Diferencia entre revisiones de «Curso de alemán para principiantes con audio/Lección 098»

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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 1)
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:Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Abschaffung des feudalabsolutistischen Ständestaats sowie die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung als Ziele der Französischen Revolution – das betrifft insbesondere die Menschenrechte – waren mitursächlich für tiefgreifende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa und haben das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflusst. Die heutige Französische Republik als liberal-demokratischer Verfassungsstaat westlicher Prägung stützt ihr Selbstverständnis unmittelbar auf die Errungenschaften der Französischen Revolution.
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:Die revolutionäre Umgestaltung und Nationwerdung der französischen Gesellschaft war ein Prozess, bei dem drei Phasen zu unterscheiden sind.
:* Die erste Phase (1789–1791) stand im Zeichen des Kampfes für bürgerliche Freiheitsrechte und für die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie.
:* Die zweite Phase (1792–1794) führte angesichts der inneren wie äußeren gegenrevolutionären Bedrohung zur Errichtung einer Republik mit radikaldemokratischen Zügen und zur Ausbildung einer Revolutionsregierung, die mit Mitteln des Terrors und der Guillotine alle „Feinde der Revolution“ verfolgte.
:* In der dritten Phase, der Direktorialzeit von 1795 bis 1799, behauptete eine von besitzbürgerlichen Interessen bestimmte politische Führung die Macht nur mühsam gegen Volksinitiativen für soziale Gleichheit einerseits und gegen monarchistische Restaurationsbestrebungen andererseits.
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:Ausschlaggebender Ordnungs- und Machtfaktor wurde in dieser Lage zunehmend das in den Revolutionskriegen entstandene Bürgerheer, dem Napoleon Bonaparte seinen Aufstieg und den Rückhalt bei der Verwirklichung seiner sich über Frankreich hinaus erstreckenden politischen Ambitionen verdankte.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 2)
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:Die Französische Revolution war ein Gründungsereignis, das so tief wie kaum ein anderes die Geschichte der Moderne geprägt hat. Nicht nur im Bewusstsein der Franzosen hat diese Revolution eine enorme Bedeutung. Mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 wurden auf dem europäischen Kontinent jene Prinzipien bekräftigt und gegen absolutistische Monarchien in Stellung gebracht, die in der Unabhängigkeitserklärung der nordamerikanischen Kolonisten angelegt waren und die heutzutage von den Vereinten Nationen weltweit propagiert und eingefordert werden.
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:Für Staaten mit schriftlich fixierter Verfassung und entsprechenden Bürgerrechtsgarantien hat die dreiphasige Revolution gleich mehrere Modelle hervorgebracht, die jeweils abweichende Akzente hinsichtlich Freiheit, Gleichheit und Vermögensdifferenzierung (etwa beim Wahlrecht) aufwiesen. Zeitgenossen des Revolutionsgeschehens meinten schon bald nach dem 14. Juli 1789 (Sturm auf die Bastille): „Wir haben in drei Tagen den Raum von drei Jahrhunderten durchquert.“
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:Für die konkrete Entstehung der revolutionären Ausgangssituation des Jahres 1789 waren vor allem die in aktueller Zuspitzung wirksamen Faktoren ausschlaggebend: die Finanznot der Krone, die Opposition des Amtsadels (und damit zusammenhängend die Reformunfähigkeit des Landes, weil der Adel nötige Reformen blockierte) sowie die teuerungsbedingte Brotnot speziell in Paris.
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:Als der Generalkontrolleur der Finanzen Jacques Necker 1781 erstmals die Zahlen des französischen Staatsbudgets (Compte rendu) veröffentlichte, war dies als Befreiungsschlag zur Herstellung allgemeiner Reformbereitschaft in einer ansonsten ausweglosen Finanzkrise gemeint. Seine Amtsvorgänger hatten da bereits vergebliche Anläufe zur Stabilisierung der Staatsfinanzen unternommen. Neckers Zahlenwerk schockierte: Einnahmen von 503 Millionen Livres (Pfund) standen Ausgaben von 620 Millionen gegenüber, wovon allein die Hälfte auf Zins und Tilgung für die enorme Staatsverschuldung entfiel. Weitere 25 % verschlang das Militär, 19 % die Zivilverwaltung und ca. 6 % die königliche Hofhaltung. Dass für höfische Feste und Pensionszahlungen an Höflinge eine Summe von 36 Millionen Livres anfiel, wurde als besonders skandalös angesehen.
