Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 152c»

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:Archimedes erhob sich auch noch mitten im Gelage der anderen und betrat mit einer gewissen Stille im Herzen seine Gemächer, in denen ihn der Diener freudig und mit sichtbarer Neugier empfing. Da Archimedes den Namen heute noch einmal nennen wollte, gab er dem Diener kurz Bescheid, Woher der Bote gekommen sei, was dem Ägypter maßloses Staunen abzwang. Im großen Zimmer fiel der Blick des Archimedes auf die Pergamenttafeln. Er merkte sofort, wie alles, was er tat, mit der „Wirklichkeit“ verbunden war. „Du wirst eines dieser Blätter mit einem Brief, den ich heute noch schreibe, der erhabenen Aletheia überbringen. Morgen früh. Weißt du den Palast?“ „Wer sollte ihn nicht kennen?“ erwiderte der Diener leise. Träume merkwürdiger Färbung durchdrangen den Schlaf des Archimedes, die ihn erschreckten und entzückten. Ein Wirrsal aus Reise, Heimat, Geometrie, Märchen und dem Abend am See Mareotis. Als sein Geist sich aber langsam aus dem Schlafe löste, da begann er die Träume in die Ordnung des Wachseins zu übersetzen. Die Nacht hatte einen großen Gewissenszweifel 116
 
:Im großen Zimmer fiel der Blick des Archimedes auf die Pergamenttafeln. Er merkte sofort, wie alles, was er tat, mit der „Wirklichkeit“ verbunden war.
 
:„Du wirst eines dieser Blätter mit einem Brief, den ich heute noch schreibe, der erhabenen Aletheia überbringen. Morgen früh. Weißt du den Palast?“
endgültig entschieden und einen klaren Plan geboren. Der Diener meldete, er habe den Brief bereits bestellt und als Gegengabe einen Strauß fremdartiger Blumen für den Herrn erhalten. Die Herrin aber lasse sagen, daß sie sein Versprechen nicht vergessen habe, ihr in einigen Tagen wieder Gesellschaft zu leisten. Sie freue sich, daß er ihr dann auch schon von neuen Entdeckungen erzählen werde. Das also war der Sinn der viertägigen Pause? Seine Seele schäumte fast über in Dank zu der Befruchterin. Woher wußte sie so genau, was in ihm vorging? Sie sollte nicht enttäuscht sein. Sie führte ihn traumsicher zu sich selbst, um dann dieses erhöhte Selbst lächelnd in Empfang zu nehmen und neue Wege zu ersinnen, es zu stärken und zu befeuern. Und es war trotz solcher jubelnder Freude nur natürlich, daß sich gleichzeitig die Angst meldete, das Wunder zu verlieren. Das war aber wieder nicht wesentlich: denn, wenn er sich ganz besitzen ließ, verlor er gerade das, um was er am meisten bangte. Sie wollte den eigentlichsten Archimedes und nicht einen Hellenen aus Syrakus, einen durch Schönerc, Stärkere und Liebenswertere vertretbaren Mann.
 
:„Wer sollte ihn nicht kennen?“ erwiderte der Diener leise.
 
:Träume merkwürdiger Färbung durchdrangen den Schlaf des Archimedes, die ihn erschreckten und entzückten. Ein Wirrsal aus Reise, Heimat, Geometrie, Märchen und dem Abend am See Mareotis.
 
:Als sein Geist sich aber langsam aus dem Schlafe löste, da begann er die Träume in die Ordnung des Wachseins zu übersetzen. Die Nacht hatte einen großen Gewissenszweifel endgültig entschieden und einen klaren Plan geboren.
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:Der Diener meldete, er habe den Brief bereits bestellt und als Gegengabe einen Strauß fremdartiger Blumen für den Herrn erhalten. Die Herrin aber lasse sagen, daß sie sein Versprechen nicht vergessen habe, ihr in einigen Tagen wieder Gesellschaft zu leisten. Sie freue sich, daß er ihr dann auch schon von neuen Entdeckungen erzählen werde.
 
endgültig entschieden und einen klaren Plan geboren. Der Diener meldete, er habe den Brief bereits bestellt und als Gegengabe einen Strauß fremdartiger Blumen für den Herrn erhalten. Die Herrin aber lasse sagen, daß sie sein Versprechen nicht vergessen habe, ihr in einigen Tagen wieder Gesellschaft zu leisten. Sie freue sich, daß er ihr dann auch schon von neuen Entdeckungen erzählen werde. :Das also war der Sinn der viertägigen Pause? Seine Seele schäumte fast über in Dank zu der Befruchterin. Woher wußte sie so genau, was in ihm vorging? Sie sollte nicht enttäuscht sein. Sie führte ihn traumsicher zu sich selbst, um dann dieses erhöhte Selbst lächelnd in Empfang zu nehmen und neue Wege zu ersinnen, es zu stärken und zu befeuern. Und es war trotz solcher jubelnder Freude nur natürlich, daß sich gleichzeitig die Angst meldete, das Wunder zu verlieren. Das war aber wieder nicht wesentlich: denn, wenn er sich ganz besitzen ließ, verlor er gerade das, um was er am meisten bangte. Sie wollte den eigentlichsten Archimedes und nicht einen Hellenen aus Syrakus, einen durch Schönerc, Stärkere und Liebenswertere vertretbaren Mann.
Er ließ die dunkel gefleckten, betäubend duftenden Orchideen in eine Vase stellen, verlangte, daß ihm das Frühmahl ins Zimmer gebracht werde und fragte den Diener, ob er ihm eine Waage beschaffen könne. Jedoch eine möglichst feine und empfindliche. Der Diener nickte und entschwand. Archimedes aber riß sich endgültig von den Blumen und von den durch sie erweckten Gefühlen los. Und setzte sich in einer eigentümlich fiebrigen und aufgelockerten Stimmung zum Arbeitstisch. Sein Plan war gefaßt. Er wollte gewissen Geheimnissen durch Versuche an den Leib rücken. Die folgenden Stunden sahen ihn in scheinbar konfuser Geschäftigkeit. Er zeichnete, zirkelte, maß, trank dazwischen Milch, schritt im Zimmer auf und nieder, veranlaßte den Diener zu mancherlei Gängen und Arbeiten, worauf er wieder lange Berechnungen auf Blätter kritzelte. Schließlich hatte er alles beisammen, was er brauchte. Er .zeichnete auf das Pergament und schnitt daraus höchst sorgfältig Figuren. Zuerst überzeugte er sich durch Abwägen zweier kongruenter, aus dem Pergament geschnittener Figuren, daß es überall die gleiche Dicke hatte. Dann ging er weiter und
 
