Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 137c»

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:Nun muß der sogenannte Grenzübergang erfolgen, d. h. die Überlegung, welche der unendlich kleinen Größen für die Rechnung von Belang sind. Denn den obigen Ausdruck hätten wir ebensogut auch als Differenzenquotienten bei endlichen Zuwächsen erhalten, und wir gewännen dabei als
:<math> \textstyle \frac{\Delta y}{\Delta x}</math> schließlich <math> (2x + \Delta x) </math> als Tangenswert der Sekanten.
:Wir können jetzt diesen Grenzübergang in zweierlei Art bewerkstelligen. Entweder rechnen wir überhaupt zuerst mit dem Differenzenquotienten und erklären dann, daß <math> (2x + \Delta x) </math> bei einem Schwinden des <math> \Delta x </math> zu <math> dx </math>, also zu einem unendlich kleinen Zuwachs, einfach zu <math> 2x </math> wird, da Addition einer unendlich kleinen Größe eine endliche Größe unverändert läßt.
:Somit ist <math> \textstyle \frac{dy}{dx} = 2x </math>.
:Oder aber wir rechnen von Anfang an mit Differentialen und erklären in der Formel <math> \textstyle \frac{dy}{dx} = 2x </math>
:das <math> \textstyle \frac{2x dx + (dx)^2}{dx} </math> als „Kleinheit zweiter Ordnung“, die sich zu <math> dx </math> so verhält wie <math> dx </math> zu <math> x </math>.
:Wir dürfen also diese „Kleinheit zweiter Ordnung“ einfach weglassen und gewinnen aus <math> \textstyle \frac{2x dx + (dx)^2}{dx} </math>
:jetzt <math> \textstyle \frac{2x dx}{dx} = 2x </math>, also wieder dieselben <math> 2x </math> als Differentialquotienten von <math>y = x^2 - 7</math>.
:Leibniz hat diese Kleinheit höherer Ordnung einmal dadurch plastisch zu machen versucht, daß er sagte, das Firmament verhielte sich zur Erde wie die Erde zu einem Staubkorn und die Erde wieder verhielte sich zum Staubkorn wie das Staubkorn zu einem magnetischen Teilchen, das durch Glas dringt. (Wir würden heute das „magnetische Teilchen“, das Leibniz prophetisch erwähnt, als Elektron bezeichnen. Das aber nur nebenbei.) Leibniz meint, daß das Firmament etwa das <math> x </math> sei. Das <math> dx </math> wäre dann die Erde, das <math> (dx)^2 </math> das Staubkorn und das <math> (dx)^3 </math> das „magnetische Teilchen“.
:Sicherlich genügt es, wenn man neben dem Firmament (Weltall) noch das Nichts Erde berücksichtigt. Das Staubkorn oder gar das „magnetische Teilchen“ zu berücksichtigen, ware um so sinnloser, als wir ja schon die Erde, also das <math> dx </math>, relativ zum Weltall als unendlich klein annehmen.
:Wir müssen aber jetzt die Erörterung des speziellen Algorithmus abbrechen. Wir stellen also nur fest, daß Leibniz nicht bloß in kurzer Zeit die Differentiation der einfacheren Funktionen und ihrer Verknüpfung beherrschte, sondern sogar noch in Paris bereits höhere Differentialquotienten, also Differentialquotienten von Differentialquotienten, berechnete, die physikalisch sehr aufschlußreich sind, da der erste Differentialquotient die Geschwindigkeit und der zweite die Geschwindigkeitsveränderung oder Beschleunigung ausdrückt. Die höheren Differentialquotienten sind aber auch als Kriterium für Maxima und Minima, nämlich für die Frage, ob der berechnete Wert ein Maximum oder Minimum darstellt, unentbehrlich.
:Für die Entdeckungsgeschichte ist es ein Glück, daß Leibniz die Gewohnheit besaß, wichtige Stationen seiner Forschungen zu notieren und diese Notizblatter mit genauem Datum zu versehen. Daher wissen wir, daß er noch in Paris am 29. Oktober 1675 zu vollster und allgemeinster Bewußtheit über seinen Kalkül gelangt war.
:Er schrieb nämlich unter diesem Datum:
::„Es wird nützlich sein, statt der Gesamtheiten des Oavalieri, also statt Summe aller <math> y^' </math> von nun an <math> \textstyle \int y dy </math> zu schreiben. Hier zeigt sich endlich die neue Gattung des Calcüls, die neue Rechenoperation, die der Addition und Multiplikation entspricht.
