Curso de alemán para avanzados con audio/Lección 002b

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AB21 - AB25 editar

AB21

 
Schriftbeispiel für die Breitkopf-Fraktur
Fraktur (Teil 1)
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Die Fraktur (von lateinisch fractura ‚Bruch‘, seit Mitte des 15. Jahrhunderts auch ‚gebrochene Schrift‘[1]) ist eine Schriftart aus der Gruppe der gebrochenen Schriften. Sie war von Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum, dazu – in Konkurrenz zur Antiqua – auch in den nordeuropäischen Ländern.
In der Umgangssprache wird der Sammelbegriff Frakturschrift fälschlicherweise synonym für gebrochene Schriften verwendet, also auch zum Beispiel für Textura und Schwabacher, die sich aber durch das Fehlen der für die Fraktur charakteristischen Elefantenrüssel klar abgrenzen lassen.
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Entstehung:
Die Entstehung der Frakturtype am Anfang des 16. Jahrhunderts ist eng verbunden mit Kaiser Maximilian I. Wer genau die Fraktur geschaffen hat, ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt, da die Formen der Type auch in handschriftlichen Urkunden aus dem Umfeld der Wiener Universität und in Nürnberg nachweisbar sind. In Frage kommt unter anderem Vinzenz Rockner, ein Sekretär von Maximilian I., der den Druck des Gebetbuches (siehe unten) überwachte und die handschriftlichen Vorlagen für die Drucklettern lieferte. Unklar bleibt, ob er diese Vorlage auch selbst entworfen hat. Der zweite mögliche Urheber ist der Mönch und Schreiber Leonhard Wagner, der bereits am Ende des 15. Jahrhunderts eine entsprechende Schriftart entwickelte, die aber in der Bibliothek seines Klosters verblieb, so dass unklar ist, wie bekannt diese Handschrift war.
Die erste Frakturschrift für den Buchdruck wurde bereits 1513 von Hans Schönsperger in Augsburg entworfen und (unter anderen) im von Albrecht Dürer illustrierten Gebetbuch verwendet. Als zweite wichtige Anwendung der Fraktur im Druck gilt der 1517 in Nürnberg gedruckte Theuerdank. Ihre ästhetische Vollendung erfuhr sie durch Schriftschneider im 18. Jahrhundert wie G. I. Breitkopf und J. F. Unger.
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Entwicklung:
Die Fraktur hat sich, ähnlich wie die Antiqua, im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Zeitgeistes angepasst und verändert. Es lassen sich folgende wichtige Formen der Fraktur unterscheiden:
  • Renaissance-Fraktur: Theuerdank-Fraktur
  • Barock-Fraktur: Breitkopf-Fraktur
  • Klassizistische Fraktur: Unger-Fraktur, Walbaum-Fraktur

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Fraktur (Teil 2)
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Verwendung der Fraktur in der Neuzeit:
Die Frakturschrift wurde in Deutschland in ausgewählten Publikationsbereichen Ende des 19. Jahrhunderts von der Antiqua abgelöst. So änderten im Zuge der Internationalisierung wissenschaftlich-technische Zeitschriften ihre Typographie, zum Beispiel bereits 1872 die Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure. In anderen Bereichen war Frakturschrift bis nach dem Ersten Weltkrieg üblich, danach begann sich im Zuge der Neuen Typographie allmählich die Antiqua durchzusetzen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus erlebte die Fraktur insbesondere als Auszeichnungs-, aber auch als Textschrift zunächst eine Renaissance, da sie als deutsche Schrift betrachtet wurde. Man berief sich unter anderem auf Cäsar Flaischlen, der „Vom Herrenrecht unserer deutschen Schrift“ gedichtet hatte. Ab Juni 1933 forcierte das Reichsinnenministerium das Vorhaben, Schreibmaschinen mit Frakturschrift verbindlich in Behörden einzuführen. Der Fachnormenausschuss für Schreibmaschinen scheiterte jedoch an der Aufgabe, sich auf verbindliche Schriftzeichen zu einigen. In diesem Ausschuss war auch die Schreibmaschinenindustrie vertreten, die eigentlich ein Interesse an verstärktem Absatz hätte haben müssen. Hitler selbst war jedoch kein Freund des Romantischen und erklärte auf einer Kulturtagung der NSDAP 1934: „Der nationalsozialistische Staat [muss] sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen jener Rückwärtse, die meinen, eine ‚teutsche Kunst‘ aus der trauten Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu können ...“ So wurde das Vorhaben der Umstellung der Schreibmaschinen nicht weiter forciert.
Seit 1940 sollten alle für das Ausland gedruckten Texte in Antiqua gesetzt werden, worüber die Bevölkerung jedoch nicht informiert wurde. Die Schriftpolitik blieb über längere Zeit völlig unklar. Ein Erlass des NSDAP-Regimes von 3. Januar 1941, in welchem Martin Bormann in Hitlers Auftrag die der Fraktur ähnliche Schwabacher als „Judenschrift“ bezeichnete, erklärte dann in einer totalen Kehrtwendung (und in Verkehrung der tatsächlichen Entwicklung der Schrift) die Antiqua zur „Normalschrift“. Schwabacher und Fraktur galten fortan als unerwünscht, so dass NSDAP-treue Zeitungen und Verlage vor allem in der für das Ausland bestimmten Produktion zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift, insbesondere der Antiqua, übergingen. Der Duden erschien 1941 letztmals in Fraktur.
Allerdings glaubten wohl selbst die NS-Funktionsträger nicht an diese Argumentation. Hintergrund des (extrem teuren) Wechsels mitten in Kriegszeiten war vermutlich die Auffassung, dass die deutsche Hegemonie in einem eroberten Europa mit einer besonderen, optisch engen und komplizierten, schwer zu erlernenden Schrift nicht zu sichern sei. Auch waren die zahlreichen Zwangsarbeiter oft nicht in der Lage, einfache Beschriftungen in Fraktur zu verstehen, was die Kriegsproduktion behinderte. So schrieb Goebbels am 2. Februar 1941 in sein Tagebuch: „Der Führer ordnet an, daß die Antiqua künftig nur noch als deutsche Schrift gewertet wird. [Gemeint war wohl: … dass künftig nur noch die Antiqua als deutsche Schrift gewertet wird.] Sehr gut. Dann brauchen die Kinder wenigstens keine 8 Alphabete mehr zu lernen. Und unsere Sprache kann wirklich Weltsprache werden.“ Unter den „acht Alphabeten“ verstand man damals die Klein- und Großbuchstaben von Fraktur, deutscher Schreibschrift, Antiqua und lateinischer Schreibschrift.
Goebbels betonte fünf Vorteile der Antiqua: 1. Wirksamere Verbreitung deutscher (Propaganda-)Schriften im Ausland; 2. verbesserte Möglichkeiten, eroberte Gebiete zu verwalten; 3. Absicherung der militärisch-politischen Herrschaft durch eine schriftlich-kulturelle Dominanz; 4. Abgrenzung gegenüber der Sowjetunion und Anpassung an Westeuropa mit einer einheitlichen europäischen (deutschen) Schrift; 5. wirtschaftliche Vorteile durch Verbesserung des Absatzes deutscher Bücher im Ausland. Ab September 1941 wurde in deutschen Schulen nur noch die lateinische Schrift gelehrt, die bis dahin nur als zweite Schrift ab Klasse 2 unterrichtet worden war, wodurch Unterrichtszeit für andere Fächer frei wurde. Kaum jemand war über die Gründe unterrichtet. Für Bevölkerungsgruppen, die sich in Nationalitätenkonflikten wähnten, z. B. die Sudetendeutschen, stellte die Umstellung ein Ärgernis dar.
Die Frakturschrift erlebte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches keine Renaissance. 1951 kam es zwar zur Neugründung des Bundes für deutsche Schrift in Hannover (seit 1989: Bund für deutsche Schrift und Sprache), der sich für die Verwendung deutscher Druck- und Schreibschriften einsetzt. Das Thema findet jedoch in der Öffentlichkeit keinen größeren Raum. Allerdings wurden auch nach 1945 noch Bücher in Fraktur gedruckt. Der Autor Hermann Hesse bestand noch lange nach dem Krieg darauf, dass seine Werke in Fraktur gedruckt würden. Auch viele Klassiker fanden in den 1950er Jahren als Frakturausgaben noch sehr guten Absatz, so eine Theodor-Storm-Gesamtausgabe von 1953. Die evangelischen Kirchen hielten noch längere Zeit an der „deutschen Schrift“ fest. So erschienen viele deutschsprachige Bibel-Übersetzungen bis in die 1960er Jahre in Fraktur. Die katholische Kirche hatte für lateinische Texte traditionell die lateinische Schrift verwendet und vollzog daher die Umstellung auch für deutschsprachige Texte früher. Bis in die 1980er Jahre wurden in Westdeutschland einzelne Gesetzestexte, zum Beispiel das Wechselgesetz im „Schönfelder“, in Fraktur gedruckt.
Auf den DM-Banknoten zu 5, 10, 100, 500 und 1000 DM der ab 1961 ausgegebenen dritten Serie sowie auf allen Banknoten der ab 1990 ausgegebenen vierten Serie war das Wort Banknote in Fraktur gesetzt.
In der Gegenwart werden Frakturschrift oder andere gebrochene Schriften in der Werbung, zur Beschriftung verschiedener Artikel und für Straßenschilder verwendet. Auf Warenverpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, signalisiert die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität. Bei Gaststätten signalisiert die Hausinschrift in Fraktur einen mit Liebe geführten Traditionsbetrieb, zumindest aber Gemütlichkeit. Schließlich ist die Frakturschrift, meistens die im englischsprachigen Raum verbreitetere gotische Schrift, in Musik- und Jugendkulturen wie Metal, Punk oder Gothic beliebt. Gebrochene Schriften sind einerseits derzeit in der Mode verbreitet, andererseits werden sie trotz der schließlichen nationalsozialistischen Frakturablehnung auch von Neonazis verwendet. Allerdings werden die Schreibregeln bezüglich des langen s bei Massenprodukten und Kneipenschildern aus Kunststoff inzwischen seltener oder überhaupt nicht mehr angewandt. Gleiches gilt für die Ligaturen ch, ck, tz und st.