:Er ließ die dunkel gefleckten, betäubend duftenden Orchideen in eine Vase stellen, verlangte, daß ihm das Frühmahl ins Zimmer gebracht werde und fragte den Diener, ob er ihm eine Waage beschaffen könne. Jedoch eine möglichst feine und empfindliche. Der Diener nickte und entschwand.
 
:Archimedes aber riß sich endgültig von den Blumen und von den durch sie erweckten Gefühlen los. Und setzte sich in einer eigentümlich fiebrigen und aufgelockerten Stimmung zum Arbeitstisch. Sein Plan war gefaßt. Er wollte gewissen Geheimnissen durch Versuche an den Leib rücken.
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:Die folgenden Stunden sahen ihn in scheinbar konfuser Geschäftigkeit. Er zeichnete, zirkelte, maß, trank dazwischen Milch, schritt im Zimmer auf und nieder, veranlaßte den Diener zu mancherlei Gängen und Arbeiten, worauf er wieder lange Berechnungen auf Blätter kritzelte.
 
:Schließlich hatte er alles beisammen, was er brauchte. Er .zeichnete auf das Pergament und schnitt daraus höchst sorgfältig Figuren. Zuerst überzeugte er sich durch Abwägen zweier kongruenter, aus dem Pergament geschnittener Figuren, daß es überall die gleiche Dicke hatte. Dann ging er weiter und untersuchte eine Säule aus kreisrunden Pergamentblättchen, die er mit einer gleich dicken Säule aus Holz verglich. Dann wieder kamen Figuren an die Reihe, die er irgendwo auf einer Nadelspitze schweben ließ, um den Schwerpunkt zu finden. Schließlich wurden verschiedene Parabelsegmente vorgenommen und mittels der Waage mit umbeschriebnen Rechtecken und Parallelogrammen ins Verhältnis gesetzt, wobei ihn schon ein Schauer überrieselte, da er trotz zahlreicher Wiederholungen stets wieder sehr abgerundete Quadraturergebnisse fand, die mit den hartnäckig irrationalen Ergebnissen der Kreisquadratur an Einfacheit nicht zu vergleichen waren. Plötzlich, mitten in allen Arbeiten, durchzuckte ihn ein Gedanke. Ein scheinbar wahnsinniger Gedanke. Die Kugel war doch nichts anderes als ein Kegel, dessen Öffnungswinkel ein voller Kreis war? Wenn er also einmal die Größe der Kugeloberfiäche entdeckte, konnte er auf dem Umweg über die bereits bekannten Kegelformeln den Inhalt der Kugel bestimmen, oder umgekehrt, aus dem Rauminhalt der Kugel ihre Oberfläche. „Du mußt mir sofort einige Kugeln aus Holz oder aus Marmor verschaffen. Meinethalben aus Glas“, sagte er hastig zum Diener.
 
:Plötzlich, mitten in allen Arbeiten, durchzuckte ihn ein Gedanke. Ein scheinbar wahnsinniger Gedanke. Die Kugel war doch nichts anderes als ein Kegel, dessen Öffnungswinkel ein voller Kreis war? Wenn er also einmal die Größe der Kugeloberfiäche entdeckte, konnte er auf dem Umweg über die bereits bekannten Kegelformeln den Inhalt der Kugel bestimmen, oder umgekehrt, aus dem Rauminhalt der Kugel ihre Oberfläche.
 
:„Du mußt mir sofort einige Kugeln aus Holz oder aus Marmor verschaffen. Meinethalben aus Glas“, sagte er hastig zum Diener. „Aber schöne, glatte, durchwegs kreisrunde Kugeln. Ist das möglich?“
 
:„Gewiß“, erwiderte der Diener. „Es gibt hier einen Drechsler, der dreht sie mit einem Messer, dessen Schneide ein hohler Halbkreis ist. Wieviel dürfen die Kugeln kosten und wie groß sollen sie sein?“
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:„Da er nicht so schnell neue Drehmesser erzeugen kann, soll er sie machen, so groß er will. Der Preis ist mir einerlei. Ich brauche keine Goldkugeln und keine Edelsteinkugeln.“
 
„Aber schöne, glatte, durchwegs kreisrunde Kugeln. Ist das möglich?“ ,.Gewiß“, erwiderte der Diener. „Es gibt hier einen Drechsler, der dreht sie mit einem Messer, dessen Schneide ein hohler Halbkreis ist. Wieviel dürfen die Kugeln kosten und wie groß sollen sie sein?“ „Da er nicht so schnell neue Drehmesser erzeugen kann, soll er sie machen, so groß er will. Der Preis ist mir einerlei. Ich brauche keine Goldkugeln und keine Edelsteinkugeln.“ :„Ich verstehe“, sagte der Diener, der mit wahrem Feuereifer jeden Handgriff des Archimedes verfolgte und zu verstehen suchte. „Ich werde sie besorgen, so rasch es angeht.“ Und er huschte hinaus, nachdem ihm Archimedes eine reichliche Geldsumme eingehändigt hatte. Archimedes rief ihn noch einmal zurück. In der Zeit weniger Herzschläge war ein neuer Gedanke, besser, das unlösbare Gemenge einer Idee, eines Bildes und einer traumschnellen Überlegung in ihm emporgezuckt, dessen Tragweite er noch durchaus nicht voll überblickte. „Die eine der Kugeln soll aus zwei Halbkugeln bestehen“, sagte er zum Diener. „Verstehst du? Sie soll in zwei Halbkugeln zerschnitten sein. Aus demselben Material aber
 
