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:Mathematik und Natur
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:Bevor wir weiterschreiten, ist eine grundlegende Bemerkung notwendig, die für das ganze Mittelalter und fur den Beginn der Neuzeit gilt. Der Niederschlag der Tatsache, von der wir sprechen wollen, findet sich fast in allen Geschichtswerken der Mathematik, und auch eine Epochengeschichte kann nicht stillschweigend über das Neue hinweggehen, das konstellationsmäßig in die abendländische Welt gekommen ist.
:Bevor wir weiterschreiten, ist eine grundlegende Be-
:Wir haben gesehen, daß die hellenische Mathematik, gleich ihrer Schutzgöttin Pallas Athene, voll gewappnet aus dem Haupte des Zeus sprang und sich weiterhin, als eine gehütete Kunst, fast vollständig rein hielt. Dadurch wurde sie stark und groß, dadurch aber verlor sie den Zusammenhang mit dem Leben, erstarrte und ging unter. Dadurch aber auch ward sie völlig individualistisch und ihr Wesen knüpfte sich eindeutig an die Namen der Bahnbrecher, die ihr priesterlich dienten.
merkung notwendig, die für das ganze Mittelalter und
:Wir werden auch in der Neuzeit ahnliche Erscheinungen, gleichsam ein klassisches Zeitalter der Mathematik, beobachten können.. Es bleiben aber doch wesentliche Unterschiede zwischen einer Entwicklung, die aus dem Nichts eine Wissenschaft aufbaut, und einer Weiterentwicklung, die auf einem schon einmal aufgetürmten Kosmos fußt und diesen nur einer vollständig andersgearteten Seele anpaßt.
fur den Beginn der Neuzeit gilt. Der Niederschlag der
:Es ist natürlich zuzugeben, daß sich rein gestaltmäßig viel von dem wiederholte, was sich bereits auf dem Boden des klassischen Altertums abgespielt hatte. Es wiederholte sich aber zum Teil unter dem direkten Einfluß dieser vorhergegangenen Entwicklung. Und dann war es auch von vornherein anders bedingt. Vier große Kulturkreise, Italiener, Deutsche, Franzosen, Engländer, arbeiteten unter sehr verschiedenen inneren und äußeren Antrieben und Bedingungen an der Neugestaltung unserer Wissenschaft, und über allem stand verbindend zuerst der Einfluß der römischen Kirche, dann aber trennend die Antithese zwischen katholischem und protestantischem Denken, wenn man vorläufig vom Einfluß der Philosophie noch absieht, der sich spater mächtig geltend machte. Dazu aber kam außerdem noch ein sehr intensives Schulwesen, das von der religiösen und sozialen Struktur beeinflußt war.
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:Wir wollen mit all dem andeuten, daß wir unsere weitere Darstellung zunehmend mehr auf die Epochen als auf deren Baumeister abstellen müssen. Denn es waren oft nicht die größten Mathematiker, die das Neue brachten. Insbesondere nicht in der „Vorbereitungszeit“, die etwa bis zum Auftreten des Descartes währte.
Tatsache, von der wir sprechen wollen, findet sich fast
:Diese Verwahrung muß eingelegt werden, damit im Leser kein schiefes Bild der Entwicklung entsteht. Und es muß verhütet werden, daß man sich wundert, Namen besten Klanges, wie etwa die eines Regiomontanus oder Peuerbach, nur nebenbei erwähnt zu finden, während weit weniger universelle Mathematiker zu Sinnbildern von Epochen gestempelt Werden. Sie sind aber, bis auf Descartes, weniger als Repräsentanten denn als Beispiele und Streiflichter aufzufassen. Denn von unserem momentanen Standort bis zu Cartesius arbeiteten gleichsam nicht einzelne, sondern es schuf eine ganze Zeit. Und die Mathematik entwuchs einer Reihe von Triebkräften, die bei den wichtigsten Völkern mit verschiedenem Anteil mitwirkten.
in allen Geschichtswerken der Mathematik, und auch eine
:Es ist also schon hier am Platze, die Kräfte zu untersuchen, die als Paten die neue Zeit begleiteten und antrieben. Auf italienischem Boden war es, wie wir schon bei Leonardo von Pisa sahen, das Handelswesen, das in doppelter Weise auf die Mathematik wirkte. Es war ja nicht nur durch seine rein äußerliche Beweglichkeit, durch den Reiseverkehr und durch die Völkerberührung ein Anlaß und eine Unterstützung für mathematische Bemühungen gewesen; sondern es stellte darüber hinaus in seiner eigensten Sphäre Problem über Problem. Buchführung, Münzumrechnung, Zinsenrechnung, Geographie und Astronomie waren ohne arithmetische Kenntnisse kaum zu bewältigen, insbesondere dann nicht, wenn man guten Rechnern, wie den Arabern, gegenüberstand und die Probleme an sich selbst stets verwickelter wurden.