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Fraktur (Teil 3)
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Schreib- und Lesehilfe
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Lesehilfe im „Deutschen Lesebuch“ (1912)
Im Laufe der Geschichte haben sich einige Grundregeln bei der Verwendung von gebrochenen Schriften durchgesetzt, die sich vorwiegend im deutschen Sprachraum finden. Hierzu gehören die Verwendung von Ligaturen (auch auf Schreibmaschinen und in der Computerschrift) und zwei unterschiedliche Formen des Buchstaben s.
In Fraktur ungeübte Leser haben meistens nur mit wenigen Buchstaben Schwierigkeiten. Das lange s     unterscheidet sich vom f     immer durch den ausgesparten kurzen Querbalken auf der rechten Seite, manchmal fehlt auch zur deutlicheren Unterscheidung der linke Querbalken.
Das k     unterscheidet sich vom t     vor allem durch eine kleine Schlaufe rechts oben. Das x     unterscheidet sich vom r     nur durch eine offene Schleife am Zeichenfuß. Das y     ähnelt dem h    , weist aber keine Oberlänge auf und ist im Gegensatz zum v     unten offen. Bei den Großbuchstaben ähneln sich B     und V    , wobei V der schließende innere Querstrich fehlt, genauso wie N     im Vergleich mit R    . Der untere Bogen des G     ist bei E     nicht geschlossen. I     und J     haben als Großbuchstaben meist das gleiche Schriftbild. Das A     ähnelt in vielen Frakturschriften dem U    , ist jedoch weniger weit geöffnet.

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Unterschiede bei Bögen von runden (oberstes Beispiel) und gebrochenen Schriftarten (untere vier Beispiele)
Gebrochene Schrift (Teil 1)
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Gebrochene Schrift ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe lateinischer Schriftarten, bei denen die Bögen eines Buchstabens ganz oder teilweise gebrochen sind, d. h. aus einer Schreibbewegung entstehen, in der ein oder mehrere erkennbare abrupte Richtungswechsel in der Strichführung einen sichtbaren Knick im Bogen hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die runden, nicht gebrochenen Schriftarten wie die Antiqua, bei denen die Bögen beim Schreiben aus einer gleichmäßig fließenden Bewegung entstehen.
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Entstehung
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In der Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa der Kunststil der Gotik. Eine der auffälligsten Änderungen in der Architektur war der Übergang von den romanischen Rundbögen zu den gebrochenen gotischen Spitzbögen. Dieses Stilelement der Bogenbrechung wurde im Folgenden auch auf die Bögen der Kleinbuchstaben angewendet. Dadurch entstand aus den runden karolingischen Minuskeln die erste gebrochene Schriftart, die gotischen Minuskeln.
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Gebrochene Schriftarten
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Übersicht über Unterschiede bei gebrochenen Schriften
 
Gebrochene Schriften im typisch fehlerhaften Computersatz: Ohne Ligaturen, etwa beim ch.
Zu den gebrochenen Schriften zählen:
  • Gotische Minuskel
  • Gotische Textura
  • Rotunda
  • Schwabacher
  • Fraktur
  • Deutsche Kurrentschrift
  • Sütterlinschrift
  • Offenbacher Schrift
Nach DIN 16518 werden die gebrochenen Satzschriften in die fünf Untergruppen Gotisch (Textura), Rundgotisch (Rotunda), Schwabacher, Fraktur und Fraktur-Varianten unterteilt. Eine der Besonderheiten bei einigen dieser Schriftarten ist die Beibehaltung des – früher auch in der Antiqua verwendeten – „langen s“, welches gemäß den Regeln insbesondere in der deutschen Sprache verwendet wird. Der gewöhnliche Kleinbuchstabe s wird in diesem Zusammenhang als Schluss-s bezeichnet.