:Archimedes rief ihn noch einmal zurück. In der Zeit weniger Herzschläge war ein neuer Gedanke, besser, das unlösbare Gemenge einer Idee, eines Bildes und einer traumschnellen Überlegung in ihm emporgezuckt, dessen Tragweite er noch durchaus nicht voll überblickte.
 
 
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:„Die eine der Kugeln soll aus zwei Halbkugeln bestehen“, sagte er zum Diener. „Verstehst du? Sie soll in zwei Halbkugeln zerschnitten sein. Aus demselben Material aber laß mir, so hoch wie diese Halbkugeln einzeln sind, einen Kegel und einen Zylinder drechseln. Der Grundkreis der Halbkugel aber soll der gleiche sein wie der des Kegels und des Zylinders. Ich gebe dir eine Zeichnung, damit kein Mißverständnis entsteht.“ Und er nahm ein Stück Papyros und skizzierte, was er eben gefordert hatte. „Und jetzt geh und bring mir alles, so schnell du kannst.“ Archimedes saß, ohne sich weiter um den Diener zu kümmern, bereits beim Arbeitstisch. Die Überlegungen folgten einander so rasend, so überstürzend, daß er sie mit dem Aufgebot aller Kräfte kaum zu klaren Folgen und Schlüssen ordnen konnte. Ich rücke, sprach es in ihm, der ungreifbaren Glätte der Kugel näher, sie wird plötzlich anders, wenn ich sie anders denke. Sie ist vollständig im Banne des Kreises, die Kugel. Nur im Banne des Kreises. Eudoxos und noch frühere haben die Gesetze des hellenischen Denkens und Schauens in ähnlich frevelhafter Art überschritten, wie ich es jetzt eben tue. Ich zerschneide die Kugel in zwei Halbkugeln. Eine davon betrachte ich weiter: zuerst hat sie einen Grundkreis, den Äquator, der ein größter Kreis der Kugel ist. Nehmen wir an, dieser Kreis sei eine unsäglich dünne Scheibe aus
 
:Archimedes saß, ohne sich weiter um den Diener zu kümmern, bereits beim Arbeitstisch. Die Überlegungen folgten einander so rasend, so überstürzend, daß er sie mit dem Aufgebot aller Kräfte kaum zu klaren Folgen und Schlüssen ordnen konnte.
 
:Ich rücke, sprach es in ihm, der ungreifbaren Glätte der Kugel näher, sie wird plötzlich anders, wenn ich sie anders denke. Sie ist vollständig im Banne des Kreises, die Kugel. Nur im Banne des Kreises. Eudoxos und noch frühere haben die Gesetze des hellenischen Denkens und Schauens in ähnlich frevelhafter Art überschritten, wie ich es jetzt eben tue. Ich zerschneide die Kugel in zwei Halbkugeln. Eine davon betrachte ich weiter: zuerst hat sie einen Grundkreis, den Äquator, der ein größter Kreis der Kugel ist. Nehmen wir an, dieser Kreis sei eine unsäglich dünne Scheibe aus Papyros oder pergamenischem Schreibstoff. Wie sieht der nächsthöhere Schnitt aus? Er muß kleiner sein, ist aber Wieder eine Kreisscheibe. Ebenso der nächste, der vierte, fünfte, sechste, siebente, hundertste, tausendste. Kreisscheiben, nichts als Kreisscheiben, deren jede kleiner ist als die vorhergegangene. Schließlich aber werden die Kreise so klein, daß sie ins Unsichtbare verschwinden, und am Schluß gibt es einen Kreis, der ein Punkt ist. Also ein Nichts. Das ist der Pol. Da aber die halbe Kugel, also auch die ganze Kugel, aus lauter Kreisscheiben besteht, muß der Rauminhalt der Kugel mit dem Flächeninhalt des Kreises zusammenhängen. Denn selbst wenn ich alle die zusammensetzenden Kreisscheiben als unsäglich niedere Zylinder betrachte, kommt ja nur noch der linienhafte Faktor der Höhe hinzu. Alle Höhen dieser Scheiben zusammen sind aber nichts als der Halbmesser der Kugel für die Halbkugel und der Durchmesser für die ganze Kugel. Nun kann man sich Zylinder und Kegel ebenso aus Kreisscheiben aufgebaut denken. Beim Zylinder sind es lauter gleich große Scheiben, beim Kegel stets kleiner werdende, die bei der Kegelspitze ebenfalls zum Punkt einschrumpfen. Aber das Gesetz des Kleinerwerdens ist beim Kegel ein anderes als bei der Kugel. Beim Kegel werden die Scheiben gleichmäßig, bei -der Kugel zunehmend kleiner. Gleich wie es Reihen von Bruchzahlen gibt, die gleichförmig, und solche, die zunehmend sich in den einzelnen Gliedern verkleinern.
 
