2 = Buße in manchen Mundarten, namentlich die Schlesier]''
:„die Maße“ – „die Masse“
 
:Ferner ist die Abgrenzung des als einfaches ''s'' geschriebenen stimmlosen s-Lautes bei Adelung und Heyse gleich. Einfaches ''s'' steht,
:* wenn das ''s'' vor Vokal stimmhaft wird, analog zu anderen stimmhaften Konsonanten („lesen / ihr lest“ wie „leben / ihr lebt“), wobei der vorangehende Vokal so gut wie immer lang ausgesprochen wird,
:* in fester Kombination mit einem Folgekonsonanten, wo ein stimmhaftes ''s'' nach deutschen Aussprachegewohnheiten unmöglich ist und der vorangehende Vokal so gut wie immer kurz ausgesprochen wird („Last“, „Knospe“),
:* in den festen Buchstabenkombinationen ''chs'' (sofern es [ks] ausgesprochen wird) und ps,
:* in ''aus'', ''das'', ''des'', ''es'', ''ist'' und den Suffixen ''-es'', ''-s'' und ''-nis'' (Da schrieb Adelung noch ''-niſʒ'' und Heyse noch ''-niſs'', allerdings jeweils mit Ligatur.),
:* in Fremdwörtern.
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:Konvertierung zwischen heysescher und adelungscher s-Schreibung
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:* Ein Text in adelungscher s-Schreibung kann in heysesche s-Schreibung konvertiert werden, indem alle „ß“ nach kurzen Vokalen durch „ss“ ersetzt werden.
:* Ein Text in heysescher s-Schreibung kann in adelungsche s-Schreibung konvertiert werden, indem alle „ss“ am Wortende, vor einer Wortfuge oder vor einem Konsonanten, falls sie zur gleichen Silbe gehören, durch „ß“ ersetzt werden.
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:Gefahr der Übergeneralisierung
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:Die heysesche s-Schreibung führt gelegentlich zur Übergeneralisierung, weil sie dahingehend missverstanden wird, als laute die zugrundeliegende Regel:
 
:Nach kurzem Vokal folgt immer „ss“, nach langem Vokal oder Doppelvokal folgt „ß“.
:Schon zu Zeiten der adelungschen Schreibung verbreitete Fehler wie „Ausweiß“ oder „Ohne Fleiß kein Preiß“ können dadurch evtl. häufiger auftreten als bisher.
 
:Beispiele für die falsche Anwendung der heyseschen s-Schreibung sind seit der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 in der Presse und sogar in Schulbüchern zu finden, woraufhin einige Kritiker auf einen prinzipiellen Nachteil der heyseschen gegenüber der adelungschen s-Schreibung schlossen.
 
:Kritiker dieses Standpunkts verweisen demgegenüber auf die drastische Zunahme von Rechtschreibfehlern in allen Bereichen der Orthographie. Demnach sei nicht die heysesche s-Schreibung die Ursache, sondern die starke Beschleunigung der Kommunikation insbesondere durch formlosere elektronische Medien wie E-Mail und SMS. In deren Folge habe das Bewusstsein für Orthographie generell stark abgenommen. Die Presse stehe zudem unter höherem Zeit- und Kostendruck und setze wesentlich weniger Korrektoren ein.
 
:Kritiker bezweifeln, ob die heysesche s-Schreibung dazu beitragen kann, das korrekte Schreiben gegenüber der adelungschen s-Schreibung zu vereinfachen, wie bei ihrer (Wieder-)Einführung mit der Rechtschreibreform von 1996 in Aussicht gestellt wurde.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
AB2???
:Adelungsche s-Schreibung
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:Die adelungsche s-Schreibung (nach Johann Christoph Adelung, 1732–1806) ist eine Regel in der deutschen Rechtschreibung für die Schreibung der s-Laute. Häufig wird sie auf die Entscheidung reduziert, ob der stimmlose s-Laut ​[⁠s⁠]​ als „ss“ oder als „ß“ (Eszett) zu schreiben ist, sofern er nicht als einfaches „s“ geschrieben wird. Die adelungsche s-Schreibung wird in der traditionellen deutschen Rechtschreibung verwendet, nicht aber in der reformierten deutschen Rechtschreibung.
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:Gemäß Adelung wird ß geschrieben
:* „nach einem gedehnten Vocal oder Diphthongen“ und
:* „am Ende einer Sylbe oder vor einem Consonanten“ (also auch am Wortende und vor der Wortfuge).
: Die heysesche s-Schreibung unterscheidet sich dadurch von der adelungschen, dass die zweite Bedingung nicht gilt.
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:Alternative Darstellungen der Regel
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:Es ist möglich, die adelungsche s-Schreibung so zu formulieren, dass sie angibt, wann ss geschrieben wird, und nicht ß:
 