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:Zu dem Schuldenberg erheblich beigetragen hatte die Beteiligung der französischen Krone am Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonisten gegen das britische Mutterland. Zwar war die beabsichtigte Niederlage und machtpolitische Schwächung des Handels- und Kolonialmacht-Rivalen eingetreten, aber der Preis für das Regime Ludwigs XVI. war ein doppelter: Nicht nur wurden die Staatsfinanzen dadurch zusätzlich enorm belastet, sondern die aktive Beteiligung französischer Militärs an den Befreiungskämpfen der amerikanischen Kolonisten und die Beachtung von deren Anliegen in der meinungsbildenden französischen Öffentlichkeit schwächten die Position der absolutistischen Herrschaft auch auf ideologischer Ebene nachhaltig.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 3)
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:Für die Steuereintreibung waren Steuerpächter zuständig, die gegen einen an die Krone abzuführenden Festbetrag die Abgaben bei den Steuerpflichtigen erhoben und dabei Überschüsse für sich behalten konnten – eine gleichsam institutionalisierte Einladung zum Missbrauch. Die Haupteinnahmen wurden bei der Salzsteuer erzielt, die dafür nach zahlreichen Erhöhungen im Volk besonders verhasst war.
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:Die in den Parlamenten praktizierte zunehmende Verweigerungshaltung gegenüber Steuergesetzen der Krone fand Rückhalt auch im Volk. Nachdem alle Einschüchterungsversuche des Hofes erfolglos geblieben waren und auch die Initiative Ludwigs XVI. gescheitert war, die Privilegierten in einer 1787 und 1788 eigens zusammengerufenen Notabelnversammlung auf seinen Kurs zu verpflichten, versuchte die Regierung die Privilegien der Parlamente zu beschneiden. Es kam daraufhin zu einer breiten Solidarisierung mit den Parlamentsangehörigen. Diese gipfelte in Unruhen, die in Grenoble am „Tag der Ziegel“ Verlauf und Forderungen der späteren Revolution in mancher Hinsicht vorausnahmen. Letztlich kam der König an der Wiedereinberufung der seit 1614 ausgesetzten Generalstände nicht mehr vorbei, wollte er die Krise der Staatsfinanzen nicht weiter eskalieren lassen.
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:Nicht nur auf einem zentralen Feld praktischer Politik und im institutionellen Bereich wies der vorrevolutionäre französische Absolutismus Schwächen auf. Aufklärerisches politisches Denken stellte auch seine Legitimationsgrundlage in Frage und eröffnete neue Optionen der Herrschaftsorganisation. Aus der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts ragen zwei Denker wegen ihrer besonderen Bedeutung für unterschiedliche Phasen der Französischen Revolution hervor: Montesquieus Modell einer Gewaltenteilung zwischen gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt kam im Laufe der ersten Revolutionsphase zur Anwendung, die in die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie mündete.
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:Für die radikaldemokratische zweite Revolutionsphase hat Rousseau wichtige Impulse geliefert, unter anderem, indem er das Eigentum als Ursache der Ungleichheit zwischen den Menschen ansah und Gesetze kritisierte, die ungerechte Besitzverhältnisse schützten. Er propagierte die Unterordnung des Einzelnen unter den allgemeinen Willen (Volonté générale), sah von einer Gewaltenteilung ab und die Richterwahl durch das Volk vor. Verbreitung fand aufklärerisches Denken im 18. Jahrhundert zunehmend in Debattierclubs und Freimaurerlogen sowie durch Lesezirkel, Salons und Kaffeehäuser, die im geselligen Rahmen zur Lektüre und Diskussion der Lesefrüchte anregten. Auch der Meinungsaustausch zu aktuellen politischen Fragen hatte hier zwanglos-selbstverständlich seinen Ort. Hauptnutzer waren bildungsbürgerliche Schichten und Berufsstände, wie z. B. Juristen, Ärzte, Lehrer und Professoren.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 4)
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:Der Großteil der Bevölkerung im Ancien régime war an Aufklärungsdenken und Politisierung wenig interessiert, am Brotpreis umso mehr. Die Bauern, die vier Fünftel der Bevölkerung stellten, hatten 1788 infolge der Kleinen Eiszeit eine schlimme Missernte erlitten und danach einen harten Winter durchlebt. Die klimatischen Extrema dieser Dekade können auch zusätzlich durch den Vulkanausbruch vom 8. Juni 1783 auf Island verstärkt worden sein. Während es den Bauern am Nötigsten fehlte, sahen sie die Speicher der weltlichen und geistlichen Grundherren, denen sie Abgaben zu entrichten hatten, noch gut gefüllt. Es kam zu Protesten und Forderungen nach Verkauf zu einem „gerechten Preis“, als bei der eingetretenen Knappheit die Getreidepreise im Gegenteil gerade mächtig anzogen.
