Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 106c»

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:Auf weitere Einzelheiten der arabischen Mathematik einzugehen, liegt für uns kein Anlaß vor, obgleich sie sicherlich sehr interessant sind. Worin also, so fragen wir uns, besteht die Epoche, die durch die Araber heraufgeführt wurde? Ist sie eine Epoche der Forschung, des Unterrichtes oder gar nur eine Übersetzer- und Sammlertätigkeit, die dadurch angeregt wurde, daß die Kalifen zufällig nestorianische Christen als Leibärzte verwendeten und diese Arzte hellenische Bildung besaßen und mitbrachten? Oder ist durch all die Jahrhunderte bis zu den maurischen Hochschulen von Sevilla, Toledo und Granada durch Ost- und Westaraber doch etwas Bleibendes geschaffen worden, das über die Verwaltung des indischen und griechischen Erbes hinausreicht?
:Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Um so schwerer, als in der Wissenschaftsgeschichte oft auch die Verwendung und Anpassung überkommenen Wissens in seiner späteren Auswirkung epochale Bedeutung gewinnen kann. Vielleicht ist mancher Ruhm unverdient und die bloße Verewigung von Namen und Ausdrücken ist irreführend. Aber die Tatsache allein, daß wir bis vor kurzem unser Ziffernsystem das „arabische“ nannten, daß Algebra und Algorithmus, Alhidade, Zenit, Nadir, Almukantarat, Ziffer, Zero aus unserm Sprachschatz nicht wegzudenken sind, daß unser Himmel voll von arabisch benannten Sternen steht, wie Alkor, Mizar, Beteigeuze, Rigel, Algol, Aldebaran, Fomalhaut, Toliman, Kochab, Ras-Alhague, Zuben el schemali, um nur einige zu nennen, dürfte doch mehr bedeuten als eine unrechtmäßig usurpierte Autorschaft oder eine bloße Vermittlertätigkeit.
:Es ist nicht zu leugnen, daß die Araber gleichsam im Materialen, rein Inhaltlichen unsrer Wissenschaft vergleichsweise wenig Neues hinzugefügt haben. Sie bereicherten etwa die Geometrie gegenüber den Griechen wesentlicher nur in der Trigonometrie und Astronomie. Dagegen haben sie in formaler Beziehung die Denkmaschine, die in der Arithmetik und Algebra liegt, ziemlich klar erkannt und wenn auch nicht erfunden, so doch zum großen Teil aus den Schranken geometrischer Bevormundung und Übergewichtigkeit erlöst. Entsprechend ihrer kühleren, rationaleren Veranlagung, der gleichsam das Kristallinische näher lag als das Lebendig-Organische, haben sie der Verstandesseite des Erkenntnisapparates gegenüber der Anschauung zu ihrem Recht verholfen. Sie waren begabte, tüchtige und interessierte Mathematiker. Gemäß islamitischer Ausbreitungs- und Bekehrungstendenz entwickelten sie ein umfassendes Schulwesen, das durch ihre Handelstätigkeit noch an Bedeutung gewann. Sie brachen aber zudem noch ihrer Kultur überallhin durch Feuer und Schwert Bahn und versäumten es nicht, den blutigen Eroberungszügen die Mathematik nachfolgen zu lassen. Aber auch sie waren trotz aller praktischen und expansiven Veranlagung keine Ingenieure, das heißt, sie berannten nicht mit dem Werkzeug der Mathematik die Natur, um sie dann, nachdem sie ihr die Geheimnisse entrissen hatten, durch Maschinen in ihren Dienst zu zwingen. Ihrer magischen Veranlagung gemäß, mündete vielmehr ihre Mathematik in Rätsel, kabbalistischen Zauber und astrologisch orientierte Astronomie. Wieder einmal, wie bei den Pythagoreern, wurde die Zahl, ihre Beziehung zur Welt und die Beziehungen der Zahlen untereinander zum Geheimnis und zur Enthüllung. Die Kabbala gewann den magischen Klang, den wir ihr heue noch beilegen. Und in den erleuchtetsten Köpfen der Araber dürfte schon ziemlich klar aufgedämmert sein, daß noch magischer als dıe Zahl selbst die Denkmaschine des Algorithmus war. Um Mathematik zu lehren und Mathematik zu verbreiten, sind Regeln erforderlich. Regeln aber führen zur Verallgemeinerung. Und Verallgemeinerung setzt eine genaue Kenntnis von Zusammenhängen voraus. Diese Stufenfolge aber führt zwangsläufig dazu, daß die Mathematik an irgendeiner Stelle zum Zauberlehrling wird. Das Werkzeug selbst beginnt plötzlich für uns zu denken und reißt uns in Gebiete vor, die wir bisher nicht einmal ahnten. Und Mathematik wird so recht ein „Sesam, öffne dich“.