Epochengeschichte kann nicht stillschweigend über das
:Der äußerlichsten Triebkraft des Handels aber stellte sich bald als zweite die innerlichste tiefster Philosophie an die Seite, die nicht zuletzt aus religiösen Gedankenkreisen gespeist wurde.- »Durch die Gründung der Universitäten von Oxford, Paris und Bologna, die zur Zeit Leonardos von Pisa schon in hohem Ansehen standen, war eine neue Geisteskultur erwacht, die später von den Humanisten, halb herabsetzend, die Scholastik genannt wurde. Wir werden aber gleich zeigen, daß eben aus diesen philosophischen Bereichen vielleicht die entscheidendsten Einflüsse für den Weiterbau der Mathematik entspringen. Und es wird sich herausstellen, daß die Naturwissenschaft, die sich über kurz oder lang geradezu als Antipodin der Scholastik fühlte, ihre mächtigste Waffe halb unbewußt durch die Scholastik empfing.
Neue hinweggehen, das konstellationsmäßig in die abend-
:Es handelt sich dabei um die ganze Problemgruppe, die wir schon bei Archimedes angetroffen haben. Um die Begriffe der Stetigkeit, der Unendlichkeit und um einen neuen Begriff, der erst auf „faustischem“ Boden wuchs, um den Begriff der Funktion.
landische Welt gekommen ist.
:Wir kehren also in die Zeit des Leonardo von Pisa, in den Beginn des dreizehnten nachchristlichen Jahrhunderts, zurück. Noch zu Lebzeiten erwuchs dem Pisaner in J rdanus Nemorarius, einem Deutschen, ein mächtiger N ebenbuhler. Jordanus war Dominikaner. Auf Einzelheiten seines umfassenden mathematischen Werkes, das nach allen Seiten großen Einfluß übte, wollen wir nicht eingehen. Wir wollen bloß einige Einleitungssätze seiner Schrift über die Dreiecke (de triangulis) unter die Lupe nehmen, die uns in verblüffender Art zeigen, wie weit sich schon der „faustische“ Geist von seinen arabischen und griechischen Vorbildern entfernt und selbständig gemacht hatte. Wir lesen dort Definitionen, von denen wir glauben würden, sie stammten aus dem neunzehnten Jahrhundert und seien Untersuchungen von Dedekind oder Bolzano. So definiert J ordanus folgendermaßen: „Stetigkeit ist Nichtunterscheidbarkeit von Grenzstellen, verbunden mit der Möglichkeit, abzugrenzen.“ „Der Punkt ist die Festlegung der einfachen Stetigkeit.“ „Ein Winkel entsteht durch das Zusammentreffen zweier stetiger Gebilde an einem Endpunkt ihrer Stetigkeit.“
Wir haben gesehen, daß die hellenische Mathematik,
gleich ihrer Schutzgöttin Pallas Athene, voll gewappnet
aus dem Haupte des Zeus sprang und sich weiterhin,
als eine gehütete Kunst, fast vollständig rein hielt.
Dadurch wurde sie stark und groß, dadurch aber verlor
sie den Zusammenhang mit dem Leben, erstarrte und
ging unter. Dadurch aber auch ward sie völlig individua-
listisch und ihr Wesen knüpfte sich eindeutig an die
Namen der Bahnbrecher, die ihr priesterlich dienten.
Wir werden auch in der Neuzeit ahnliche Erscheinungen,
gleichsam ein klassisches Zeitalter der Mathematik, beob-
achten können.. Es bleiben aber doch wesentliche Unter-
schiede zwischen einer Entwicklung, die aus dem Nichts eine
Wissenschaft aufbaut, und einer Weiterentwicklung, die
auf einem schon einmal aufgetürmten Kosmos fußt und
diesen nur einer vollständig andersgearteten Seele anpaßt.
Es ist natürlich zuzugeben, daß sich rein gestaltmäßig
viel von dem wiederholte, was sich bereits auf dem Boden
des klassischen Altertums abgespielt hatte. Es wieder-
holte sich aber zum Teil unter dem direkten Einfluß
dieser vorhergegangenen Entwicklung. Und dann war
es auch von vornherein anders bedingt. Vier große
Kulturkreise, Italiener, Deutsche, Franzosen, Engländer,
arbeiteten unter sehr verschiedenen inneren und
äußeren Antrieben und Bedingungen an der Neugestal-
tung unserer Wissenschaft, und über allem stand ver-
bindend zuerst der Einfluß der römischen Kirche, dann
aber trennend die Antithese zwischen katholischem und
protestantischem Denken, wenn man vorläufig vom Ein-
fluß der Philosophie noch absieht, der sich spater mächtig
geltend machte. Dazu aber kam außerdem noch ein sehr
intensives Schulwesen, das von der religiösen und sozialen
Struktur beeinflußt war.
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Wir wollen mit all demffandeuten, daß wir unsere
Weitere Darstellung zunehmend mehr auf die Epochen
als auf deren Baumeister abstellen müssen. Denn es
waren oft nicht die größten Mathematiker, die das Neue
brachten. Insbesondere nicht in der „Vorbereitungs-
zeit“, die etwa bis zum Auftreten des Descartes währte.
