Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 105c»

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:Wir können uns jedoch an dieser Stelle noch nicht tiefer in solche philosophische Erörterungen verlieren, da wir dadurch sozusagen einen Anachronismus der Darstellung begingen. Wir halten nämlich bei Diophant und nicht bei moderner Erkenntniskritik oder gar bei der Mengenlehre. Wir wollten lediglich feststellen, daß die Zahl und die Anzahl Ergebnisse der Verstandestätigkeit sind, und daß es auch eine Tätigkeit des Verstandes ist, die diese Zahlen in allerlei Arten miteinander verbindet. Die Tätigkeit derAnschauung betrifft dagegen die Gestalt und die Figur, also all das, was wir im eigentlichen Sinne als geometrisch bezeichnen. Nun ist es selbstverständlich, daß Verstand und Anschauung nirgends rein und ungemischt auftreten, da nach Kant ja Begriffe ohne Anschauung leer und Anschauungen ohne Begriffe blind sind. In dem an sich undenkbaren Begriff des Unendlichen steckt irgendwie eine wenn auch nebelhafte Anschauung und in der Anschauung eines Dreiecks das begriffliche Element einer gewissen Anzahl von Ecken und einer gewissen Verbindungsart dieser Ecken durch Linien.
:Gleichwohl gibt es naturgemäß die verschiedensten Mischungsverhältnisse, in denen Begriffliches und Anschauliches in einem mathematischen Problem auftreten können. Und es ist gerade das sonderbare, daß die scheinbare Erblindung von Anschauungen und die Leere von Begriffen dazu besonders geeignet sind, mathematische Kräfte in Bewegung zu setzen. Wir haben nämlich die Möglichkeit, geometrische Tatsachen zu bloßen Schemen verblassen zu lassen, während wir Zahlen so sehr symbolisieren können, daß nichts mehr von ihnen übrigbleibt als der allgemeinste Begriff einer Zahl überhaupt. Das aber ist das Wesen der Algebra. Es soll nicht mehr mit Zahlen, d. h. mit konkreten Zahlen operiert werden, sondern mit Zahlen überhaupt oder, wie man auch sagen könnte, mit Zahlenstellvertretern. Irgendeine Zahl soundso oder eine Quadratzahl soundso wird gesucht. Wir kermen sie noch nicht, sonst brauchten wir sie nicht zu suchen. Bevor wir sie aber finden, benennen wir sie bereits und rechnen mit ihr nach Regeln, mit denen man sonst nur mit wirklichen, konkreten Zahlen umgeht. Man addiert, subtrahiert, multipliziert, dividiert mit diesen noch unbekarmten Zahlen, erhebt sie zum Quadrat, zur n-ten Potenz, zieht aus ihnen die Wurzel4. Kurz, man operiert mit allgemeinen Zahlen, als ob sie konkrete Zahlen wären.
:Das, was wir bisher erwähnten, könnte sich allerdings auch nur im Denkraum abspielen. Es ist eine begriffliche, logische Tätigkeit, aber sie muß noch nicht von einer eigenen Schrift, die bloß ihr allein dient, begleitet sein. So stand es au ch mit den algebraischen Bemühungen der Griechen bis auf Diophant. Man „dachte“ Algebra, man „sprach“ Algebra, aber man „schrieb“ nicht Algebra, oder schrieb sie nur in gewöhnlicher Umgangssprache. Und auch Diophant selbst begann erst in einem Zwischenstadium zwischen Abkürzung und selbständiger Symbolisierung die Algebra zu „schreiben“, wie wir es schon gesehen haben. Wie also schreibt man Algebra und warum schreibt man Algebra? Wir antworten darauf, daß man Algebra durch Symbole und Befehle schreibt und daß man sie nicht nur aus gleichsam stenographischen, sondern aus viel tiefer liegenden Gründen in dieser Weise schreibt. Gewiß, es ist nicht zu verachten, wenn wir etwa den Satz, daß das Quadrat eines Zweigliederausdrucks aus dem Quadrat des ersten, dem Quadrat des zweiten Gliedes und dem doppelten Produkt beider Glieder bestehe, einfach als
:<math> (a + b)^2 = a^2 + b^2 + 2ab </math> schreiben können.
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:Wir gewinnen dadurch Zeit, Überblick und Einblick in Strukturen. Wir können jetzt nach der gleichen Regel diesen einmal gewonnenen Ausdruck noch einmal zum Quadrat erheben, indem wir ihn etwa als
 