:::Nach einem kurzen Vokal schreibt man ss, unter der zusätzlichen Bedingung, dass im selben Wort unmittelbar ein Vokal folgt.
:Eine gleichwertige Formulierung kann über eine Verwendung des Fachworts Silbengelenk erreicht werden, das einen vorangehenden kurzen Vokal und einen folgenden Vokal impliziert:
 
:::Im Silbengelenk schreibt man ss.
:Das ist genau dann der Fall, wenn der s-Laut sowohl zum Ende der vorangehenden Silbe als auch zum Anfang der nachfolgenden Silbe gehört.
:Beispiele: ''Wasser, wässerig, müssen, Klasse''.
 
:Wenn aber kein Silbengelenk vorliegt, dann steht dagegen statt ss ein ß.
:Beispiele: ''wäßrig, muß, du mußt, Erstkläßler''.
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:Geschichte:
:Die adelungsche s-Schreibung geht auf den Orthographen Johann Christoph Adelung (1732–1806) zurück. In verschiedenen Ländern wurde sie schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbindlich. Seit der Zweiten Orthographischen Konferenz von 1901 wurde sie im gesamten deutschen Sprachraum angewendet. Seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die adelungsche s-Schreibung in der Schweiz nach und nach aufgegeben und „ß“ stets durch „ss“ ersetzt. In der Rechtschreibreform von 1996 ist die adelungsche s-Schreibung durch die heysesche ersetzt worden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
AB2???
:[[File:Lineatur_Liniendefinition.png|thumb|(1)&nbsp;Oberlinie, (2)&nbsp;Mittellinie, (3)&nbsp;Grundlinie, (4)&nbsp;Unterlinie<br />(a)&nbsp;Oberlänge, (b)&nbsp;Mittellänge, (c)&nbsp;Unterlänge]]
:[[File:Lineaturen.png|thumb|Verschiedene Lineaturen mit Schriftbeispielen:<br />1.&nbsp;Sütterlin, 2.&nbsp;Offenbacher Schrift, 3.&nbsp;Offenbacher und Lateinische Ausgangsschrift, 4.&nbsp;Deutsche Kurrent]]
:Lineatur
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:Mit dem Begriff Lineatur ist im Allgemeinen die Linienvorgabe zum Beispiel in Schreibheften gemeint, um Schülern das Erlernen der grundsätzlichen Schriftform einer Schriftart zu erleichtern. Die Linienvorgabe bewegt sich dabei meist in einem Vierliniensystem, wobei Oberlänge, Mittellänge und Unterlänge in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen.
 
:Verschiedene Linienverhältnisse wurden bereits von historischen Schriftentwicklern wie beispielsweise Rudolf Koch und Ludwig Sütterlin festgelegt.
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:Linienverhältnisse
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:Bekannt sind folgende Lineaturen bzw. ihre Vielfachen und die Schriftarten, die sich typischerweise in dieser Lineatur bewegen:
 
:* 1:1:1 Sütterlinschrift
:* 2:3:2 Offenbacher Schrift
:* 3:4:3 Offenbacher Schrift, Lateinische Ausgangsschrift
:* 2:1:2 Deutsche Kurrentschrift
 
 
 
 
 
 
 
 
 
AB2???
:[[File:Pangramm de Mistral.png|thumb|450 px|Verwendung eines Pangramms, um das Aussehen einer [Schriftart darzustellen]]
:Pangramm
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:Ein Pangramm (von griechisch πᾶν γράμμα pan gramma ‚jeder Buchstabe‘) oder holoalphabetischer Satz ist ein Satz, der alle Buchstaben des Alphabets enthält.
 
:Als echt werden Pangramme bezeichnet, in denen jeder Buchstabe genau einmal vorkommt, die also gleichzeitig Isogramme sind. Echte Pangramme mit den 26 lateinischen Buchstaben sind sehr schwer zu erzielen, weil darin nur fünf (oder mit Y sechs) Vokale enthalten sind. Es gibt keine Sprache, für die eines bekannt ist, das nur aus Wörtern des tatsächlichen Sprachgebrauchs ohne Abkürzungen besteht.
 