:Wieder hat uns der Zauberteppich, diesmal bloß unsere Gedanken, in die Zeit vorangetragen. Denn es mußte sich noch viel Äußeres und Inneres, viel Zufälliges und N otwendiges, viel rein Persönliches und Strukturelles ereignen, bis mit der Geburt einer neuen Mathematik sich auch die äußere Umwelt veränderte. Denn gerade um die Zeit, als ein andrer heißer Glaube seine streitbaren Heere in die Welt hinaussandte, zur Zeit, als die Kreuzfahrer, im wilden Überschwang eines werdenden Kulturbewußtseins, siegend oder verschmachtend in arabischen Wüsten kämpften, begannen sich gotische Türme zum Himmel zu recken, verschwammen halbdunkle gotische Gewölbe in der sicheren Vorahnung und Vorschau eines Rinascimento, das, ungleich der eigentlichen Renaissance, die Wiedergeburt des Geistes als ganzen betraf. Wie alle großen Kulturen der kaukasischen Völker war diese Kulturwerdung eine peninsulare. Nach den Halbinseln Kleinasien, Griechenland und Rom trat die „Halbinsel Europa“ ihre Sendung an.
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:Alles lag bereit, alle Keime waren noch voll Leben, wenn auch die Pflanzer dieser Keime gestorben und verdorben waren oder eben ihren letzten Kampf ausfochten. Alles lag bereit. Der gotisch-faustische Geist konnte sein Werk beginnen. Denn ein Völkermorgen dämmerte und die frische, unverbrauchte Kraft vieler Nationen dürstete spannkräftig nach einer Betätigung, deren ideelle VorWegnahme die Kreuzzüge und gotischen Dome waren. Von der Hand des Magiers Klingsor hatte der Gralsritter die Wunde empfangen, die nie sich schließen wollte. Der magische Geist begann den faustischen mit der Wunde ewiger Aufwärtssehnsucht zu erfüllen.
 
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eine genaue Kenntnis von Zusammenhängen voraus.
Diese Stufenfolge aber führt zwangsläufig dazu, daß die
Mathematik an irgendeiner Stelle zum Zauberlehrling
wird. Das Werkzeug selbst beginnt plötzlich für uns zu
denken und reißt uns in Gebiete vor, die wir bisher nicht
einmal ahnten. Und Mathematik wird so recht ein
„Sesam, öffne dich“.
Wieder hat uns der Zauberteppich, diesmal bloß unsere
Gedanken, in die Zeit vorangetragen. Denn es mußte
sich noch viel Äußeres und Inneres, viel Zufälliges und
N otwendiges, viel rein Persönliches und Strukturelles
ereignen, bis mit der Geburt einer neuen Mathematik
sich auch die äußere Umwelt veränderte. Denn gerade
um die Zeit, als ein andrer heißer Glaube seine streitbaren
Heere in die Welt hinaussandte, zur Zeit, als die Kreuz-
fahrer, im wilden Überschwang eines werdenden Kultur-
bewußtseins, siegend oder verschmachtend in arabischen
Wüsten kämpften, begannen sich gotische Türme zum
Himmel zu recken, verschwammen halbdunkle gotische
Gewölbe in der sicheren Vorahnung und Vorschau eines
Rinascimento, das, ungleich der eigentlichen Renaissance,
die Wiedergeburt des Geistes als ganzen betraf. Wie alle
großen Kulturen der kaukasischen Völker war diese
Kulturwerdung eine peninsulare. Nach den Halbinseln
Kleinasien, Griechenland und Rom trat die „Halbinsel
Europa“ ihre Sendung an.
Alles lag bereit, alle Keime waren noch voll Leben,
wenn auch die Pflanzer dieser Keime gestorben und ver-
dorben waren oder eben ihren letzten Kampf ausfochten.
Alles lag bereit. Der gotisch-faustische Geist konnte sein
Werk beginnen. Denn ein Völkermorgen dämmerte und
die frische, unverbrauchte Kraft vieler Nationen dürstete
spannkräftig nach einer Betätigung, deren ideelle Vor-
Wegnahme die Kreuzzüge und gotischen Dome waren.
Von der Hand des Magiers Klingsor hatte der Gralsritter
die Wunde empfangen, die nie sich schließen wollte. Der
magische Geist begann den faustischen mit der Wunde
ewiger Aufwärtssehnsucht zu erfüllen. _ _
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