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Gebrochene Schrift (Teil 2)
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Verwendung der gebrochenen Schrift
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Die gebrochenen Schriften sind ein tief verwurzelter Bestandteil europäischer Schriftkultur, verloren aber im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Nur in Deutschland blieben gebrochene Schriften bis weit ins 20. Jahrhundert populär. An deutschsprachigen Schulen lernten alle Schüler gebrochene Schriften lesen und schreiben. 1941 verbannte der Normalschrifterlass die gebrochenen Schriften aus Schullehrplänen und offiziellem Schriftgebrauch. Danach verschwanden auch in Deutschland die gebrochenen Schriften rasch als Gebrauchsschriften aus dem Alltag. Letzte Reste finden sich heute nur noch bei Zeitungsköpfen, Schildern, Firmenlogos und Etiketten. Als typographisches Stilmittel stehen sie hier für Geschichtsträchtigkeit, Traditionsbewusstsein, bäuerliche Einfachheit oder Volkstümlichkeit.
Seit den 1970ern erscheinen gebrochene Schriften auch bei Jugendkulturen wie Metal, Hardcore und Gothic. Hier symbolisieren die Schriften keine Traditionspflege, sondern den Bruch mit der vorherrschenden Gegenwartskultur.
Gefängnis-Tätowierungen, insbesondere in der Schrift Old English, sind bei Skinheads und Gangsta-Rappern verbreitet. Sie knüpfen an eine Symbolik an, die der Wiener Historiker Heinrich Fichtenau 1942 in seiner Habilitationsschrift zusammenfasste: es sei „die Antiqua die Schrift des rationalen, kühlen objektiven Denkers; die Fraktur jenes des mehr subjektiven ‚Täters‘, zumindest des mit hoher Vitalkraft Begabten, der so häufig bloss am Rande einer verpflichtenden Gemeinschaft steht, ohne ihr dienend anzugehören“.
Wegen der geringen Nachfrage nach gebrochenen Schriften und den hohen Materialkosten für Bleilettern hatten Ende der 1980er nur noch wenige Druckereien Restbestände an gebrochenen Lettern. Die Situation änderte sich jedoch mit der Entwicklung des Computersatzes. Kommerzielle Schrifthäuser und freie Typographen digitalisierten nun auch gebrochene Schriften. Heute ist eine Vielzahl hochwertiger Schriften für jeden Computerbenutzer erhältlich. In der Folge entdeckt heute eine neue Generation von Typographen diese jahrhundertealten Schriftfamilien wieder, und zwar nicht aus ideologischen Gründen, sondern vielmehr aus Interesse an den ästhetischen und handwerklichen Qualitäten der gebrochenen Schriften.

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Vergleich runder und gebrochener Schriftarten
Antiqua-Fraktur-Streit (Teil 1)
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Der Antiqua-Fraktur-Streit war eine politische Auseinandersetzung im Deutschland des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts über den Stellenwert gebrochener Schriften für die geschriebene deutsche Sprache.
Im weiteren Sinne ist der gesamte etwa 200-jährige Übergangsprozess gemeint, in dem die Antiqua die gebrochenen Schriften als Alltagsschrift ablöste. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde deutsche Sprache ausschließlich in gebrochenen Schriften geschrieben. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die gebrochenen Schriften fast vollständig aus dem Alltag verschwunden. Bei den Buch- und Druckschriften erfolgte die Ablösung – mit gewissen Modeschwankungen – allmählich über den gesamten Zeitraum. Dagegen wurde über Schreibschriften und Schullehrpläne zwar lange gestritten, die tatsächliche Umstellung erfolgte aber beschleunigt ab dem Jahr 1941, bedingt durch den Normalschrifterlass.
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Zweischriftigkeit: Deutscher Text in Fraktur, lateinische und französischstämmige Worte in Antiqua (1768)
Zweischriftigkeit
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Anfang des 16. Jahrhunderts bildete sich so die deutsche Eigenheit heraus, zwei Schriften zu pflegen. Deutschsprachiger Text wurde weiterhin in gebrochenen Schriften gedruckt und geschrieben, lateinischer Text in Antiqua. Bei gemischtsprachigen Texten werden auch die Schriften gemischt: Fraktur für den Druck deutschsprachiger Wörter, Antiqua für fremdsprachige Wörter. Diese Regel hat sich im Fraktursatz bis heute gehalten. Diese Unterscheidung hat sich umgangssprachlich auch in den Begriffen „Deutsche Schrift“ und „Lateinische Schrift“ verfestigt, auch wenn es sich natürlich in beiden Fällen um lateinische Buchstaben handelt.
Die Zweischriftigkeit galt auch für Schreibschriften. Handschriftliches in deutscher Sprache wurde in gotischen Kursiven geschrieben, wie deutscher Kurrentschrift oder Sütterlinschrift. Handschriftliches in lateinischer Sprache wurde in humanistischer Kursive verfasst.
Bei den deutschen Schriftstreiten ging es um die Frage, ob auch die deutsche Sprache in Antiqua geschrieben werden solle, sowie um die Überwindung der Zweischriftigkeit zugunsten einer einzigen Schrift. In Italien und Frankreich war die Frage schon im 16. Jahrhundert zugunsten der Antiqua entschieden.
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Aufklärung, Klassizismus, Befreiungskriege
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs durch Aufklärung, Klassizismus und Französische Revolution das Interesse in Deutschland an Literatur aus Frankreich und der griechischen und römischen Antike. Dies förderte die Verbreitung der Antiqua.
Der erste Höhepunkt des Schriftstreites fällt mit der Besetzung Deutschlands durch den französischen Kaiser Napoleon zusammen. Er erzwang im Jahr 1806 die Gründung des Rheinbundes, die das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bedeutete. Obwohl dieses „Römische Reich“ noch kein Nationalstaat im modernen Sinne war, liegen die Ursprünge der deutschen Nationalstaatsbewegung etwa in dieser Zeit.
Zunächst gab die Verwaltung der französischen Besatzungsmacht Anlass zum Schriftenstreit, da die meisten Verordnungen in lateinischer Schrift verbreitet wurden. Gebrochene Schriften wurden von deutschen Nationalisten als Symbol der äußeren Abgrenzung gegenüber der militärischen und kulturellen Übermacht Frankreichs verwendet.
Andererseits blieb die Frage, ob deutsche Sprache nicht auch mit Antiqua-Schriften geschrieben werden könne, eine Geschmacksfrage. Traditionalisten schätzten das vertraute Schriftbild der gebrochenen Schriften, Neuhumanisten bevorzugten die Antiqua aus philosophischen Gründen. Den gebildeten adeligen und bürgerlichen Kreisen in Deutschland war die Antiqua nicht nur geläufig, weil sich Französisch als internationale Diplomaten- und Gesellschaftssprache durchgesetzt hatte, sondern auch, weil fast die gesamte fremdsprachige Literatur in Antiqua gesetzt war und deren Kenntnis zum unverzichtbaren Bestandteil der höheren Bildung zählte.
Wichtige Befürworter der Antiqua sind die Brüder Grimm, deren Märchensammlung und Deutsches Wörterbuch zu den wichtigsten Werken deutscher Sprachkultur gehören. Die Fraktur sei in der Majuskel „unförmig“ und hindere die Verbreitung deutscher Bücher im Ausland.
Durch die Einführung der Volksschule im 19. Jahrhundert setzte Preußen die Schulpflicht erstmals für große Bevölkerungsanteile durch. Im Lese- und Schreibunterricht wurde die Deutsche Kurrentschrift („Spitzschrift“) gelehrt.
Für Adel und Bürgertum blieb weiterhin Französisch wichtigste Verkehrssprache; durch den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Austausch mit dem industriell führenden Großbritannien gewann auch Englisch an Bedeutung. Deshalb mussten gebildete deutsche Briefschreiber zusätzlich auch die lateinische Schreibschrift („Rundschrift“) beherrschen.