als bei der Kugel. Beim Kegel werden die Scheiben gleichmäßig, bei -der Kugel zunehmend kleiner. Gleich wie es Reihen von Bruchzahlen gibt, die gleichförmig, und solche, die zunehmend sich in den einzelnen Gliedern verkleinern. :Nun weiß ich aber, wie groß der Rauminhalt des Kegels und der des Zylinders ist. Gesucht bleibt der Kugel- oder der Halbkugelinhalt. Ich kann jedoch die drei Körper sehr gut vergleichen, wenn sie alle die gleiche Basisfläche und die gleiche Höhe haben. Der Zylinder ist dann größer, der Kegel bestimmt kleiner als die Halbkugel. Schneide ich die drei Körper senkrecht in der Achse, dann wird aus der Halbkugel ein Halbkreis, aus dem Zylinder ein diesem Halbkreis umgeschriebenes Rechteck, dessen Grundlinie der Kugeldurchmesser und dessen Höhe der Halbmesser ist. Der Kegelschnitt aber wird ein dem Halbkreis eingeschriebenes gleichschenkeliges Dreieck mit dem Durchmesser als Basis und dem Halbmesser als Höhe. Lassen wir diesen senkrechten Schnitt. Ich weiß, daß er mir dereinst unabsehbare Dienste leisten wird. Jetzt aber verwirrt er nur alles. Bleiben wir bei den Kreisscheiben. Wenn sich also alle drei Körper aus Kreisscheiben
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:Lassen wir diesen senkrechten Schnitt. Ich weiß, daß er mir dereinst unabsehbare Dienste leisten wird. Jetzt aber verwirrt er nur alles. Bleiben wir bei den Kreisscheiben. Wenn sich also alle drei Körper aus Kreisscheiben zusammensetzen, dann steckt in allen drei Körpern Schicht für Schicht der Kreis. Und nichts als der Kreis. Es gibt ja keinen anderen zusammensetzenden Bestandteil als den Kreis. Daher muß im ganzen Körper die Eigenschaft des Kreises enthalten sein, und zwar in allen Grundflächen der als unsäglich niedere Zylinder gedachten Kreisscheiben. Da alle drei Körper die gleiche Höhe haben, die die Summe aller Scheibenhöhen ist, fällt sie bei einem Vergleich der drei Körper heraus. Aber es fällt auch die Kreiseigenschaft heraus. Übrig bleibt dann lediglich eine Vergleichszahl, die ich mit der Waage als Gewicht feststellen kann, wenn alle drei Körper aus dem gleichen Stoff bestehen. Dann aber kann ich sofort wieder aus dieser Verhältniszahl und der mir ja schon bekannten Inhaltsformel des Kegels oder des Zylinders die Kugelinhaltsformel gewinnen, wobei ich für die Höhe schließlich den Halbmesser einsetze, die sich mit dem Halbmesserquadrat der Grundfläche zu einem Kubus gestalten muß. Die Formel für den Kugelrauminhalt lautet also Kubus des Kugelhalbmessers mal der Kreiseigenschaft mal irgendeiner Verhältniszahl zum Zylinder oder zum Kegel. Zylinder und Kegel stehen ja untereinander wieder im Raumverhältnis eins zu drei, wenn sie die gleiche Höhe haben und auf demselben Basiskreis ruhen.
 
:Es bleibt also eigentlich nur mehr die Aufgabe übrig, die Kreiseigenschaft möglichst genau zu berechnen, damit ich in die Lage komme, auch wirkliche Inhaltsberechnungen durchzuführen.
Papyros oder pergamenischem Schreibstoff. Wie sieht der nächsthöhere Schnitt aus? Er muß kleiner sein, ist aber Wieder eine Kreisscheibe. Ebenso der nächste, der vierte, fünfte, sechste, siebente, hundertste, tausendste. Kreisscheiben, nichts als Kreisscheiben, deren jede kleiner ist als die vorhergegangene. Schließlich aber werden die Kreise so klein, daß sie ins Unsichtbare verschwinden, und am Schluß gibt es einen Kreis, der ein Punkt ist. Also ein Nichts. Das ist der Pol. Da aber die halbe Kugel, also auch die ganze Kugel, aus lauter Kreisscheiben besteht, muß der Rauminhalt der Kugel mit dem Flächeninhalt des Kreises zusammenhängen. Denn selbst wenn ich alle die zusammensetzenden Kreisscheiben als unsäglich niedere Zylinder betrachte, kommt ja nur noch der linienhafte Faktor der Höhe hinzu. Alle Höhen dieser Scheiben zusammen sind aber nichts als der Halbmesser der Kugel für die Halbkugel und der Durchmesser für die ganze Kugel. Nun kann man sich Zylinder und Kegel ebenso aus Kreisscheiben aufgebaut denken. Beim Zylinder sind es lauter gleich große Scheiben, beim Kegel stets kleiner werdende, die bei der Kegelspitze ebenfalls zum Punkt einschrumpfen. Aber das Gesetz des Kleinerwerdens ist beim Kegel ein anderes
 
zu drei, wenn sie die gleiche Höhe haben und auf demselben Basiskreis ruhen. Es bleibt also eigentlich nur mehr die Aufgabe übrig, die Kreiseigenschaft möglichst genau zu berechnen, damit ich in die Lage komme, auch wirkliche Inhaltsberechnungen durchzuführen. :Für die Kugeloberfläche aber habe ich schon früher den Weg gefunden. Sie ist die gedachte Grundfläche eines Kegels, dessen Höhe der Halbmesser ist. Eigentlich ist die Kugel eine Unzahl winziger Kegel, die ihre Grundflächen in der Kugelfläche und den Scheitel im Kugelmittelpunkt haben. Sie schließen aneinander wie unzählbar viele Tüten oder Wespenwaben. Nun weiß ich schon vieles. Fast alles. Denn die Kugeloberfläche mal dem Halbmesser, der ja die Höhe aller Kleinkegel bildet, mal einem Drittel, das ja aus der Kegelformel bekannt ist, muß gleich sein dem Kubus des Halbmessers mal der Kreiseigenschaft mal der durch die Waage festzustellenden Verhältniszahl zum Kegel, der die Basis des Größtkreises und die Höhe des Halbmessers hat. Daraus aber folgt zwingend, daß die Kugeloberfläche irgendein Vielfaches dieses Größtkreises sein muß. Ich werde jetzt die Kreiseigenschaft, die
 