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:Noch empfindlicher traf die Teuerung die kleinen Leute in den Städten, für die das tägliche Brot Hauptnahrungsmittel war. Zur Jahresmitte 1789 war Brot teurer als zu jedem anderen Zeitpunkt des 18. Jahrhunderts in Frankreich und kostete das Dreifache des Preises der besseren Jahre. Das bedeutete für den städtischen Handwerker, dass er etwa die Hälfte seines Einkommens allein für die Brotversorgung ausgeben musste. Jede Preissteigerung wirkte da existenzbedrohend und ließ die Nachfrage nach anderen Gütern des täglichen Bedarfs sinken. „Nun erreichten Unzufriedenheit und Erregung auch diejenigen, die von der öffentlichen Auseinandersetzung um die Finanzmisere und die Funktionsunfähigkeit des Staates noch nicht unmittelbar erreicht und mobilisiert worden waren. Die wirtschaftliche Not, die infolge der Teuerung und Unterproduktion die städtischen Konsumenten und dann auch Handel und Gewerbe betraf, brachte die ‚Massen’ auf die politische Bühne.“
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:Zur Einberufung der Generalstände war es durch die Blockadehaltung und auf Druck der Privilegierten in Parlamenten und Provinzialständen gekommen. Positive Erwartungen daran knüpften aber vor allem die Mitglieder des Dritten Standes, die mehr als 95 % der Bevölkerung ausmachten. In den Beschwerdeheften, die bei solcher Gelegenheit traditionell verfasst und den Abgeordneten zur Versammlung mitgegeben wurden, forderten die Bauern Erleichterungen bei den Abgaben und Sonderrechten, die ihre Grundherren beanspruchten, während die von aufklärerischen Vorstellungen bestimmten Teile des Bürgertums bereits auf die Umgestaltung der Monarchie nach englischem Vorbild zielten.
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:Als gemeinsames Anliegen wurde die Forderung formuliert, dass der Dritte Stand in den Generalständen eine Aufwertung gegenüber Klerus und Adel erfahren müsste. Noch bei ihrer letzten Zusammenkunft 1614 war jeder der drei Stände mit etwa 300 Köpfen vertreten, wobei das Votum jedes Standes einheitlich abgegeben werden musste, was letztlich auf eine 2:1-Entscheidung für die privilegierten Stände hinauslief.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 5)
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:Zeitgleich mit seinem Nachgeben hatte der König Truppen nach Paris beordert, die die Öffentlichkeit beunruhigten und das Volk – zumal angesichts des wie nie zuvor teuren Brotes – eine nochmalige Verschlechterung der Nahrungsmittelversorgung fürchten ließen. Als der beim Dritten Stand als sein Interessenwahrer bei Hofe relativ angesehene Finanzminister Necker am 11. Juli vom König entlassen wurde, galt dies der Pariser Bevölkerung als unheilvolles Signal. Der Rechtsanwalt Camille Desmoulins trat als Wortführer des Volkszorns hervor: „Die Entlassung Neckers ist die Sturmglocke zu einer Bartholomäusnacht der Patrioten! Die Bataillone der Schweizer und Deutschen werden uns noch heute den Garaus machen. Nur ein Ausweg bleibt uns: zu den Waffen zu greifen!“ Zahlreiche Stadtzollhäuser wurden spontan zerstört, die königlichen Zolleinnehmer verjagt.