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„8 Alphabete“ um 1900: Die Buchstaben S und E in lateinischer und deutscher Schrift, Druck- und Schreibschrift, Groß- und Kleinbuchstaben, einschließlich „langem s“ - Die Buchstaben "S" and "E" als Klein- und Großbuchstaben in a) Antiqua Druckschrift (Cardo, basiert auf Bembo) b) Antiqua Schreibschrift (Commercial Script BT) c) Kleist-Fraktur d) Deutsche Kurrentschrift (aus: Image:Deutsche Kurrentschrift.jpg). Beim S sind langes s und rundes s abgebildet.
Antiqua-Fraktur-Streit (Teil 2)
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Kaiserzeit
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In der Zeit von 1867/1871 wurde der deutsche Bundesstaat gegründet. Damals wurde vieles in Deutschland vereinheitlicht, allerdings dauerte es noch bis 1901, dass man sich beispielsweise auf eine gemeinsame deutsche Rechtschreibung einigte. In diesem Zeitraum herrschte auch die Debatte um die Schrift. Reichskanzler Otto von Bismarck etwa war erklärter Befürworter der Fraktur.
Der Antiqua-Fraktur-Streit als öffentliche Debatte wurde 1881 durch Reformvorschläge des Schreibwarenherstellers Friedrich Soennecken ausgelöst, die 1885 zur Gründung des „Vereins für Altschrift“ führten („Altschrift“ als eindeutschende Bezeichnung für Antiqua). Die völkische Gegenposition vertraten der Oberkorrektor der Reichsdruckerei Adolf Reinecke und der Verleger Gustav Ruprecht, der sich mit dem Flugblatt Das Kleid der deutschen Sprache (1912) an dem Streit beteiligte und den Buchhändlerischen Frakturbund gründete. Der öffentliche Streit gipfelte 1911 in einer Reichstagsdebatte, die aber zu keiner Entscheidung führte.
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Gesetzgebung
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Am 4. Mai 1911 wurde die Schriftfrage ausführlich im deutschen Reichstag verhandelt. Der die Antiqua propagierende Verein für Altschrift hatte sich Mitte der 1890er Jahre an die Petitionskommission des Reichstags gewandt, um die Antiqua in den Schulen neben der Fraktur einzuführen. Nachdem dem Antrag zunächst zugestimmt worden war, entfachte Reinecke gemeinsam mit anderen nationalistischen Gruppierungen eine sehr emotional geführte öffentliche Debatte. In der Folge dieses öffentlichen Streits nahm der Reichstag den Beschluss mit 85 zu 82 Stimmen zurück. Bei der endgültigen Abstimmung am 17. Oktober 1911 stimmten 75 % der Abgeordneten gegen den Antrag. Damit blieb alles beim Alten.
1911 erhielt der Grafiker Ludwig Sütterlin vom preußischen Kultusministerium den Auftrag, neue Schulausgangsschriften zu entwickeln. 1915 führte Preußen die deutsche und die lateinische „Sütterlinschrift“ in den Lehrplan ein. Bis 1935 übernahmen auch die meisten anderen deutschen Länder die beiden Sütterlinschriften.
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Weimarer Republik
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Während der Weimarer Republik (ab 1919) bestand die Zweischriftigkeit in Schullehrplänen und alltäglichem Schriftgebrauch weiter. Die Antiqua gewann als internationale Schrift an Bedeutung.
Im Umfeld des funktionalistischen Bauhauses und des Typographen Jan Tschichold entstand in den 1920er Jahren eine Neue Typographie. Serifenlose Grotesk-Schriften gewannen an Bedeutung.
In diese Zeit fielen auch zahlreiche Untersuchungen zur besseren Lesbarkeit einer dieser beiden Schriftgattungen, bei denen die Bruchschrift – entgegen den subjektiven Einschätzungen der Testteilnehmer – gegen die Antiqua gewann.


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Antiqua-Fraktur-Streit (Teil 3)
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Nationalsozialismus
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Die Nationalsozialisten hatten ein widersprüchliches Verhältnis zu den traditionellen gebrochenen Schriften. Auf der einen Seite forderten Studenten bei der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland „Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch der deutschen Schrift“. Auf der anderen Seite verspottete Adolf Hitler in einer Rede auf einer „Kulturtagung des Parteitags der NSDAP“ am 5. September 1934 im Apollo-Theater in Nürnberg diese rückwärtsgewandte Haltung:
„[...] der nationalsozialistische Staat [muss] sich verwahren gegen das plötzliche Auftauchen all jener Rückwärtse, die meinen, eine ‚theutsche Kunst‘ … aus der krausen Welt ihrer eigenen romantischen Vorstellungen der nationalsozialistischen Revolution als verpflichtendes Erbteil für die Zukunft mitgeben zu müssen […] Eure vermeintliche gotische Verinnerlichung paßt schlecht in das Zeitalter von Stahl und Eisen, Glas, Beton, von Frauenschönheit und Männerkraft, von hochgehobenem Haupt und trotzigem Sinn.“ (– Adolf Hitler)
Die NSDAP und die nationalsozialistische Regierung selbst setzten in den 1920er und 1930er Jahren in ihrem Propagandamaterial Schriften uneinheitlich ein. Als ausschließliche Besonderheit der Nazi-Typographie lassen sich eigentlich nur das Hakenkreuz, die Siegrune (SS) und die Kombination aus Davidstern und pseudo-hebräischer Schrift beim „Judenstern“ und antisemitischer Propaganda nachweisen. Es ist umstritten, inwiefern die nach 1933 in Mode gekommenen gebrochenen Grotesken als „Nazi-Schrift“ zu werten sind.
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Der Übergang zum alleinigen Gebrauch der Antiqua
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Als Hitler in den Jahren 1940/41 auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen war und einen großen Teil Europas besetzt hielt, kam ein Umschwung von der Bevorzugung der Fraktur zur Vorherrschaft der Antiqua zustande, zuerst im Hinblick auf das Ausland. Joseph Goebbels gab eine neue Wochenzeitung heraus, die für die Intelligenz auch des Auslands bestimmt war: Das Reich. Diese Zeitung erschien am 15. März 1940 zum ersten Mal, gesetzt in Antiqua.
Bei einer geheimen Ministerkonferenz im Propagandaministerium wurde am 27. März 1940 beschlossen, für sämtliches zur Verbreitung im Ausland bestimmte Propagandamaterial ausschließlich den dort üblichen Antiqua-Druck zu verwenden.
Am 3. Januar 1941 fällte der „Führer“ Adolf Hitler seine Entscheidung. Die gotischen Schriften seien sämtlich zugunsten der „Normal-Schrift“ aufzugeben.
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Nachkriegszeit, Deutsche Teilung und Gegenwart
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Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 endeten die Herrschaft der Nationalsozialisten und die Rechtshoheit des Deutschen Reiches. Schriftfragen und Schullehrpläne wurden in den Besatzungszonen von den jeweiligen Besatzungsmächten geregelt. Österreich und die Tschechoslowakei waren wieder unabhängige Staaten. In den westlichen Besatzungszonen wurde das Benutzen der deutschen Schrift vielerorts durch die Alliierten untersagt, weil sie diese Schrift nicht lesen konnten.
Die deutsche Kurrentschrift wurde in der Bundesrepublik ab 1954 wieder an den Schulen einiger Bundesländer als zusätzliche Ausgangsschrift gelehrt, konnte sich jedoch nicht mehr nachhaltig gegen die lateinischen Schreibschriften durchsetzen.