:<math>[a^2 + b^2 + 2ab]<math> anschreiben. Und dabei als Resultat vorerst
 
:<math>(a^2 + b^2)^2 + (2ab)^2 + 2 \cdot 2ab (a^2 + b^2)<math>
 
:erhalten, was dann leicht
 
:<math>a^4 + 2a^2b^2 + b^4 + 4a^2b^2 + 4a^3b + 4ab^3</math>
schreibt. Gewiß, es ist nicht zu verachten, wenn wir etwa
:oder schließlich nach Addition gleichbenannter Größen als Endergebnis
den Satz, daß das Quadrat eines Zweigliederausdrucks
als Endergebnis :<math>a^4 + b^4 + 6a^2b^2 + 4a^3b + 4ab^3</math> liefert.
aus dem Quadrat des ersten, dem Quadrat des zweiten
:Eine solche Rechnungsoperation, in Worten ausgedrückt, würde unsre Vorstellungskraft schon unerträglich belasten, während in der symbolischen Schreibweise nur einige Aufmerksamkeit und Sauberkeit der Schreibung notwendig ist, um nicht in Fehler zu verfallen. Aber es geschieht dabei noch viel mehr. Die Symbole (das sind die Bezeichnungen für die allgemeinen Zahlen, wie a oder b oder das <math>\varsigma'</math> bei Diophant) und die Befehle oder Operatoren oder Operations- oder Verknüpfungssymbole (+, -, = usw.) gewinnen gleichsam ein Eigenleben. Sie verbinden sich zum „Algorithmus“, zur Denkmaschine, und es ist nur mehr nötig, sie nach gewissen höchst einfachen Regeln zu gebrauchen. Der Leerlauf der isolierten Begriffe besorgt dann, ohne daß ein Fehler möglich ist, alles weitere, und am Ende steht das Ergebnis. Doch auch so weit sind wir bei Diophantos noch durchaus nicht, obgleich er mit seinen von ihm selbst geschaffenen Mitteln so weit hatte vordringen können. Sein Hauptfortschritt ist der Beginn einer algebraischen Schreibweise, einer sogenannten „Notation“ und noch nicht eines wirklichen Algorithmus. Natürlich ist die Notation die unerläßliche Voraussetzung des Algorithmus. Zu diesem Übergang war jedoch ein langer Weg notwendig, der sich hauptsächlich aus dem Bereiche konkreter
Gliedes und dem doppelten Produkt beider Glieder be-
stehe, einfach als
 
<math> (a + b)^2 = a^2 + b^2 + 2ab </math>
 
 
 
schreiben
können. Wir gewinnen dadurch Zeit, Überblick und
Einblick in Strukturen. Wir können jetzt nach der
gleichen Regel diesen einmal gewonnenen Ausdruck noch
einmal zum Quadrat erheben, indem wir ihn etwa als
 
 
 
<math>[a^2 + b^2 + 2ab]<math>
 
 
anschreiben. Und dabei als Resultat
vorerst
 
 
<math>(a^2 + b^2)^2 + (2ab)^2 + 2 \cdot 2ab (a^2 + b^2)<math>
 
 
erhalten,
was dann leicht
 
<math>a^4 + 2a^2b^2 + b^4 + 4a^2b^2 + 4a^3b + 4ab^3</math>
 
 
oder schließlich nach Addition gleichbenannter Größen
als Endergebnis <math>a^4 + b^4 + 6a^2b^2 + 4a^3b + 4ab^3</math> liefert.
 
:Eine solche Rechnungsoperation, in Worten ausgedrückt,
würde unsre Vorstellungskraft schon unerträglich be-
lasten, während in der symbolischen Schreibweise nur
einige Aufmerksamkeit und Sauberkeit der Schreibung
notwendig ist, um nicht in Fehler zu verfallen. Aber es
geschieht dabei noch viel mehr. Die Symbole (das sind
die Bezeichnungen für die allgemeinen Zahlen, wie
a oder b oder das
 
<math>\varsigma'</math>
 
???
 
 
 
bei Diophant) und die Befehle oder
Operatoren oder Operations- oder Verknüpfungssymbole
(+, --, = usw.) gewinnen gleichsam ein Eigenleben. Sie
verbinden sich zum „Algorithmus“, zur Denkmaschine,
und es ist nur mehr nötig, sie nach gewissen höchst ein-
fachen Regeln zu gebrauchen. Der Leerlauf der isolierten
Begriffe besorgt dann, ohne daß ein Fehler möglich ist,
alles weitere, und am Ende steht das Ergebnis. Doch
auch so weit sind wir bei Diophantos noch durchaus
nicht, obgleich er mit seinen von ihm selbst geschaffenen
Mitteln so weit hatte vordringen können. Sein Haupt-
fortschritt ist der Beginn einer algebraischen Schreib-
weise, einer sogenannten „Notation“ und noch nicht
eines wirklichen Algorithmus. Natürlich ist die Notation
die unerläßliche Voraussetzung des Algorithmus. Zu
diesem Übergang war jedoch ein langer Weg notwendig,
der sich hauptsächlich aus dem Bereiche konkreter
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