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:Das Volk drängte zur Bewaffnung. Nach Plünderung eines Waffenlagers zog man am 14. Juli zur Bastille, um dort zusätzlich Waffen und Pulver zu beschaffen. Hier fanden sich weitere Aufstandsbereite zu gemeinsamer Aktion gegen das Negativsymbol der absolutistischen Herrschaft ein, eine etwa 5000-köpfige Menge insgesamt. Das Stadtgefängnis beherbergte zu diesem Zeitpunkt allerdings nur sieben Gefangene ohne politischen Hintergrund.
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:Der nur mit kleiner Besatzung operierende Bastille-Kommandant Launay ließ die Menge ungehindert in die Vorhöfe eindringen, dann aber unter Feuer nehmen. 98 Tote und 73 Verwundete hatten die Belagerer am Ende des Tages zu beklagen. Als die erregte Menge die Stadtverwaltung unter Druck setzte, wurden mit Hilfe von Militärs vier Kanonen vor der Bastille in Stellung gebracht; Launay kapitulierte. Die über die heruntergelassenen Brücken einströmenden Massen, denen die vorherige Beschießung als Verrat galt, töteten drei Soldaten und drei Offiziere; Launay wurde erst weggeschleift, dann umgebracht, sein Kopf ebenso wie der des Vorstehers der königlichen Stadtverwaltung Flesselles auf Piken gespießt und zur Schau gestellt.
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:Die Spitzen des Ancien Régime reagierten geschockt-defensiv. Die Pariser Truppen wurden zurückgezogen und der Nationalversammlung Anerkennung und Schutz zugesichert. An die Spitze der Pariser Verwaltung trat als Bürgermeister nun Bailly; Befehlshaber der Nationalgarde wurde der vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mitgeprägte liberale Marquis de La Fayette. Ähnlich umgestaltet wurden in der Folge auch die Stadtverwaltungen in den Provinzen Frankreichs (munizipale Revolution). Am 17. Juli morgens verließ der Graf von Artois, Bruder des Königs, als erster Emigrant das Land, während sich Ludwig XVI. unter Druck des Volkes nach Paris begab und zum Zeichen der Billigung des Geschehenen sich die blau-weiß-rote Kokarde an den Hut steckte.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 6)
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:Die Heftigkeit und das Ausgreifen der Revolution auf dem Lande alarmierten auch Hof und Nationalversammlung in Versailles. Letztere war infolge der Ereignisse des 14. Juli zur allein maßgeblichen politischen Autorität geworden, von der die Neuordnung der Verhältnisse erwartet wurde. Nun geriet sie unter Zugzwang: Die bis dahin bereits kontrovers diskutierte Frage, ob eine Menschenrechtserklärung schon vor Abschluss der Verfassungsberatungen verkündet werden sollte, wurde plötzlich akut.
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:Etwa 100 Abgeordnete des Dritten Standes, die sich zu gemeinsamen Beratungen im Bretonischen Klub zusammengefunden hatten, bereiteten einen Überrumpelungscoup in der Versammlung vor, mit dem der hinhaltende Widerstand der privilegierten Stände, die auf wieder etwas günstigere Zeiten zur Wahrung ihrer Besitzstände hofften, ausgehebelt werden sollte. Das Manöver gelang mit Unterstützung von liberalen Adligen, die in der Nachtsitzung vom 4./5. August 1789 mit großer Geste als Vorreiter des Verzichts agierten.
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:Das betraf alle an die Person gebundenen Dienste, Hand- und Spanndienste, die grundherrliche Gerichtsbarkeit, den privilegierten Ämterzugang, die Abschaffung des Ämterkaufs und des Kirchenzehnten, dazu Vorrechte wie das der Jagd und der Taubenhaltung. Die Leibeigenschaft, die Steuerbefreiung der privilegierten Stände sowie alle Sonderrechte der Provinzen und Städte wurden aufgehoben: „In wenigen Stunden hatte die Versammlung die Einheit der Nation vor dem Recht hergestellt, hatte grundsätzlich mit dem Feudalsystem und der Herrschaft der Aristokratie auf dem Lande aufgeräumt, hatte das Element ihres Reichtums, das sie vom Bürgertum unterschied, beseitigt und die Finanz-, Justiz- und Kirchenreform jedenfalls eingeleitet.“ Es war das Ende des ständestaatlich organisierten Ancien Régime.