AB29

 
Das deutsche Alphabet
 
Das lateinische Alphabet
Offenbacher Schrift
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Die Offenbacher Schrift ist eine deutsche Schreibschrift, die 1927 von Rudolf Koch in zwei Versionen, als deutsches und als lateinisches Alphabet, entwickelt wurde. Sie wird gelegentlich als „Rudolf-Koch-Kurrent“ bezeichnet und soll nach Koch leichte Schreibbarkeit mit ästhetischer Schönheit verbinden.
Diese Schrift ist im Gegensatz zur Deutschen Kurrentschrift mittenbetont und hat ein Lineaturverhältnis von 2:3:2 oder 3:4:3 (Kurrentschrift 2:1:2) bei einem Neigungswinkel von etwa 75 bis 80 Grad (Kurrentschrift 70 Grad). Sie wird am besten mit einer Breitfeder oder Bandzugfeder geschrieben, wobei die meißelförmige Schreibspitze einen Winkel von 15 bis 20 Grad zur Grundlinie bildet.
Als Ausgangsschrift konnte sich die Offenbacher Schrift in den Schulen nicht durchsetzen, ab 1930 war die Sütterlinschrift in den meisten deutschen Ländern offizielle Unterrichtsschrift. Die Offenbacher Schrift wurde von Martin Hermersdorf, einem Schüler Kochs, leicht überarbeitet und von 1950 bis 1955 unter dem Namen Koch-Hermersdorf-Schrift als Zweitschrift an bayerischen Schulen verwendet.
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Schriftprobe der Offenbacher Schrift
  „Nur die Schrift allein
bewahret die göttlichen Gedanken
der weisen Männer
und die Aussprüche der Götter,
ja selbst alle Philosophie und Wissenschaft
und übergibt sie
von Jahrhundert zu Jahrhundert
den kommenden Geschlechtern.“
Diodorus Siculus

AB30

 
Kanzleischrift um 1500. Auszeichnungsschrift des Reichsregisters
Deutsche Kanzleischrift
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Die Deutsche Kanzleischrift (oder Kanzleikurrent) ist eine Schrift, die im deutschsprachigen Raum zwischen dem 15. Jahrhundert und dem 19. Jahrhundert für amtliche Schriftstücke und Dokumente gebräuchlich war. Sie hat starke Grundstriche und kurze Ober- und Unterlängen. Sie entstand aus der lateinischen Schrift, verfügt aber über eine hohe Schnörkeldichte.

AB31 - AB36 editar

AB31

 
Langes s in verschiedenen Schriften
Langes s (Teil 1)
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Das lange s „ſ“ ist eine grafische Variante des Buchstabens „s“ oder, sprachwissenschaftlich, eine stellungsbedingte allographische Variante des Graphems „s“. Das „ſ“ ist durch seinen vertikalen Schaft charakterisiert und bildet den ersten Bestandteil der beiden Ligaturen „ſʒ“ („ſz“) und „ſs“, die als Ursprung des deutschen Buchstabens „ß“ angenommen werden.
Das „ſ“ wird in den heute üblichen „runden“ Schriften (Antiqua-Schriften) normalerweise nicht mehr verwendet.
In gebrochenen Schriften ist die Verwendung des „ſ“ parallel zum runden s nach historisch gewachsenen Regeln konventionalisiert. Dabei wird das „ſ“ im Deutschen für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geschrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s oder Auslaut-s gebraucht wird. Früher kam das lange s in allen romanischen ebenso wie den deutschen, englischen, niederländischen, westslawischen und den skandinavischen Schriftformen vor.
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Bezeichnungen
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Verschiedene Ausführungen des langen ſ und des runden s in verschiedenen Schriften
Synonyme für langes s
  • Lang-s, kleines Lang-s, Schaft-s
  • nach der Position: Anlaut-s, Inlaut-s, Silbenanfang-s
Synonyme für rundes s
  • Rund-s, kurzes s, Kurz-s, Kleinbuchstaben-s, Minuskel-s
  • nach der Position: Schluss-s, Auslaut-s

AB32

Langes s (Teil 2)
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Schriftgeschichte
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Das runde s für das Wortende kam schon im 9. Jahrhundert in einigen Schreibschulen auf. Es breitete sich in der Folgezeit weiter aus, zunächst gerne hochgestellt, während sein Auftreten in der Wortmitte auf das 12. Jahrhundert verweist.
Das Integralzeichen <math>\int</math, von Gottfried Wilhelm Leibniz eingeführt, leitet sich aus dem langen s für lateinisch ſumma (summa) ab.
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Verschwinden des langen s im Antiquasatz:
 
Langes s im Antiquasatz
 
Vergleichende s-Schreibung, Hamburger Rechtsamt 1955. Abweichend wird in der modernen lateinischen Handschrift auch ß verwendet. Und bei Namen muss eine ſs-Kombination nicht immer von einem ß kommen.
Die Differenzierung zwischen langem und rundem s verlor seit dem 18. Jahrhundert im Antiquasatz international an Bedeutung. Das lange s wurde in französischen Texten fast schlagartig mit der Französische Revolution unüblich. Das Pariser astronomische Jahrbuch Connaissance des temps beispielsweise benutzte das ſ bis zum Erscheinungsjahr 1792, ab 1793 aber das s, gleichzeitig änderte sich die Jahreszählung auf dem Französischen Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe.
Um 1800 wurde zum ersten Mal auch deutschsprachiger Text in größeren Mengen in Antiqua gesetzt (vgl. Antiqua-Fraktur-Streit). Anfangs wurde das lange s uneinheitlich verwendet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich ein gewisser Konsens heraus. Grundsätzlich wurde im Antiquasatz kein langes s verwendet. Die einzige Ausnahme war, dass in Antiqua ſs geschrieben wurde, wo im deutschen Fraktursatz sz (Eszett, ß) geschrieben wurde. So wurde Wasser im Fraktursatz mit zwei langen s geschrieben, im Antiquasatz mit zwei runden. Dagegen wurde Fluss im damaligen Fraktursatz mit ß geschrieben, aber im Antiquasatz als Fluſs. Die Schreibweise Fluß war aber auch im Antiquasatz zulässig. Der Duden von 1880 fasste die Regel so zusammen:
 
Mit der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung von 1901 (Orthographische Konferenz von 1901) wurde statt dieser Zwischenlösung die Verwendung eines ß-Zeichens auch im Antiquasatz vorgeschrieben. Dank einer Initiative der Buchdruckerei- und Schriftgießereibesitzer von 1903 verfügten die meisten Druckereien ab 1904 über geeignete Lettern.
Seitdem entsprach die Verwendung eines langen s im Antiquasatz nicht mehr der gültigen Rechtschreibung. Der in Fraktur gesetzte Duden stellte 1915 klar, dass „die mehrfach versuchte Anwendung eines langen ſ in lateinischer Schrift für das ſ in der deutschen Schrift unzulässig ist“. Die Schreibweise ſs anstelle von ß in der Antiqua war nur noch als Notbehelf zugelassen, wenn kein ß vorhanden war.