:Ist dagegen <math> \textstyle \int y dy = \frac{y^2}{2} </math> gegeben, so bietet sich sogleich das zweite auflösende Calcül, das aus <math> \textstyle d( \frac{y^2}{2} ) </math> wieder <math> y </math> macht. Wie nämlich das Zeichen <math> \int </math> die Dimension vermehrt, so vermindert sie das <math> d </math>. Das Zeichen <math> \int </math> aber bedeutet eine Summe, <math> d </math> eine Differenz.“
:Mit dieser Erkenntnis war der Algorithmus der Infinitesimalanalysis aufgestellt, der sich bald die Welt erobern sollte und der auch bis heute im Besitz der Weltherrschaft geblieben ist. Auf welchem Gebiet Leibniz am genialsten war, ist sehr schwer zu entscheiden. Daß er aber ein Spezialgenie der richtigen und adäquaten Schreibweise, der mathematischen Notation war, unterliegt nicht dem allergeringsten Zweifel. Über der Einführung von neuen Begriffen und neuen Zeichen liegt ein tiefes, wahrscheinlich unergründliches Geheimnis. Nur wenige dieser Begriffe oder Zeichen sind so „richtig“, so überdeckend, daß sie in allgemeinen Gebrauch kommen. Wenn sie aber einmal im Gebrauch sind, dann beweisen sie ein Beharrungsvermögen, als ob es sich um naturgewordene Gegenstände und nicht um bloße Konventionen handelte. Ein kleiner Teil des Geheimnisses ist vielleicht durchschaubar, soweit es sich um neue „Zeichen“ handelt. Sie müssen sich nämlich irgendwie in die Tradition einfügen, müssen gleichsam gestaltlich und rein ästhetisch in den mathematischen Kosmos passen. Man kann einem lebendig gewordenen Organismus, wie es dieser „mathematische Gegenstand“ ist, nicht einfach willkürlich irgendwelche künstlichen Organe aufpfropfen oder gar verlangen, daß irgendein „Befehl“ bloß durch ein Pünktchen erschöpfend gegeben sei, wenn man zur Ausführung schwierige und noch ungewohnte Operationen durchführen muß. Ein Befehl wie <math> x^3 </math> ist sehr durchsichtig. Er erinnert sofort an <math> 3x </math> und zeigt durch die Hochstellung der Drei an, daß gleichsam etwas „Höheres“ gemeint ist als <math> 3x </math> oder <math> x + x + x </math>. Es ist eben <math> x \cdot x \cdot x </math> damit gemeint. Wie nun sollte sich ein Mensch des siebzehnten Jahrhunderts vorstellen, daß Newtons <math> \dot x </math> eine so komplizierte Angelegenheit, wie die Bildung des Differentialquotienten, bedeute? Und gar erst <math> \acute x </math> das Integral über <math> x </math>. Selbst in den heutigen Tages mit allem Raffinement gedruckten Büchern, in denen Newtons Schreibweise als historisches Kuriosum dargestellt ist, läßt der Punkt oberhalb des x oft aus, erscheint dem nicht vollständig Eingeweihten wie eine Druck-Unregelmaßigkeit, ein Papierfehler u. dgl. Aber es ist da noch viel mehr zu bemängeln. Die Struktur der Rechnung tritt bei Newton überhaupt nicht hervor, es entsteht nicht der geringste Einblick in das Zahnräderwerk des Algorithmus. Bei Leibniz dagegen überall.
:Es sei uns deshalb gestattet, diese Notation in einer etwas vereinfachenden und vom strengen Standpunkte anfechtbaren Art zu beleuchten. Was wir dabei sündigen, werden wir später sofort wieder korrigieren. Aber - und dieses „Aber“ ist sehr entscheidend - wir behaupten, daß eben die populäre Vorstellung des Unendlichkleinen jener Anschauungsrest ist, der das rein Begriffliche, an sich jedoch Undurchschaubare des Algorithmus, zu sehr leichter Verständlichkeit hebt. Wir sprechen also nicht mehr bloß vom Verhaltnis der unendlichkleinen Größen, sondern vergrößern sie durch ein Zaubermikroskop einzeln und benennen sie „Differentiale“.
:Für uns ist <math> dx </math> eine Länge, <math> dy </math> ebenfalls eine solche, und das Integralzeichen, das nichts andres ist als ein in die Länge gezogenes, zusammengedrücktes S (Summe), deutet an, daß es sich bei der Integration um eine stetige, ineinanderfließende infinitesimale Summe handelt. Hierdurch erhalten wir sofort einen klaren Überblick über den Mechanismus des Kalküls.