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:Der in Windeseile sich verbreitende und die Revolution auf dem Lande nahezu schlagartig beendende Eingangssatz des die Beschlüsse dieser Nachtsitzung zusammenfassenden Dekrets lautete: „Die Nationalversammlung zerbricht vollständig das Feudalregime.“ Die frohe Kernbotschaft enthielt für die Bauern allerdings nicht die ganze Wahrheit. Zwar waren Leibeigenschaft und Frondienste ersatzlos abgeschafft, aber die übrigen Herrenrechte wurden lediglich rückkäuflich bzw. ablösbar gemacht, bei jährlich 3,3 Prozent Zinsen: „das politische Kalkül liegt darin, dass man das alte Herrenrecht in gutes bürgerliches Geld umrechnet und den Zins so lange zahlen lässt, wie das Kapital nicht zurückgezahlt ist. Die Adligen retten, was überhaupt zu retten ist, und die Grundbesitzer des Dritten Standes haben einen großen Vorteil durch die Gleichstellung von adeligen und bürgerlichen Gütern.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 7)
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:Nachdem auf diese Weise die ländliche Bevölkerung hatte beruhigt werden können, setzte die Nationalversammlung ihre Arbeit an einer Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte fort, die am 26. August 1789 verabschiedet wurde und mit der Zusicherung beginnt: „Von ihrer Geburt an sind und bleiben die Menschen frei und an Rechten einander gleich.“ Verbürgt werden u. a. auch Eigentum, Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung, rechtsstaatliche Prinzipien, Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie Volkssouveränität und Gewaltenteilung.
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:Ludwig XVI., dessen Unterschrift gebraucht wurde, damit die Dekrete der Nationalversammlung in Kraft treten konnten, machte allerlei juristische Vorbehalte geltend und versuchte als Gegenleistung für seine Zustimmung eine möglichst starke Veto-Position in der künftigen Verfassung herauszuschlagen. Zudem beorderte er neuerlich ein auswärtiges flandrisches Regiment nach Versailles, dessen Offiziere bei einem königlichen Bankett am 1. Oktober die blau-weiß-rote Kokarde unter ihren Stiefeln zertraten. Der Vorgang wurde in Paris bekannt und heizte eine bei anhaltend hohem Brotpreis und Versorgungsmängeln ohnehin aufgeladene Stimmung weiter an. Jean-Paul Marat, der im September 1789 seine Zeitung „Der Volksfreund“ gegründet hatte, hielt mit anderen gemeinsam die Pariser auf dem Laufenden und mit Warnhinweisen auf die „Verschwörung der Aristokraten“ gegen das Volk in revolutionärer Spannung.
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:Am 5. Oktober versammelte sich vor dem Rathaus eine hauptsächlich aus Frauen (Fischweiber) bestehende mehrtausendköpfige Menge in der Absicht, nach Versailles zu ziehen, um ihre Forderungen vor Ort geltend zu machen. Unter dem Geläut der Sturmglocken verließen sie Paris; später folgten ihnen 15.000 Nationalgardisten und zwei Vertreter der Stadtverwaltung mit dem Auftrag, den König nach Paris zu bringen. Ludwig XVI. empfing die Frauen, versprach Lebensmittellieferungen und unterschrieb unter dem Eindruck der Bedrängnis die Dekrete der Nationalversammlung. Die Lage schien entspannt; doch die Frauen blieben über Nacht, bewachten das Schloss und setzten auch der Nationalversammlung mit ihren Brotforderungen und Zwischenrufen zu.
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:Am darauffolgenden Vormittag drängten sie ins Schloss und erzwangen gemeinsam mit Stadtbeauftragten und Nationalgardisten das Zugeständnis des Königs, nach Paris umzuziehen. Die Nationalversammlung schloss sich an. „Am frühen Nachmittag machte sich der endlose Zug lärmend auf den Weg nach Paris. An der Spitze marschierten Einheiten der Nationalgarde; auf jedem Bajonett steckte ein Brotlaib. Dann folgen die Frauen, mit Piken und Flinten bewaffnet oder Pappelzweige schwingend; sie begleiten die Getreidewagen und die Kanonen.