 
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als bei der Kugel. Beim Kegel werden die Scheiben gleichmäßig, bei -der Kugel zunehmend kleiner. Gleich wie es Reihen von Bruchzahlen gibt, die gleichförmig, und solche, die zunehmend sich in den einzelnen Gliedern verkleinern. Nun weiß ich aber, wie groß der Rauminhalt des Kegels und der des Zylinders ist. Gesucht bleibt der Kugel- oder der Halbkugelinhalt. Ich kann jedoch die drei Körper sehr gut vergleichen, wenn sie alle die gleiche Basisfläche und die gleiche Höhe haben. Der Zylinder ist dann größer, der Kegel bestimmt kleiner als die Halbkugel. Schneide ich die drei Körper senkrecht in der Achse, dann wird aus der Halbkugel ein Halbkreis, aus dem Zylinder ein diesem Halbkreis umgeschriebenes Rechteck, dessen Grundlinie der Kugeldurchmesser und dessen Höhe der Halbmesser ist. Der Kegelschnitt aber wird ein dem Halbkreis eingeschriebenes gleichschenkeliges Dreieck mit dem Durchmesser als Basis und dem Halbmesser als Höhe. Lassen wir diesen senkrechten Schnitt. Ich weiß, daß er mir dereinst unabsehbare Dienste leisten wird. Jetzt aber verwirrt er nur alles. Bleiben wir bei den Kreisscheiben. Wenn sich also alle drei Körper aus Kreisscheiben
 
 
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zusammensetzen, dann steckt in allen drei Körpern Schicht für Schicht der Kreis. Und nichts als der Kreis. Es gibt ja keinen anderen zusammensetzenden Bestandteil als den Kreis. Daher muß im ganzen Körper die Eigenschaft des Kreises enthalten sein, und zwar in allen Grundflächen der als unsäglich niedere Zylinder gedachten Kreisscheiben. Da alle drei Körper die gleiche Höhe haben, die die Summe aller Scheibenhöhen ist, fällt sie bei einem Vergleich der drei Körper heraus. Aber es fällt auch die Kreiseigenschaft heraus. Übrig bleibt dann lediglich eine Vergleichszahl, die ich mit der Waage als Gewicht feststellen kann, wenn alle drei Körper aus dem gleichen Stoff bestehen. Dann aber kann ich sofort wieder aus dieser Verhältniszahl und der mir ja schon bekannten Inhaltsformel des Kegels oder des Zylinders die Kugelinhaltsformel gewinnen, wobei ich für die Höhe schließlich den Halbmesser einsetze, die sich mit dem Halbmesserquadrat der Grundfläche zu einem Kubus gestalten muß. Die Formel für den Kugelrauminhalt lautet also Kubus des Kugelhalbmessers mal der Kreiseigenschaft mal irgendeiner Verhältniszahl zum Zylinder oder zum Kegel. Zylinder und Kegel stehen ja untereinander wieder im Raumverhältnis eins
 
 
 
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zu drei, wenn sie die gleiche Höhe haben und auf demselben Basiskreis ruhen. Es bleibt also eigentlich nur mehr die Aufgabe übrig, die Kreiseigenschaft möglichst genau zu berechnen, damit ich in die Lage komme, auch wirkliche Inhaltsberechnungen durchzuführen. Für die Kugeloberfläche aber habe ich schon früher den Weg gefunden. Sie ist die gedachte Grundfläche eines Kegels, dessen Höhe der Halbmesser ist. Eigentlich ist die Kugel eine Unzahl winziger Kegel, die ihre Grundflächen in der Kugelfläche und den Scheitel im Kugelmittelpunkt haben. Sie schließen aneinander wie unzählbar viele Tüten oder Wespenwaben. Nun weiß ich schon vieles. Fast alles. Denn die Kugeloberfläche mal dem Halbmesser, der ja die Höhe aller Kleinkegel bildet, mal einem Drittel, das ja aus der Kegelformel bekannt ist, muß gleich sein dem Kubus des Halbmessers mal der Kreiseigenschaft mal der durch die Waage festzustellenden Verhältniszahl zum Kegel, der die Basis des Größtkreises und die Höhe des Halbmessers hat. Daraus aber folgt zwingend, daß die Kugeloberfläche irgendein Vielfaches dieses Größtkreises sein muß. Ich werde jetzt die Kreiseigenschaft, die
 
 
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:Ich werde jetzt die Kreiseigenschaft, die unzugängliche Zahl der Zahlen, jenes irrationale Gespenst, aufsuchen oder mich an seine Ungreifbarkeit nach der Methode des Eudoxos heranpürschen. Dann habe ich die Kugel ebenso überwunden, wie wir bisher schon den Kreis überwanden oder wenigstens ahnend erforschten. Die Kreiszahl gibt erst allen For- meln des Kegels, des Zylinders und der Kugel die Wirklichkeit. Archimedes sank mit dem Kopf vor Erschöpfung schweißüberströmt auf die Blätter, die bereits mit zahllosen Zeichnungen und Formeln bedeckt waren. Seine Schläfen hämmerten, sein Puls jagte. Und das Wort Wirklichkeit, das seine Gedankenflucht abgeschlossen hatte, traf ihn als zweite, überschwemmende Gefühlswoge. War es noch Vormittag oder schon Nachmittag? Er wußte es nicht. Wußte nur, daß er so schwach, so ausgehöhlt, so zerwühlt von Geistes- und Gefühlskatarakten war, daß er die Wirklichkeit herbeisehnte, die ihn in die Katarakte geworfen hatte. Sie würde seine Sehnsucht stillen, um sie ins Ungemessene zu steigern. Windstille und Sturm. Wo ist das helle, blaue, weißgesprenkelte Wellengekräusel in Mittagssonnenglut? Wo ist die Erfüllungslust des Aristippos?
 