:Ursprünglich waren Pangramme lediglich eine mathematische Spielerei. Mit dem Aufkommen kodierter Textübertragung im zwanzigsten Jahrhundert wurden sie zu einem gebräuchlichen Instrument zum Testen der benutzten Geräte (z.&nbsp;B. Fernschreibverbindungen, Schreibmaschinen, Drucker). Dabei mussten zu dem im System verwendeten Zeichensatz (z.&nbsp;B. mit/ohne Umlaute, mit/ohne Großbuchstaben) passende Pangramme ausgewählt werden. Moderne digitale Kommunikationssysteme erledigen solche Tests automatisch. Pangramme werden seitdem überwiegend als Blindtext und zur Darstellung von Schriften eingesetzt.
 
:Gewissermaßen ein Gegensatz zum Pangramm sind Leipogramme. Hier geht es darum, einen oder mehrere Buchstaben in einem Text überhaupt nicht zu verwenden, möglichst unter Beibehaltung der korrekten Orthografie.
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:Sprachbeispiele
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:Deutsch:
:Ein in der deutschen Sprache oft verwendetes Pangramm ist der Satz „Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern“, der weder Umlaute noch das Eszett enthält. Ein verbreitetes Pangramm ohne diesen Mangel ist die Phrase „Zwölf Boxkämpfer jagen Viktor quer über den großen Sylter Deich“.
 
:Die zusätzlichen Vokale Ä, Ö und Ü erleichtern im Deutschen die Konstruktion echter Pangramme mit Sonderbuchstaben, in denen bei 29 Buchstaben (oder 30 mit ß) kein Buchstabe doppelt vorkommt. So wurden 1981 in der DDR veröffentlicht:[1]
 
:* Vogt Nyx: »Büß du ja zwölf Qirsch, Kämpe!« („Qirsch“ ist ein arabisches Wort für Piaster, das allerdings nicht im Duden steht.)
:* Verbüß öd’ Joch, kämpf Qual, zwing Styx! („öd’“ allerdings mit Auslassungzeichen für weggelassene Buchstaben.)
:Im Jahr 2003 wurde ein drittes in einer Newsgroup veröffentlicht:
 
:* „Fix, Schwyz!“, quäkt Jürgen blöd vom Paß. (Schwyz ist ein Schweizer Ort, dessen Mannschaft o. ä. hier angefeuert wird, Paß ein Übergang im Gebirge, allerdings nur nach alter Rechtschreibung gültig.)
:In einigen Schreibmaschinen-Lernkursen (zum Erlernen des Zehnfingersystems) werden diese Sätze verwendet, ebenso wie der folgende: „Die heiße Zypernsonne quälte Max und Victoria ja böse auf dem Weg bis zur Küste.“
 
:Für den Test von Fernschreibverbindungen war früher der Pangramm-ähnliche Satz „kaufen sie jede woche vier gute bequeme pelze xy 1234567890“ als „Kaufen-Schleife“ im Fernschreibnetz unter einer besonderen Rufnummer abrufbar. (Im Fernschreibalphabet gibt es keine Umlaute und kein ß.)
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:Liste deutscher Pangramme
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:Pangramme ohne Umlaute und ß:
:* Vogel Quax zwickt Johnys Pferd Bim. (29 Buchstaben)
:* Sylvia wagt quick den Jux bei Pforzheim. (33 Buchstaben)
:* Prall vom Whisky flog Quax den Jet zu Bruch. (35 Buchstaben)
:* Jeder wackere Bayer vertilgt bequem zwo Pfund Kalbshaxen. (49 Buchstaben)
:* Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern. (51 Buchstaben)
:* Bei jedem klugen Wort von Sokrates rief Xanthippe zynisch: Quatsch! (56 Buchstaben)
:* Stanleys Expeditionszug quer durch Afrika wird von jedermann bewundert. (62 Buchstaben)
 
:Pangramme mit äöü, jedoch ohne ß (Schweizer Rechtschreibung):
:* „Üb jodeln, Gör!“, quäkt Schwyz’ Vamp fix. (29 Buchstaben)
:* „Ja!“, quäkt Schwyz’ Pöbel fix vor Gmünd. (29 Buchstaben)
:* Schwyz’ Vamp quäkt öd: „Fix, lob Jürgen!“ (29 Buchstaben)
:* Ob Schwyz’ Vamp dünkt „Fix, quäle Jörg“? (29 Buchstaben)
 