AB33

Langes s (Teil 3)
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Das lange s im Deutschen
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Vorteile und Nachteile
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Vorteil: Das ſ macht die Wortfuge bzw. die Morpheme deutlich:
Wachs·tube (oben)
Wach·stube (unten)
 
Nachteil: Ähnlichkeit von ſ und f (Gedenktafel an der Marienklause, München)
Als Vorteil der Unterscheidung zwischen langem und rundem s in der deutschen Sprache wird angeführt, dass bei zusammengesetzten Wörtern, die im Deutschen fast immer zusammengeschrieben werden, die Wortfuge in vielen Fällen klarer erkennbar sei. Denn das (runde) s ist einerseits, weil es bei den meisten maskulinen und neutralen Substantiven den Genitiv kennzeichnet und als Fugenlaut dient, sehr oft der letzte Buchstabe des vorangehenden Wortteils; andererseits ist das (lange) s (auch in den Verbindungen sch, sp, st) einer der häufigsten Anfangsbuchstaben und damit oft der erste Buchstabe des nachfolgenden Wortteils.
Wörter wie Haustür, Häschen oder desselben werden dadurch leichter lesbar, und es ermöglicht Unterscheidungen, zum Beispiel:
  • Wachſtube (Wach·stu·be) und Wachstube (Wachs·tu·be)
  • Kreiſchen (Krei·schen, für Schreien) und Kreischen (Kreis·chen, für kleiner Kreis)
  • Verſendung (Ver·sen·dung) und Versendung (Vers·en·dung)
  • Röschenhof (Rös·chen·hof, von kleine Rose) und Röſchenhof (Rö·schen·hof, vom Eigennamen Röschen)
  • Lachſturm (Lach·sturm) und Lachsturm (Lachs·turm)
Dies wurde im Antiqua-Fraktur-Streit als Argument benutzt, um die Überlegenheit der gebrochenen Schriften für den Satz deutscher Texte zu demonstrieren.
Demgegenüber kann angeführt werden, dass das lange s leicht mit dem Buchstaben f zu verwechseln ist, insbesondere nachdem das lange s heute aus verkehrsüblichen Texten nahezu verschwunden und nicht mehr Teil der Schulausbildung ist. Zur besseren Unterscheidung von ſ und f sprach Gustav Michaelis bereits 1876 die Bitte aus, die deutschen Buchdrucker mögen gemeinsam beschließen, den „durchaus unschönen und störenden Haken“ am ſ wegfallen zu lassen; es würden dadurch sicher zahllose Korrekturen entfallen.

AB34

Langes s (Teil 4)
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Heutige Regeln
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Gaſtſtätte Reichsſtadt (Esslingen am Neckar): Die traditionellen Regeln sind zwar nicht mehr vorgeschrieben, werden aber bei gebrochenen Schriften meist noch angewendet
Als Folge der Orthographische Konferenz von 1901 sah die geltende Rechtschreibung ab Anfang des 20. Jahrhunderts eine Trennung der Anwendungsregeln des langen s für lateinische Schrift und gebrochene Schrift vor. Während in der Antiqua kein langes s mehr zu verwenden war, blieb die Unterscheidung zwischen langem und rundem s in gebrochenen Schriften erhalten.
Die amtliche deutsche Rechtschreibung macht in ihrer aktuellen Fassung keine Vorgaben mehr zur Verwendung des langen s und erwähnt auch keine Sonderregeln für bestimmte Schriftstile wie etwa die gebrochenen Schriften. Demnach ist also ein genereller Verzicht auf das lange s als regelkonform anzusehen. Sollen dagegen gebrochene Schriften heute mit einer Unterscheidung von langem und rundem s gesetzt werden, erfolgt dies zumeist nach den traditionellen Regeln, wie sie sich bis in das 20. Jahrhundert entwickelt haben. Der Duden schlägt davon leicht abgewandelte Regeln vor, die im Einklang mit der neuen Rechtschreibung gewählt wurden.
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Traditionelle Regeln:
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Das runde s
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Grabstein der Familie Mendelssohn: s beim Fugen-s,
dann ſ am Silbenanfang
Das runde „s“ kann nur im Silbenauslaut stehen (zumeist nur direkt am Silbenende als Wort- oder Teilwortschluss-s), niemals am Anfang eines kleingeschriebenen Wortes, Teilwortes oder am Silbenanfang:
  • als Wortschluss-s:
    z. B. das Haus, der Kosmos, des Bundes, das Pils (aber: im Hauſe, die Häuſer, das Pilſener)
  • am Ende von Vorsilben, als Fugen-s und in Zusammensetzungen und Komposita am Ende des ersten Teilwortes, auch dann, wenn das folgende Teilwort mit einem langen ſ beginnt:
    z. B. Liebes-brief, Arbeits-amt, Donners-tag, Unterſuchungs-ergebnis, Haus-tür, Dis-poſition, dis-harmoniſch, das-ſelbe, Wirts-ſtube, Aus-ſicht.
  • in Ableitungen mit Wortbildungssuffixen, die mit einem Mitlaut beginnen, wie -lein, -chen, -bar u. Ä. (nicht vor Flexionsendungen mit t und ggf. Schwa [ə]):
    z. B. Wachs-tum, Weis-heit, Häus-lein, Mäus-chen, Bis-tum, nachweis-bar, wohlweis-lich, bos-haft (aber: er reiſte, das ſechſte, vgl. unten zur Verbindung ſt).
  • als Silbenauslaut-s, ohne dass ein [Teil]wortschluss vorliegen muss (häufig auch in Eigennamen):
    z. B. kos-miſch, brüs-kieren, Realis-mus, les-biſch, Mes-ner; Os-wald, Dres-den, Schles-wig, Os-nabrück.
    Hiervon gibt es Ausnahmen: siehe Lang-s weiter unten!
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Das lange s
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Kurz iſt das Leben: Lang-s und Schluss-s, Kurrentschrift des frühen 19. Jahrhunderts. Lang-s hier aufwärts geschrieben und als ſt-Ligatur.
 