 
 
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Er wußte nicht, wie lange sein Kopf auf schmerzenden Armen ruhte, er fühlte nur, wie kitzelnde Schweißperlen über sein Gesicht liefen, die er zu willenlos war fortzuwischen. Und er erwachte erst, als er das unverkennbar melodische Klappern harten, trockenen Holzes hörte. Da sprang er auf, und alle Müdigkeit war plötzlich verweht. Denn es nahte die Entscheidung. Er sah, wie der Diener die frisch gedrehten Holzmodelle auf den zweiten Tisch legte. Und er fürchtete nur noch, der Ägypter könne etwas vergessen haben. Nein, er hatte nichts vergessen. Die Kugel war da, die sich in zwei Halbkugeln spalten ließ, der Zylinder, der eher einem plumpen Klotz glich, und der Kegel war da. Und noch andere Kugeln verschiedener Größe. „Du wirst mir jetzt helfen“, sagte Archimedes heiser vor Erregung und nahm die Waage, während er die Gewichte der Größe nach auf den Tisch reihte. „Leg zuerst einmal den Kegel auf die Waage.“ Während er noch sprach, lief er mit der Waage in der Hand wieder zurück zum Arbeitstisch und holte sich Papyrosblätter und Schreibstifte. Der Ägypter lächelte vor Neugierde. So
 
 
 
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fein allerdings, daß man es kaum bemerkte. Ungeheuer behutsam stellte er den Holzkegel auf die eine Waagschale und richtete ihn sorgfältig aus. „Diese erste Zahl ist eine Zahl, sonst nichts“, murmelte Archimedes vor sich hin. „Man kann sicherlich aus ihr die Kreiszahl gewinnen, wenn man sie dreifach nimmt und durch den Kubus des Halbmessers teilt. Allerdings ist dabei noch die Schwere des Holzes zu berücksichtigen.“ Dabei legte er die Gewichte auf die andre Waagschale und vertauschte dann zur Vorsicht Kegel und Gewichte. Die Waage war äußerst genau. Ein merkbarer Unterschied der beiden Wägungen war nicht festzustellen. Er hatte bei dieser Feinarbeit fast wieder das Ziel vergessen und schrieb die gefundene Gewichtsgröße auf den Papyros. Um so stärker begann sein Herz zu pochen, als er sich bewußt ward, daß durch die zweite Wägung das Problem schon in aller Größe aufgerollt war. „Nun die Halbkugel. Oder, besser, wir prüfen zuerst, ob sie beide gleich schwer sind. Der Drechsler kann unregelmäßig gearbeitet haben oder das Holz kann ungleichmäßig schwer sein.“ Der Ägypter machte alle Handreichungen
 
 
 
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geduldig, geschickt und zart. Man sah sofort, daß der Drechsler richtig gearbeitet hatte und daß das Holz durchwegs gleichgewichtig war. Nach einigen Proben notierte Archimedes den gefundenen Versuchswert und sah nicht auf den ersten des Kegels. Er nahm vielmehr in der gleichen Art den Zylinder vor. Als auch dieses Gewicht bestimmt war, schickte er den Diener hinaus. Er wollte allein sein mit seiner Entdeckung oder mit seiner Enttäuschung. Als er sich zum Arbeitstisch gesetzt hatte, begann die unfehlbare Rechen- und Denkmaschine in seinem Inneren sofort zu arbeiten. Es muß, sagte diese Maschine, zuerst das Gewicht des Kegels durch drei geteilt werden. Wenn ich dann das Kugelgewicht durch diese so gefundene Größe dividiere, erhalte ich den Zähler eines Bruches, dessen Nenner ebenfalls drei ist. Dieser Bruch aber ist die von mir gesuchte Vervielfältigungszahl, mit der ich den Kubus des Halbmessers der Kugel und dazu die Kreiszahl vervielfachen muß, um die Inhaltsformel der Halbkugel zu besitzen. Noch einmal verdoppelt ergibt das die Kugelinhaltsformel. Er sah auf das Blatt und seine Knie zitterten.
 
 
 
 
:Archimedes sank mit dem Kopf vor Erschöpfung schweißüberströmt auf die Blätter, die bereits mit zahllosen Zeichnungen und Formeln bedeckt waren. Seine Schläfen hämmerten, sein Puls jagte. Und das Wort Wirklichkeit, das seine Gedankenflucht abgeschlossen hatte, traf ihn als zweite, überschwemmende Gefühlswoge.
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:War es noch Vormittag oder schon Nachmittag? Er wußte es nicht. Wußte nur, daß er so schwach, so ausgehöhlt, so zerwühlt von Geistes- und Gefühlskatarakten war, daß er die Wirklichkeit herbeisehnte, die ihn in die Katarakte geworfen hatte. Sie würde seine Sehnsucht stillen, um sie ins Ungemessene zu steigern. Windstille und Sturm. Wo ist das helle, blaue, weißgesprenkelte Wellengekräusel in Mittagssonnenglut? Wo ist die Erfüllungslust des Aristippos?
 