:Pangramme mit äöü und ß:
:* Vogt Nyx: »Büß du ja zwölf Qirsch, Kämpe!« (30 Buchstaben, Währungsbezeichnung nicht im Duden)
:* Verbüß öd’ Joch, kämpf Qual, zwing Styx! (30 Buchstaben, mit Auslassungszeichen)
:* „Fix, Schwyz!“, quäkt Jürgen blöd vom Paß. (30 Buchstaben, alte Rechtschreibung)
:* Jux-Typ aß schäbig vor Zwölf-qkm-Düne. (30 Buchstaben, mit Abkürzung)
:* Jörg bäckt quasi zwei Haxenfüße vom Wildpony. (38 Buchstaben)
:* Zwölf laxe Typen qualmen verdächtig süße Objekte. (42 Buchstaben)
:* Üben von Xylophon und Querflöte ist ja zweckmäßig. (42 Buchstaben)
:* Typograf Jakob zürnt schweißgequält vom öden Text. (43 Buchstaben)
:* Typisch fiese Kater würden Vögel bloß zum Jux quälen. (44 Buchstaben)
:* Zwölf große Boxkämpfer jagen Eva quer über Sylter Deiche. (48 Buchstaben)
:* Falsches Üben von Xylophonmusik quält jeden größeren Zwerg. (51 Buchstaben)
:* Polyfon zwitschernd aßen Mäxchens Vögel Rüben, Joghurt und Quark. (55 Buchstaben)
:* Vom Ödipuskomplex maßlos gequält, übt Wilfried zyklisches Jodeln. (56 Buchstaben)
:* Xaver schreibt für Wikipedia zum Spaß quälend lang über Yoga, Soja und Öko. (61 Buchstaben)
:* Die heiße Zypernsonne quälte Max und Victoria ja böse auf dem Weg bis zur Küste. (65 Buchstaben)
:* Zornig und gequält rügen jeweils Pontifex und Volk die maßlose bischöfliche Hybris. (71 Buchstaben)
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:In EDV-Anwendungen
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:Pangramme dienen häufig als Beispieltexte, um verschiedener Schriftarten darzustellen und zu vergleichen.
 
:In der deutschen Versionen von Windows-XP und Windows-Vista ist der Satz „Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern. 0123456789“ lokalisiert.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
AB2???
:[[File:01 Runes of the Elder Futhark painted on little stones - Runen des älteren Futhark auf kleine Steine gemalt.jpg|thumb|250 px|Bild 1: Das ältere Futhark]]
:[[File:Runen nordisch.jpg|thumb|250 px|Bild 2: Nordische Runenreihe]]
:Runen
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:Als Runen bezeichnet man die alten Schriftzeichen der Germanen. Der Sammelbegriff umfasst Zeichen unterschiedlicher Alphabete in zeitlich und regional abweichender Verwendung.
 
:Runen können einerseits als Zeichen für jeweils einen Laut geschrieben werden (Alphabetschrift), andererseits als Zeichen stehen für die jeweiligen Begriffe, deren Namen sie tragen. Daneben können sie Zahlen darstellen oder als magisches Zeichen verwendet werden. Die Entwicklung der Zeichenformen zielte nicht auf eine flüssige Gebrauchsschrift ab. Abgesehen von einer kurzen Phase im hochmittelalterlichen Skandinavien wurde die Runenschrift nicht zur Alltagskommunikation verwendet.
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:Verbreitung
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:Runen waren vom 2. bis zum 14. Jahrhundert n. Chr. überwiegend für geritzte und gravierte Inschriften auf Gegenständen und auf Steindenkmalen in Gebrauch.
 
:Ihre Verbreitung zeigt einen deutlichen Fundschwerpunkt in Südskandinavien (einschließlich Jütlands). Dies ist zum Teil durch die lokalen Traditionen von Runensteinen begründet. Runen waren durchaus auch entlang des Rheins, bei den Alemannen, in Bayern, Brandenburg, Thüringen sowie in Pommern, Schlesien und Böhmen begrenzt in Gebrauch, wobei sich die Funde im Norden und Osten grob vor der Völkerwanderung (200–500 n.&nbsp;Chr.), die im Süden und Westen zum Ende der Völkerwanderung (500–700 n.&nbsp;Chr.) einordnen lassen.
 
:Die Christianisierung der Germanen, Nordmänner und Waräger führte letztendlich die lateinischen Buchstaben und in Russland die kyrillischen Buchstaben ein. Nur in den nordischen Ländern hielt sich der Gebrauch der Runenschrift bis ins 15. Jahrhundert.
 
:Der weitaus größte Teil der gut 6.500 bisher bekannten Runeninschriften stammt aus dem Skandinavien der Wikingerzeit. Die ältesten Inschriften datieren aus dem 2. Jahrhundert und stammen aus Moorfunden in Schleswig-Holstein, in Jütland und Fünen in Dänemark und Südschweden, sowie aus Ostdeutschland, z. B. Brandenburg (Dahmsdorf) und Polen (Kowel, Rozwadów). In Deutschland und Polen wurden mit dem Aufschwung des Königreichs Preußen im 18. Jahrhundert vieles zugunsten der Landwirtschaft trockengelegt und abgetragen, sodass Runenfunde eher selten sind und sich vorwiegend auf wenige mobile Gegenstände beschränken.
 