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:Hinter den entwaffneten königlichen Soldaten mit der Trikoloren-Kokarde der Leibgarde, dem Régiment d' infanterie de Flandre (Flandrischen Regiment) und der Schweizergarde rollt langsam wie ein Leichenwagen die Karosse mit der königlichen Familie […] Daran schließen sich die Wagen der Abgeordneten, und den Schluss bildet die riesige Volksmenge mit dem Hauptteil der Nationalgarde. Als sei die Symbolkraft dieses Zuges noch nicht einleuchtend genug, rufen die Leute: ‚Wir bringen den Bäcker, die Bäckersfrau und den Bäckerjungen!’“ Monarch und Nationalversammlung würden fortan den Pressionen des Volkes in der Kapitale Paris ausgesetzt sein.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 8)
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:Den stürmischen Unruhen und Umbrüchen von 1789 folgte, begünstigt durch eine gute Ernte und die verbesserte Versorgungslage, das „glückliche Jahr“ 1790, das seinen Höhepunkt im Föderationsfest auf dem Champ de Mars zum Jahrestag der Bastille-Eroberung hatte: „Vor Hunderttausenden jubelnder Zuschauer leisteten hier 60.000 Nationalgardisten aus allen Teilen des Landes mit der Nationalversammlung den Eid der Treue für die Nation, das Gesetz und den König am ‚Altar des Vaterlandes’ und begingen feierlich die Verbrüderung der französischen Nation.“
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:Die Verfassungsberatungen der Nationalversammlung, die sich in eine Vielzahl themenbezogener Ausschüsse gegliedert hatte, machten beachtliche Fortschritte. Noch vor Jahresende 1789 nahm man das vordringliche Problem einer Sanierung der Staatsfinanzen mit revolutionärem Elan in Angriff: Sämtliche Kirchengüter wurden verstaatlicht und in Nationalgüter umgewandelt. Die Gesamtheit dieser Nationalgüter diente als Deckung einer neuen Papiergeld-Währung, der Assignaten. Da den Geistlichen aus Kirchenbesitz nun keine Einkünfte mehr zur Verfügung standen, waren sie auf staatliche Besoldung angewiesen.
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:Die Zivilverfassung des Klerus legte schließlich fest, dass Pfarrer wie andere Beamte zu wählen waren, und ein Dekret schrieb ihnen vor, die Verordnungen der Nationalversammlung von der Kanzel herab zu verlesen und zu kommentieren. Anfang 1790 wurden die bis dahin ungleich gestellten Provinzen durch eine Neuaufteilung in 83 Departements mit einheitlicher Untergliederung und Verwaltungsstruktur abgelöst. Die Stadt- und Binnenzölle innerhalb Frankreichs wurden aufgehoben. Im Gerichtswesen wurde anstelle der Ämterkäuflichkeit die Wahl der Richter – unter juristisch Vorgebildeten – eingeführt, für Verhaftete das richterliche Gehör binnen 24 Stunden und die Pflichtverteidigung durch einen Anwalt vorgeschrieben.
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:Im Wahlrecht gaben die besitzbürgerlichen Vorbehalte in der Versammlung den Ausschlag; man ging hinter das für die Wahlen zu den Generalständen praktizierte allgemeine (Männer-)Wahlrecht zurück: Wählen durften nur sogenannte Aktivbürger mit einem bestimmten Steuermindestaufkommen. Als maßgebliche Begründung für diese Position diente die Überlegung, dass nur ein nicht käuflicher und damit unabhängiger Bürger das Wahlrecht ausüben sollte. Einzig der Rechtsanwalt Robespierre geißelte dies als Verstoß gegen die in der Menschenrechtserklärung garantierte Rechtsgleichheit. Das heikelste Problem der Konstituante blieb aber die Frage, ob und wie es gelingen könnte, Ludwig XVI. in das neue politische System einzubauen. Vor allem in dieser Frage gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen und den Hang zu politischer Lagerbildung, die das Rechts-links-Schema, wie es späterhin geläufig geworden ist, begründet hat.