:Er wußte nicht, wie lange sein Kopf auf schmerzenden Armen ruhte, er fühlte nur, wie kitzelnde Schweißperlen über sein Gesicht liefen, die er zu willenlos war fortzuwischen. Und er erwachte erst, als er das unverkennbar melodische Klappern harten, trockenen Holzes hörte.
War es möglich? Eine einfache, klare, rationale Lösung? Die gesuchte Zahl war zwei. Und sofort weiter die Zahl für den Zylinder drei. Es verhielt sich also Kegel, Halbkugel und Zylinder unter den von ihm geforderten Voraussetzungen wie eins zu zwei zu drei. Und die Kugelformel lautete vier Drittel mal der Kreiszahl mal dem Kubus des Halbmessers. Er hatte als erster auf dieser Erde den Inhalt der bisher unzugänglichen Kugel entdeckt. Wenn der Versuch nicht trog. Doch es gab sofort eine weitere Prüfungsmöglichkeit. Die folgenden Stunden waren ausgefüllt von angespanntestem Ringen un-d toller Angst, ob nicht doch alles am Ende nur Täuschung sei. Es war zu einfach, zu harmonisch, zu von Gott geschaffen, was sich zeigte. Er maß auf verschiedenste Arten die anderen Holzkugeln, rechnete nach der neuen Formel am Inhalt, wobei er das Gewicht der ersten Kugel mit den Gewichten der anderen Kugeln verglich. Da er die Kreiszahl nicht genau kannte, arbeitete er mit Proportionen. Alles stimmte, kein Widerspmch zeigte sich. Und es löste sich ebenso alles vor seinen Blicken zu seltsamster Beziehung, als er die Kugeloberfläche mit dem Maß von vier
 
:Da sprang er auf, und alle Müdigkeit war plötzlich verweht. Denn es nahte die Entscheidung.
 
:Er sah, wie der Diener die frisch gedrehten Holzmodelle auf den zweiten Tisch legte. Und er fürchtete nur noch, der Ägypter könne etwas vergessen haben. Nein, er hatte nichts vergessen. Die Kugel war da, die sich in zwei Halbkugeln spalten ließ, der Zylinder, der eher einem plumpen Klotz glich, und der Kegel war da. Und noch andere Kugeln verschiedener Größe.
 
:„Du wirst mir jetzt helfen“, sagte Archimedes heiser vor Erregung und nahm die Waage, während er die Gewichte der Größe nach auf den Tisch reihte. „Leg zuerst einmal den Kegel auf die Waage.“ Während er noch sprach, lief er mit der Waage in der Hand wieder zurück zum Arbeitstisch und holte sich Papyrosblätter und Schreibstifte.
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:Der Ägypter lächelte vor Neugierde. So fein allerdings, daß man es kaum bemerkte. Ungeheuer behutsam stellte er den Holzkegel auf die eine Waagschale und richtete ihn sorgfältig aus.
 
fein allerdings, daß man es kaum bemerkte. Ungeheuer behutsam stellte er den Holzkegel auf die eine Waagschale und richtete ihn sorgfältig aus. :„Diese erste Zahl ist eine Zahl, sonst nichts“, murmelte Archimedes vor sich hin. „Man kann sicherlich aus ihr die Kreiszahl gewinnen, wenn man sie dreifach nimmt und durch den Kubus des Halbmessers teilt. Allerdings ist dabei noch die Schwere des Holzes zu berücksichtigen.“ Dabei legte er die Gewichte auf die andre Waagschale und vertauschte dann zur Vorsicht Kegel und Gewichte. Die Waage war äußerst genau. Ein merkbarer Unterschied der beiden Wägungen war nicht festzustellen. Er hatte bei dieser Feinarbeit fast wieder das Ziel vergessen und schrieb die gefundene Gewichtsgröße auf den Papyros. Um so stärker begann sein Herz zu pochen, als er sich bewußt ward, daß durch die zweite Wägung das Problem schon in aller Größe aufgerollt war. „Nun die Halbkugel. Oder, besser, wir prüfen zuerst, ob sie beide gleich schwer sind. Der Drechsler kann unregelmäßig gearbeitet haben oder das Holz kann ungleichmäßig schwer sein.“ Der Ägypter machte alle Handreichungen
 
:Er hatte bei dieser Feinarbeit fast wieder das Ziel vergessen und schrieb die gefundene Gewichtsgröße auf den Papyros. Um so stärker begann sein Herz zu pochen, als er sich bewußt ward, daß durch die zweite Wägung das Problem schon in aller Größe aufgerollt war.
 
:„Nun die Halbkugel. Oder, besser, wir prüfen zuerst, ob sie beide gleich schwer sind. Der Drechsler kann unregelmäßig gearbeitet haben oder das Holz kann ungleichmäßig schwer sein.“
Kugelgrößtkreisen fand. Diese Tatsache erschütterte ihn am meisten. War sie nicht ein Wunder? Hatte wirklich ein Kugelviertel die Oberfläche eines Größtkreises? Woher kam diese rätseldurchsetzte Launenhaftigkeit der krummen Linien und Flächen, daß sie einmal in hoffnungslose Irrationalität lockten, das andere Mal wieder geradezu unwahrscheinlich einfache Proportionen lieferten? Warum war das Parabelsegment rational quadrierbar, das Kreissegment als die regelmäßigere Figur dagegen nicht? Der Diener brachte, ohne zu fragen, ein Abendbrot. Archimedes sah es plötzlich, aß ein wenig Obst und arbeitete weiter. Er bemerkte nicht einmal, daß bereits die Lampen brannten. Was nützte ihm alles? Er hatte sich bisher ja bloß in das Geheimnis hineingeschwindelt. Was fehlte, war das Wesentliche, ohne das er weder den Hellenen noch der Nachwelt unter die Augen treten konnte. Es fehlte der strenge geometrische Beweis der Kugelformeln und es fehlte die Kenntnis der Kreiszahl. Was würde der kleine Apollonios sagen, wenn er wüßte, daß der große Archimedes mit der Waage Mathematik trieb? Würde er lachen oder gar bloß vor ihm ausspeien?
 