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:[[File:Franks Casket vorne links.jpg|thumb|Runenkästchen von Auzon (spätes 7. Jahrhundert) mit altenglischen Stabreimversen in Runen, vordere Tafel: Szene aus der Wieland-Sage]]
:Vorkommen
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:Zu zusammenhängender Schrift sind die Runen von den Germanen des Kontinents nur in geringem Umfang gebraucht worden. Runensteine gibt es in Mitteleuropa nicht. Die einzigen dort erhaltenen Runenritzungen finden sich auf Schmuck, Waffen und (seltener) auf Gebrauchsgegenständen. Auch in England war die Verwendung von Runen zu diesem Zweck nicht häufig: Das umfangreichste Denkmal, die Inschrift auf dem Kreuz von Ruthwell, stammt bereits aus christlicher Zeit. Die Runenschnitzerei auf dem Walbeinkästchen von Auzon (auch: Franks Casket) gibt altenglische Stabreimverse wieder, die frühesten überhaupt überlieferten. Dieses in Nordengland um 650 entstandene Stück gehört zu den eindrucksvollsten kunsthandwerklichen Schöpfungen der germanischen Zeit.
 
:Ein profaner Gebrauch war aber gerade in der Frühzeit gleichsam als Markenzeichen auf Gegenständen üblich. Formeln wie „(Name) machte …“ sind nicht selten. Damit kann ebenso der (Kunst)handwerker wie der Runenritzer seine Leistung bezeichnen. Ein besonderes Fundstück dieser Art ist eine Holzplatte aus dem Bootsgrab der Wurt Fallward (Cuxhaven). Dendrochronologisch ließ sich das Holz, das vermutlich als Oberteil eines Schemels diente, auf das Jahr 431 datieren. Der Besitzer, der möglicherweise in römischen Diensten stand, ließ auf der Kante die Inschrift ksamella lguskathi anbringen (scamella, lat. für Schemel). Kämme wurden gern als Kämme und Hobel als Hobel gekennzeichnet, was vielleicht einen spielerischen Umgang mit Schriftkultur bezeugt.
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:[[File:Armanenrunor i cirkel med siffror vector.svg|thumb|250 px|Armanen-Futhark als Zahl-]]
:[[File:Armanen Runes.JPG|thumb|250 px|und als Buchstabenreihe]]
:Runenesoterik
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:Gegen Ende des 19. Jahrhunderts keimte in einigen esoterischen Kreisen Interesse für die Runen auf. Es waren vor allem völkisch-mystisch gesinnte Menschen, die die Runen in ihrem Sinne umdeuteten, ihnen magische Kraft zuschrieben und sich neue Runenalphabete ausdachten. Die völkische Bewegung verwendete nie die historischen Runen, sondern frei erfundene runenähnliche Zeichen. Der bedeutendste Impulsgeber war Guido von List (1848–1919), ein österreichischer Romantiker und Mitgründer der rechtsesoterischen Ariosophie. Er empfing den Großteil seines okkulten „Runenwissens“ nach eigenem Bekunden in Form von Visionen und galt seinen Anhängern als eine Art Prophet. Er postulierte eine pseudohistorische Priesterschaft sogenannter Armanen, die in diese Geheimnisse eingeweiht gewesen seien, und sein frei erfundenes Futhark, das sich nur lose auf das jüngere Futhark stützt, wurde daher auch Armanen-Futhark genannt. List postulierte des Weiteren ein Urvolk mit eigener Ursprache namens „Ariogermanen“. Er behauptete, dass dieses Volk, diese reinblütige „Rasse“ von blonden, blauäugigen Menschen, schon seit Urzeiten ein 18 Runen umfassendes Schriftsystem benutzt habe.
 
:Bis in die 1970er Jahre arbeitete die Runenesoterik fast ausschließlich mit diesem Armanen-Futhark. Spätere Autoren stützten sich auf dieses Futhark, so etwa Karl Maria Wiligut (besser bekannt als Sturmbannführer Weisthor), der „Rasputin“ Himmlers, und Friedrich Bernhard Marby, der Erfinder der Runengymnastik (auch als Runenyoga bekannt), bei dem die auszuführenden Figuren jeweils Runen symbolisieren und mit dem der „rassenbewusste nordische Mensch“ seinen Geist und Körper veredeln sollte.