Oben falsch Gaststätte,
unten richtig Gaſtſtätte
(nach traditionellen Regeln)
Das lange s steht immer dann, wenn das kurze s nicht verwendet wird:
  • immer im Silbenanlaut (gemeint sind Sprechsilben), also am Silbenanfang und vor dem Selbstlaut in der Silbenmitte:
    z. B. ſauſen, einſpielen, ausſpielen, erſtaunen, ſkandalös, Pſyche, Mi-ſanthrop (Sprechsilben: Mi-san-throp)
    Genauso im Anlaut der Nachsilben -ſel, -ſal, -ſam: z. B. Rätſel, Labſal, ſeltſam.
  • in den Lautverbindungen ſp und ſt (und seit 1901 auch ſz), wenn sie nicht durch Fugen-s oder Komposition entstehen; auch vor Flexionsendungen auf -t(…):
    z. B. Weſpe, Knoſpe, faſten, faſzinierend, Oſzillograph, Aſt, Haſt, Luſt, einſt, du ſtehſt, meiſtens, beſte, knuſpern; er reiſt, du lieſt, es paſſte [neue Rechtschr.], ſechſte, Gſtaad
  • in Digraphen, also Buchstabenverbindungen, die einen Laut darstellen (ſch, in Fremdwörtern ſh, auch beim doppelt dargestellten Mitlaut ſſ/ſs):
    z. B. Buſch, Eſche, Wunſch, wünſchen, Flaſh, Waſſer, Biſſen, Zeugniſſe, Faſs [neue Rechtschr.], aber: Eschatologie.
    Dies gilt auch bei durch Assimilation entstandenem Doppel-s: z. B. aſſimiliert, Aſſonanz.
  • vor l, n, r, wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist:
    z. B. unſre, Pilſner aber: Zuchthäusler, Oslo, Osnabrück.
  • auch am Silbenende bei Silbentrennung:
    z. B. Weſpe – Weſ-pe, Waſ-ſer, unſ-re.
  • immer vor Apostroph: ich laſſ’
  • im Wort tranſzendieren, tranſzendent usw. (das ſ von -ſzendieren schluckt das s der Vorsilbe trans)

AB35

Langes s (Teil 5)
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Heutige Verwendung
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Historisches Beispiel für den Verzicht auf das lange s bei einer gotischen Schrift: Buchtitel von 1914
In der Antiqua ist die Verwendung des langen s heute selten, bei gebrochenen Schriften ist sie uneinheitlich. Die Regeln zur traditionellen Verwendung des langen und runden s sind heute vielfach unbekannt und ihre Unterscheidung ist mit Computerschriften und Computerprogrammen technisch nicht ohne weiteres realisierbar. In der Folge erscheinen gebrochene Schriften immer häufiger nach Antiqua-Satzregeln und verwenden ausschließlich das runde s. Da in manchen Computerschriften anstelle des runden s ein langes s abgelegt ist, kann auch der umgekehrte Fall eintreten und es wird durchgängig ein langes s verwendet. Dies ist jedoch weder durch die aktuellen Antiqua-Satzregeln noch durch die traditionellen Fraktursatzregeln gerechtfertigt.
Eine Reihe von Firmen haben, soweit sie für ihre Produkte Bezeichnungen in gebrochenen Schriften verwenden, das lange s in den vergangenen Jahren durch ein rundes s ersetzt, etwa Gilden-Kölsch (Bier), Ostfriesentee oder Warsteiner. Beibehalten wurde das lange s etwa von Jägermeister, wobei es beim Waidmannsspruch am Etikettenrand im Jahr 2005 ebenfalls entfernt wurde. Weitere Beispiele siehe unten: Produktnamen mit langem s.
Der Typograf Friedrich Forssman bezeichnet die Anwendung des langen s bei gebrochenen Schriften als unverzichtbar, nennt jedoch eine Ausnahme: „In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachigen Anwendungen oder bei Verwechslungsgefahr in Beschriftungen.“ Forssman leitet dies nach eigenen Angaben aus der früheren Praxis ab (vgl. Bild rechts). Für eine Untergruppe andere Regeln zu verwenden als für die restlichen gebrochenen Schriftstile, ist jedoch nicht unumstritten.
Die Stiftung Buchkunst zeichnete 2012 das in Schwabacher gesetzte Buch Morgue und andere Gedichte aus, das auf die Verwendung eines langen s verzichtet. In der Urteilsbegründung heißt es: „Eine Marginalie für die Dogmatiker unter den Schriftsetzern: Der Verzicht auf das lange Binnen-S der gebrochenen Schriften ist für unsere heutigen Lesegewohnheiten kein Fehler.“

AB36 - AB40 editar

AB36

Langes s (Teil 6)
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Anwendungsbeispiele für das lange s
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Beispiele mit ſ
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Langes s in gebrochenen Schriften
 
Städtisches Kinderheim in Esslingen am Neckar: Deutsche Kurrentschrift mit Lang-s beim sch
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Langes s in Antiquaschriften
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Bild 1
Bild 1: Paradiſe loſt
Erstausgabe von John Miltons Paradise Lost (1667)
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Bild 2
Bild 2: Andrées Weltatlas, Bielefeld/Leipzig 1880:
Im Antiqua-Satz wurde im 19. Jahrhundert noch das ſ eingesetzt, um drei gleiche s aneinander zu vermeiden
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Bild 3
Bild 3: Gott ſegne unſere Fluren! Flurkreuz bei Hohenfurch (Oberbayern), errichtet 1953
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Bild 4
Bild 4: Zeitgeſchichte – das Lang-s ist auch heute noch im Logo der Vierteljahreshefte
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Bild 5
Bild 5: Stuttgarter Künſtlerbund
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Bild 6
Bild 6: Der Schönhengſtgau. Bild einer Deutſchen Sprachinſel (1962)
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Bild 7
Bild 7: Württembergiſche
Schrift in Reichenbach an der Fils


AB37

Langes s (Teil 7)
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Beispiele mit ſ und s
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Langes und rundes s in gebrochenen Schriften
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Bild 8
Bild 8: Regiſter Des buchs der Croniken und geſchichten – mit figuren und pildnüſſen von anbeginn der welt bis auf diſe unnſere Zeit
(Schedel’sche Weltchronik, 1493)
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Bild 9
Bild 9: Eſopus (Äsop)
Gebrochene Druckschrift mit Lang- und Rund-s (Schedel’sche Weltchronik, 1493)
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Bild 10
Bild 10: Beim Verlaſſen der Sprechʒelle iſt das Licht ʒu löſchen
(Universität Tübingen)
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Langes und rundes s in Antiquaschriften
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Bild 11
Bild 11: Martin Luthers 95 Thesen (Wittenberg 1522) in Antiqua
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Bild 12
Bild 12: Gedenktafel an der Salzburger Universität in Antiqua
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Bild 13
Bild 13: Meſſias-Kapelle