:Der Ägypter machte alle Handreichungen geduldig, geschickt und zart. Man sah sofort, daß der Drechsler richtig gearbeitet hatte und daß das Holz durchwegs gleichgewichtig war.
 
:Nach einigen Proben notierte Archimedes den gefundenen Versuchswert und sah nicht auf den ersten des Kegels. Er nahm vielmehr in der gleichen Art den Zylinder vor.
 
:Als auch dieses Gewicht bestimmt war, schickte er den Diener hinaus. Er wollte allein sein mit seiner Entdeckung oder mit seiner Enttäuschung.
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geduldig, geschickt und zart. Man sah sofort, daß der Drechsler richtig gearbeitet hatte und daß das Holz durchwegs gleichgewichtig war. Nach einigen Proben notierte Archimedes den gefundenen Versuchswert und sah nicht auf den ersten des Kegels. Er nahm vielmehr in der gleichen Art den Zylinder vor. Als auch dieses Gewicht bestimmt war, schickte er den Diener hinaus. Er wollte allein sein mit seiner Entdeckung oder mit seiner Enttäuschung. :Als er sich zum Arbeitstisch gesetzt hatte, begann die unfehlbare Rechen- und Denkmaschine in seinem Inneren sofort zu arbeiten. Es muß, sagte diese Maschine, zuerst das Gewicht des Kegels durch drei geteilt werden. Wenn ich dann das Kugelgewicht durch diese so gefundene Größe dividiere, erhalte ich den Zähler eines Bruches, dessen Nenner ebenfalls drei ist. Dieser Bruch aber ist die von mir gesuchte Vervielfältigungszahl, mit der ich den Kubus des Halbmessers der Kugel und dazu die Kreiszahl vervielfachen muß, um die Inhaltsformel der Halbkugel zu besitzen. Noch einmal verdoppelt ergibt das die Kugelinhaltsformel. Er sah auf das Blatt und seine Knie zitterten.
 
:Er sah auf das Blatt und seine Knie zitterten. War es möglich? Eine einfache, klare, rationale Lösung? Die gesuchte Zahl war zwei. Und sofort weiter die Zahl für den Zylinder drei. Es verhielt sich also Kegel, Halbkugel und Zylinder unter den von ihm geforderten Voraussetzungen wie eins zu zwei zu drei. Und die Kugelformel lautete vier Drittel mal der Kreiszahl mal dem Kubus des Halbmessers.
 
:Er hatte als erster auf dieser Erde den Inhalt der bisher unzugänglichen Kugel entdeckt. Wenn der Versuch nicht trog. Doch es gab sofort eine weitere Prüfungsmöglichkeit.
Nein, Apollonios, so einfach ist das alles nicht, wie du denkst! Es handelt sich da wieder einmal um den letzten Sinn der Wirklichkeit. Und Archimedes hat etwas gefunden, ein herakleitisches, ein dionysisches, ein Mysteriengeheimnis, das vielleicht nur Eingeweihte verstehen: Alles fließt ineinander. So heißt das Geheimnis. Aus dem pergamenischen Blatt, das vor mir liegt, kann ich mit einem Schabmesser eine stets dünnere Fläche machen. Dünner und dünner, bis sie schließlich nicht mehr vorhanden ist. Aber den Begriff, die Idee der Fläche und ihrer Beziehungen, ja sogar die Gesamtheit ihrer Schwerpunktseigenschaften kann ich mit dem Schabmesser nicht tilgen. Die Form bleibt, und es bleibt der Schwerpunkt auch dann richtig und deutlich, wenn die Fläche die Schwere verloren hat. Das aber ist das Wunder. Und man kann sagen, daß es zwei Wirklichkeiten gibt, die einander überfließen. Die Wirklichkeit der Form und die Wirklichkeit des Greifbaren. Hier aber beginnt die neue Wisenschaft, die weder Mathematik noch reines Probieren ist. Es ist die Statik, die Wissenschaft vom Gleichgewicht, die ich auch in paradoxester Art am Gewichtslosen erforschen kann. Ja, ich erzwinge mir sogar meinen Eintritt in dieses Wissensgebiet aus der schwerelosen Zone der Ideen, Beziehungen und Formverschwisterungen.
 
War es möglich? Eine einfache, klare, rationale Lösung? Die gesuchte Zahl war zwei. Und sofort weiter die Zahl für den Zylinder drei. Es verhielt sich also Kegel, Halbkugel und Zylinder unter den von ihm geforderten Voraussetzungen wie eins zu zwei zu drei. Und die Kugelformel lautete vier Drittel mal der Kreiszahl mal dem Kubus des Halbmessers. Er hatte als erster auf dieser Erde den Inhalt der bisher unzugänglichen Kugel entdeckt. Wenn der Versuch nicht trog. Doch es gab sofort eine weitere Prüfungsmöglichkeit. :Die folgenden Stunden waren ausgefüllt von angespanntestem Ringen un-d toller Angst, ob nicht doch alles am Ende nur Täuschung sei. Es war zu einfach, zu harmonisch, zu von Gott geschaffen, was sich zeigte. Er maß auf verschiedenste Arten die anderen Holzkugeln, rechnete nach der neuen Formel am Inhalt, wobei er das Gewicht der ersten Kugel mit den Gewichten der anderen Kugeln verglich. Da er die Kreiszahl nicht genau kannte, arbeitete er mit Proportionen. Alles stimmte, kein Widerspmch zeigte sich. Und es löste sich ebenso alles vor seinen Blicken zu seltsamster Beziehung, als er die Kugeloberfläche mit dem Maß von vier
 
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