Diese Verwahrung muß eingelegt werden, damit im
Leser kein schiefes Bild der Entwicklung entsteht. Und
es muß verhütet werden, daß man sich wundert, Namen
besten Klanges, wie etwa die eines Regiomontanus oder
Peuerbach, nur nebenbei erwähnt zu finden, während weit
weniger universelle Mathematiker zu Sinnbildern von
Epochen gestempelt Werden. Sie sind aber, bis auf
Descartes, weniger als Repräsentanten denn als Beispiele
und Streiflichter aufzufassen. Denn von unserem momen-
tanen Standort bis zu Cartesius arbeiteten gleichsam
nicht einzelne, sondern es schuf eine ganze Zeit. Und
die Mathematik entwuchs einer Reihe von Triebkräften,
die bei den wichtigsten Völkern mit verschiedenem An-
teil mitwirkten.
Es ist also schon hier am Platze, die Kräfte zu unter-
suchen, die als Paten die neue Zeit begleiteten und an-
trieben. Auf italienischem Boden war es, wie wir schon
bei Leonardo von Pisa sahen, das Handelswesen, das in
doppelter Weise auf die Mathematik wirkte. Es war ja
nicht nur durch seine rein äußerliche Beweglichkeit,
durch den Reiseverkehr und durch die Völkerberührung
ein Anlaß und eine Unterstützung für mathematische
Bemühungen gewesen; sondern es stellte darüber hinaus
in seiner eigensten Sphäre Problem über Problem. Buch-
führung, Münzumrechnung, Zinsenrechnung, Geographie
und Astronomie waren ohne arithmetische Kenntnisse
kaum zu bewältigen, insbesondere dann nicht, wenn man
guten Rechnern, wie den Arabern, gegenüberstand und
die Probleme an sich selbst stets verwickelter Wurden.
Der äußerlichsten Triebkraft des Handels aber stellte
sich bald als zweite die innerlichste tiefster Philosophie
an die Seite, die nicht zuletzt aus religiösen Gedanken-
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kreisen gespeist- w~urde.- »Durch die Gründung der Uni-
versitäten von Oxford, Paris und Bologna, die zur Zeit
Leonardos von Pisa schon in hohem Ansehen standen,
war eine neue Geisteskultur erwacht, die später von den
Humanisten, halb herabsetzend, die Scholastik genannt
wurde. Wir werden aber gleich zeigen, daß eben aus
diesen philosophischen Bereichen vielleicht die ent-
scheidendsten Einflüsse für den Weiterbau der Mathe-
matik entspringen. Und es wird sich herausstellen, daß
die Naturwissenschaft, die sich über kurz oder lang
geradezu als Antipodin der Scholastik fühlte, ihre mäch-
tigste Waffe halb unbewußt durch die Scholastik empfing.
Es handelt sich dabei um die ganze Problemgruppe,
die wir schon bei Archimedes angetroffen haben. Um die
Begriffe der Stetigkeit, der Unendlichkeit und um einen
neuen Begriff, der erst auf „faustischem“ Boden wuchs,
um den Begriff der Funktion.
Wir kehren also in die Zeit des Leonardo von Pisa, in
den Beginn des d reizehnten nachclıristlichen Jahrhunderts,
zurück. Noch zu Lebzeiten erwuchs dem Pisaner in
J ordanus N emorarius, einem Deutschen, ein mächtiger
N ebenbuhler. J ordanus war Dominikaner. Auf Einzel-
heiten seines umfassenden mathematischen Werkes, das
nach allen Seiten großen Einfluß übte, wollen wir nicht
eingehen. Wir wollen bloß einige Einleitungssätze seiner
Schrift über die Dreiecke (de triangulis) unter die Lupe
nehmen, die uns in verblüffender Art zeigen, wie weit
sich schon der „faustische“ Geist von seinen arabischen
und griechischen Vorbildern entfernt und selbständig
gemacht hatte. Wir lesen dort Definitionen, von denen
wir glauben würden, sie stammten aus dem neunzehnten
Jahrhundert und seien Untersuchungen von Dedekind
oder Bolzano. So definiert J ordanus folgendermaßen:
„Stetigkeit ist Nichtunterscheidbarkeit von Grenzstellen,
verbunden mit der Möglichkeit, abzugrenzen.“ „Der
Punkt ist die Festlegung der einfachen Stetigkeit.“ „Ein
Winkel entsteht durch das Zusammentreffen zweier
stetiger Gebilde an einem Endpunkt ihrer Stetigkeit.“
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???
 
Was man auch immer einwenden mag, sind derartige
Definitionen zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts
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ist das aufeinanderfolgende Stetige, das in der Zeit ge-
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messen wird.“ Nun untersucht der „Doctor profundus“
das Problem des Anfangs und des Aufhörens. Dadurch
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Nichtbeachtung „scholastischer Tüfteleien“ einstürzt.
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Es ist überhaupt ein tragisches Gesetz der Wissen-
schaftsgeschichte, daß man „die Spione gern benutzt, sie