:Hätten wir etwa die Gleichung <math> f' (x) = \frac{dy}{dx} </math> gegeben, bei der wir noch gar nicht wissen müssen, daß sie den Differentialquotienten oder die „Derivierte“ der Funktion bedeutet, dann können wir, rein nach den Regeln der Gleichungen, auch schreiben <math> f' (x)dx = dy </math> oder <math> dy = f' (x)dx </math>. Nun wissen wir weiter, daß eine Gleichung sich nicht ändert, wenn wir auf beiden Seiten dieselbe Operation vornehmen. Fordern wir also kühn, daß wir, Oavalieris Spuren folgend, auf beiden Seiten die „Summa omnium linearum“ bilden wollen.
:Da Leibniz es für „nützlich“ hält, werden wir nicht: „Omnia dy = Omnia f'(x)dx“ schreiben, sondern einfach <math> \int dy = \int f'(x)dx </math>.
:Die Summe aller <math> dy </math> ist aber nichts andres als die Summe aller Zuwächse von 0 bis <math> x </math>, also die Ordinate des Endpunktes des vorgelegten „Bereiches“.
:Daher ist <math> \int dy = y = \int f'(x)dx </math>.
:Nun ist aber weiters <math> y=f(x) </math> oder die ursprüngliche Funktion.
:Daher ist <math> y = \int f'(x)dx </math> oder, das Integral über dem Differentialquotienten ist gleich der Stammfunktion, aus der dieser Differentialquotient gewonnen ist. Dabei spielt das dx, das das Integral gleichsam abschließt, eine merkwürdige Rolle. Denn es ist nichts als der distributiv zuzuteilende Faktor, der aus jedem Wert des Differentialquotienten, also aus jedem <math> y' = f'(x) </math>, erst das die Fläche zusammensetzende Rechteck macht. Das <math> dx </math> ist also gleichsam die Schrittgröße oder der Abstand zwischen den Ordinaten. Wir haben bisher absichtlich verschwiegen, daß der Differentialquotient selbst ja nichts andres ist als das Verhältnis der unendlichkleinen Katheten des zusammengeschrumpften „schraffierten“ Dreiecks unsrer oben geschilderten Figur&nbsp;7. Die Hypotenuse dieses Infinitesimaldreiecks ist jenes Stück, in dem die Kurve und die Tangente ein und dasselbe werden. Also das Geradbiegungs- oder Rektifikationsstück der Kurve. Wir wollen es mit <math> ds </math> bezeichnen und können nach dem Pythagoras-Satz behaupten, daß <math> (ds)^2 = (dx)^2 + (dy)^2 </math>.
:Da nun <math> ds = \sqrt{(dx)^2 + (dy)^2} </math>, so ist die Summe aller <math> ds </math> wieder <math> \int ds </math> und ist gleichbedeutend mit der Kurvenlänge. Daher ist weiters wegen <math> ds = \sqrt{(dx)^2 + (dy)^2} </math> die Kurvenlänge <math> ds = \int{\sqrt{(dx)^2 + (dy)^2}} </math>, woran sich allerdings allerlei weitere Erwägungen schließen müssen.
:So also sieht der Zusammenhang des Kalküls der Differential- und der Integralrechnung aus, wenn man vom Differentialquotienten ausgeht. Wenn man dagegen, wie es Leibniz in seiner weltbewegenden Notiz getan hat, vom Integral ausgeht, und <math> \int y dy = \frac{y^2}{2} </math> als gegeben betrachtet, dann findet man, daß <math> \textstyle d ( \frac{y^2}{2} ) </math>, d. h. der Differentialquotient des Integralresultats, wieder zu y, also zu dem zurückführt, was unter dem Integral steht.
:Wir haben nicht die Aufgabe und nicht den Willen, ein Lehrbuch der Infinitesimalrechnung zu geben. Wir wollten nur darstellen, wie einfach und zwanglos sich die Notation Leibnizens in die schon vorhandenen Algorithmen einbauen ließ und wie durchsichtig sie dabei war. Das „Differential“ konnte nirgends entschlüpfen. Es stand, mikroskopisch vergrößert, fortwährend in der Rechnung und blieb dabei unter Kontrolle. Und es ist Leibniz kaum je passiert, falsch zu rechnen, was sich bei höheren Differentialquotienten, die Newton <math> \dot x </math>, <math> \ddot x </math> usw. schrieb, eben bei Newton selbst häufig ereignete, da er die Maschine trotz all seiner persönlichen Virtuosität nicht mehr meistern konnte.