AB38

Langes s (Teil 8)
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Beispiele mit ſs
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Deutsch
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Bild 14
Bild 14: Groſse Petersgrube – Lübecker Straßenschild aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in gebrochener Schrift: ſs als Ersatz für ß
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Bild 15
Bild 15: Nicht falsch, weil hier das ß aus langem und rundem s durch enges Zusammenrücken erreicht werden sollte. Besser wäre jedoch die Verwendung des ß gewesen. (Pirna)
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Bild 16
Bild 16: Maſsatelier statt Maßatelier (in Berlin, Kurfürstendamm)
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Bild 17
Bild 17: Claſsen statt Claßen
(in Köln). Auch hier wird ſs für ß in lateinischer Schreibschrift verwendet.
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Bild 18
Bild 18: Verwechslungsgefahr: Das ſ (Lang-s) in der lateinischen Schreibschrift (oben) und der Kleinbuchstabe h in der deutschen Kurrentschrift (unten) sehen sehr ähnlich aus.
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Beispiel mit ſʒ
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Bild 19
Bild 19: Berliner Straßenschilder: links eine ß-Ligatur aus ſ und ʒ (Z mit Unterschlinge) (und rechts eine tz-Ligatur aus t und ʒ). Nach einer Schrift von Herbert Thannhaeuser, 1930er Jahre.
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Beispiele für fehlerhafte Verwendung
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Fehlerhafte Verwendung des Rund-s
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Gebrochene Schriften
 
Bild 20
Bild 20: Bei Anwendung der traditionellen Fraktursatzregeln müsste hier Gaſſe anstelle von Gasse stehen. Hier wird die Antiquasatzregel bei einer Frakturschrift angewandt.
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Bild 21
Bild 21: Kurios: Falsches Rund-s nur bei Trausaal, zuvor zweimal richtiges ſ bei Bürgerſaal und Ratsſäle
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Bild 22
Bild 22: Gedenktafel am Geburtshaus von Papst Benedikt XVI. in Marktl mit viermal falschem Rund-s
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Bild 23
Bild 23: Straßenschilder in Mainz: links falsch …aſse (in Antiqua ohne ß wäre dies als Ersatz für ß korrekt), rechts korrekt ...aße
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Bild 24
Bild 24: Unersichtlich, warum Obst mit s geschrieben wurde und nicht mit ſ wie bei Wurſtwaren; ansonsten korrekte Anwendung von Lang-s und Rund-s
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Bild 25
Bild 25: Falsches Rund-s auf dem rechten Schild: Gibt es hier Dachs·tübchen, also kleine Tuben für einen Dachs? Sicher nicht. Richtig wäre Dach·ſtübchen.

AB39

Langes s (Teil 9)
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Antiquaschriften
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Bild 26
Bild 26: Mineralwäſser statt Mineralwäſſer, geschrieben in der lateinischen Schreibschrift mit ſ (Lang-s) und s (Rund-s)
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Bild 27
Bild 27: In ſt und ſch konnte sich ſ länger halten. Hier aber falsch verwendetes Rund-s am Wortanfang bei selbſt. Schild mit Lang-s im Antiquasatz.
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Fehlerhafte Verwendung des Lang-s
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Bild 28
Bild 28: Schrift über der Eingangstür des Andenkenladens des Hofbräuhauses in München: falsches Lang-s am Wortende (wurde im Juni 2013 übermalt, jetzt mit Rund-s, aber weiterhin ohne Bindestrich)
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Bild 29
Bild 29: Falsches Lang-s am Silbenende (Straßenschild in Frakturschrift in Freiberg)
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Bild 30
Bild 30: Dingſlebener Edel-Pils – richtig wäre Dingslebener mit Rund-s am Silbenende
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Bild 31
Bild 31: Zwei falsche ſ am rechten Pfeiler:
Tor inſ Remſtal statt
Tor ins Remstal
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Bild 32
Bild 32: Jeſuſ und daſ  statt
Jeſus und das
(Schrift auf einer Kreuzwegtafel in der Höllerhanslkapelle in Marhof, Steiermark)
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Produktnamen mit langem s
 
Fürſteneck mit richtigem Lang-s, aber Kirschwasser statt richtig Kirſchwaſſer

Mit regelkonformer Verwendung des langen s


AB40

 
Wachs-tube mit Schluss-s, Wach-stube mit „langem s“ und st-Ligatur.
 
Großes s, Lang-s und Schluss-s der Kurrentschrift
 
„Kurz iſt das Leben“ Lang-s (noch in der Form vor Sütterlin) und Schluss-s in Kurrentschrift des frühen 19. Jahrhunderts
Schluss-s
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Das Schluss-s, Auslaut-s, runde s oder Ringel-s ist eine typographische Variante des Buchstabens S – oder linguistisch gesagt: Es ist eine stellungsbedingte allographische Variante des Schriftzeichens (Graphems) s. Es wird in einigen gebrochenen Schriften zur Kennzeichnung des Silbenendes (Auslaut) verwendet, während innerhalb einer Silbe (Inlaut) oder am Silbenanfang (Anlaut) ein langes s gesetzt wird.
Die Theorie des Typografen Jan Tschichold, dass das Fraktur-ß auf eine ſs-Ligatur zurückgeht, hat sich seit den 1940ern weit verbreitet. Zusammen mit der Ligatur ß („SZ“, gesprochen: Eszett) würde es in den gebrochenen Schriften zwei Lettern für das s geben. In den heute üblichen Antiqua-Schriften wird das lange s normalerweise durch ein rundes s ersetzt und die Kombination beider (ſs) meist durch ein ß. Für das deutsche Eszett der gebrochenen Schriften wurde erst im 19. Jahrhundert ein Antiqua-Gegenstück entworfen. Dagegen gibt es für eine ſs-Ligatur viel ältere Belegstellen. Die genaue Beziehung des Antiqua-ß zu Eszett und ſs-Ligatur ist umstritten.
Da im Deutschen das Phonem s am Wortende nie stimmhaft ausgesprochen wird, steht das Schluss-s immer für ein stimmloses („scharfes“) s (​/⁠s⁠/​). Aufgrund der graphischen Form wird das Schluss-s auch „rundes s“ genannt, im Gegensatz zum von der Form her „langen s“.
In der griechischen Schrift gibt es eine ähnliche Regelung: Zu Wortbeginn oder innerhalb eines Wortes (auch am Silbenanfang!) wird σ geschrieben, am Wortende (aber nicht am Silbenende innerhalb eines Wortes) ς – hier könnte man also vom Schluss-Sigma sprechen. Beispiel: Κολοσσός Ῥόδioς Kolossós Rhódios ‚Koloss von Rhodos‘.
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Orthographie
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Das Schluss-s wird in folgenden Fällen verwendet:
  • am Ende eines Wortes (z. B. das Haus, des Weges)
  • in Wortzusammensetzungen vor dem sonst selbstständigen Teilwort (z. B. Eislaufen, Glastür)
  • vor einer mit einem Konsonanten beginnenden Nachsilbe (z. B. Mäuschen, Weisheit)
  • bei den Vorsilben des oder dis (z. B. Desinfektion, Distribution)
  • am Silbenende vor den Buchstaben k, m, n, w oder d (z. B. Dresden, Oswald)
  • wenn ein Wort auf -sk endet (z. B. grotesk, brüsk)
Das lange s steht dagegen in folgenden Fällen:
  • am Anfang oder im Inneren einer Silbe (z. B. ſonſt, Maſuren)
  • am Ende einer Silbe, wenn keine der Regelungen für das Schluss-s zutrifft (z. B. Waſſer, Gaſſe)
  • bei Auslassungen (z. B. ich laſſ')
  • bei den Lautverbindungen ſch, ſt und ſp (z. B. Knoſpe, löſchen)

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