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:Auf den Ehrenplätzen zur Rechten des Parlamentspräsidenten saßen die „Aristokraten“, Mitglieder der beiden ersten Stände und Anhänger des Ancien Régime, die Ludwig XVI. nicht nur die ausführende Gewalt überlassen, sondern ihm auch ein absolutes Veto in der Gesetzgebung verschaffen wollten. Richtung Saalmitte und nach links hinüber folgten dann in Abstufungen jene Abgeordneten, die eine Mitwirkung des Königs im Gesetzgebungsverfahren nur in geringem Umfang befürworteten oder völlig ablehnten.
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 9)
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:Das Revolutionsgeschehen zwischen Juli und Oktober 1789 hatte innerhalb der beiden vormals privilegierten Stände Emigrationswellen ausgelöst und zu Sammelpunkten an kleinen Fürstenhöfen etwa in Turin, Mainz und Trier geführt, von denen gegenrevolutionäre Umtriebe ausgingen, die sowohl die Destabilisierung der neuen Ordnung in Frankreich als auch die Herbeiführung einer ausländischen Intervention zum Ziel hatten. Moderate Unterstützung dafür kam von russischer, spanischer und schwedischer Seite, wo man sich in monarchischer Solidarität für die Wiederherstellung des Ancien Régime aussprach – zu mehr aber einstweilen nicht bereit war.
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:Die Abschaffung des Feudalwesens in Frankreich berührte auch teilweise Ansprüche ausländischer Fürsten, z. B. bei päpstlichen Besitzungen in Südfrankreich und bei denen deutscher Reichsfürsten im Elsass. Weder deren an Kaiser Leopold II., den Bruder der französischen Königin Marie Antoinette, gerichtete Aufforderung zum Einschreiten noch eine persönliche Begegnung mit dem emigrierten Grafen von Artois, dem Bruder Ludwigs XVI., vermochten den Habsburger aber vorerst zu militärischem Handeln zu bewegen. Nicht nur er hatte aufgrund anderer kriegerischer Verwicklungen, wie dem Krieg Russlands und Österreichs gegen das Osmanische Reich 1790 und die im Jahr darauf folgende nationale Erhebung Polens, kein Interesse an einem Krieg gegen Frankreich und ließ sich für die Zwecke der Emigranten nicht einspannen. Deren grenznahe militärische Aktivitäten, die von Stützpunkten wie z. B. Koblenz und Worms aus gestartet wurden, hatten vorläufig nicht die gewünschte Wirkung, auch wenn sie im Osten panische Ängste vor der Verschwörung der Aristokraten schürten.
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:Energischen und anhaltenden Widerstand, der teilweise bald die Form offener Rebellion und eines Religionskriegs annahm, löste dagegen ein Dekret der Nationalversammlung im Zusammenhang mit der Zivilverfassung des Klerus aus, das am 27. November 1790 allen Priestern den Eid auf die neue Verfassung vorschrieb. Papst Pius VI., der bereits die Erklärung der Menschenrechte als „gottlos“ bezeichnet hatte, verbot den Eid bei Strafe der Exkommunikation. Nur knapp die Hälfte der Geistlichen, hauptsächlich aus dem niederen Klerus, leistete daraufhin den Eid. Frankreich war fortan religiös gespalten, denn insbesondere die Landbevölkerung suchte für die Taufe und andere religiöse Kernzeremonien mehrheitlich die eidverweigernden Priester auf. „Die Revolution lieferte damit dem Generalstab der Gegenrevolution, der ohne Truppen war, das nötige Fußvolk: die eidverweigernden Priester und ihre Schäflein.“
 
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:'''Die Französische Revolution''' (Teil 10)
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:'''Die Flucht des Königs'''
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:Die Kirchenpolitik der Konstituante stellte auch für Ludwig XVI., der im Tuilerien-Schloss den Gottesdienst in der hergebrachten Weise praktizierte, eine zusätzliche Herausforderung dar, da er im öffentlichen Rahmen genötigt war, von eidverweigernden Priestern die Kommunion zu empfangen. Im Februar 1791 appellierte Marie-Antoinette brieflich an Leopold II., nicht länger zu säumen und der weiter rasch fortschreitenden Revolution, die sich auch auf die Österreichischen Niederlande auszubreiten drohe, mit militärischen Mitteln entgegenzutreten.
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:Als Ludwig XVI. dann im April von der Volksmenge daran gehindert wurde, Paris für einen seiner gewohnten Kuraufenthalte in Saint-Cloud zu verlassen, dürften heimliche Fluchtpläne der königlichen Familie vordringlich geworden sein. In der Nacht vom 20./21. Juni 1791 gelang es ihr, aus dem von Nationalgardisten bewachten Schloss in Verkleidung unerkannt zu entkommen, um in Kutschen außer Landes zu gelangen. Ziel waren die Österreichischen Niederlande, mit deren militärischer Unterstützung Ludwig XVI. auf Rückkehr nach Frankreich und Restauration seiner absolutistischen Herrschaft hoffte.
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:Besondere Vorsicht ließ der König während der Flucht nicht walten, sodass er bei Aufenthalten mehrfach erkannt wurde. Die ohnehin im Zeitplan nachhängende Reisegesellschaft wurde von den Meldungen ihres Unterwegsseins überholt und schließlich nicht sehr weit vor der belgischen Grenze bei Varennes gestoppt. Die Rückführung der königlichen Familie löste in Paris einen Massenauflauf aus, der auch die Häuserdächer einschloss. Von der lärmenden Begeisterung, die noch die erzwungene Ankunft des Königs im Oktober 1789 bei den Parisern ausgelöst hatte, war allerdings nichts geblieben. Ein lastendes Schweigen lag über der Szene.
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:In der Nationalversammlung, die ihr Verfassungswerk gefährdet sah, wurde an Ludwig XVI. auf widersprüchliche Weise festgehalten. Einerseits wurde wider besseres Wissen die Lesart verbreitet, der König sei entführt worden; andererseits wurde er von seinen monarchischen Funktionen so lange entbunden, bis ihm die noch zu vollendende Verfassung zur Unterschrift vorgelegt werden konnte. Barnave mahnte in der Debatte vom 15. Juli 1791: „Wollen wir die Revolution beenden oder wollen wir von neuem mit ihr beginnen? […] Mit noch einem Schritt voran würden wir Unheil und Schuld auf uns laden, ein Schritt weiter auf dem Weg der Freiheit wäre die Zerstörung des Königtums, ein Schritt weiter auf dem Wege der Gleichheit wäre die Zerstörung des Eigentums.“
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:Bei seiner Flucht hatte Ludwig XVI. eine gegenrevolutionäre Proklamation hinterlassen, die der Öffentlichkeit vorerst unbekannt blieb. Darin hervorgehoben hatte er u. a. die aus seiner Sicht unheilvolle Rolle der politischen Klubs und deren maßgebliche Einflussnahme auf die Beschlüsse der Konstituante. Wie sich nun zeigte, war es aber gerade seine Flucht, die zu einer Neuformierung und Radikalisierung dieser außerparlamentarischen politischen Organisationen führte. Der bis zum Oktober 1789 in Versailles maßgebliche Bretonische Klub hatte in Paris als „Gesellschaft der Freunde der Verfassung“ seinen Tagungsort im Jakobinerkloster gefunden und wurde folglich Jakobiner-Klub genannt.
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:Bereits bis Ende 1790 breitete er sich in 150 Filialen über das ganze Land aus und entfaltete als Ort der politischen Meinungsbildung tatsächlich große Wirkung, wobei das Pariser Original zugleich vorberatenden Einfluss auf die Beschlussfassung in der Nationalversammlung ausübte. Die Flucht der königlichen Familie führte in der Frage der Absetzung Ludwigs XVI. zur Spaltung des Jakobinerklubs: Da die Linke um Robespierre für die Absetzung des Königs eintrat, zog die Mehrheit der die Linie von La Fayette und Barnave teilenden Klubmitglieder aus und gründete im Feuillantiner-Kloster den Klub der Feuillants. Auch bei den Tochtergesellschaften kam es zu Abspaltungen; doch gelang es den Pariser Jakobinern auch mittels einer nun erst einsetzenden Kampagne für das allgemeine Wahlrecht, in den namensgleichen Filialen ein deutliches Übergewicht zu behalten.
 
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