Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 189c

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Archimedes (Teil 28)


„Was sollten sie dir erzählt haben?“ Archimedes wusste nicht recht, ob sie ihm die Wahrheit sagte oder ihn nur gegen das Museion aufbringen Wollte.
„Ja, was sollten sie mir gesagt haben“, antwortete sie mit müder Stimme. „Nichts natürlich. Das heißt, nichts, was mir Aufschlüsse gab.“ Plötzlich packte sie ihn mit den Augen, die einen Glanz erhielten, den er bei ihr noch nicht gesehen hatte: „Darf ich dich selbst fragen?“
„Du darfst es.“ Jetzt lächelte Archimedes. Was wollte sie wissen? Was konnte einer Frau ihrer Macht und ihrer Möglichkeiten derart Wissenswert sein, dass ihre Augen beinahe gierig funkelten und dunkle Färbung erhielten?
„Ich darf es?“ Sie ließ seine Hand los und richtete sich auf, ohne ihren Blick von ihm abzuwenden. Dann fuhr sie langsam fort: „Archimedes, du darfst es glauben, dass mich die Zänkereien des Museions, seine Gierigkeiten und kleinlichen Feindschaften vollkommen kühl lassen. Für mich - wenn ich mich noch einmal die Wirklichkeit nennen darf - also für die Wirklichkeit ist es wichtig, was dieses Museion leistet und leisten wird. Hier aber Wiederum nicht aus beschränkter Neugier oder Spielfreude, auch nicht aus einer verzeihlichen, für mich aber unverzeihlichen geistigen Prunksucht, sondern ausschließlich aus Angst für Hellas. Du weißt, dass ich die Welt kenne, Weißt, dass die Netze meiner Handels- und Vermögensbeziehungen bis in die Winkel der bekannten Erde reichen. Ich sehe diese Welt anders als ein Milesier, Athener, Syrakusaner, meinetwegen auch als ein Alexandriner. Wir Hellenen sind äußerlich schwächer, als wir das je glaubten. Innerlich aber sind wir ungeheuer stark. Und es käme alles darauf an, dass unser Inneres sich nach dem Außen wenden Würde. Ich bin sicherlich keine Banausin, weiß aus eigener Erfahrung, was Weisheit um ihrer selbst willen heißt. Hier in Alexandria aber wurde cs mir klar, dass die Weisheit dereinst nur mehr aus Papyrosrollen bestehen wird, die niemand mehr lesen kann, weil mit dem aussterbenden Volk die Sprache in Vergessenheit gerät. Gut, ich nehme noch die Unsitten, die Überheblichkeit, die menschliche Beschränktheit der Gelehrten hin. Es mag sein, dass gerade auf Düngerhaufen die schönsten Melonen wachsen. Was ich aber nicht mehr hinnehme, ist die Ahnungslosigkeit der Hellenen um ihre Zukunft. Anstatt ihre letzte Geisteskraft für Verteidigungsziele einzusetzen, wenn schon nach dem großen Alexander die Zeit der Eroberungen vorbei sein sollte, erschöpfen sie sich in ängstlicher Bemühung, ihre Geistestaten nur ja nicht der Wirklichkeit nutzbar zu machen. Du aber, Archimedes, bist anders. Bist ein Hellene und doch keiner. Darum will ich dir Dinge zeigen, die man nicht sagen kann.“ Sie senkte den Kopf und schwieg.
Archimedes aber, den ihre Worte seltsam erschüttert hatten, den diese Worte an die Grundpfeiler der eigenen Zweifel und inneren Widersprüche, an seinen Zwist mit Apollonios von Pergä und noch an viel anderes erinnerten, zwang die Gedanken nieder, die ihn zu durchbrausen anhuben und sagte kopfschüttelnd:
„Du hast mich nicht gefragt, Aletheia. Darum kann ich dir nicht antworten.“
„Ich habe dich nicht gefragt?“ Aletheia blickte wieder auf. Diesmal aber lächelte sie in leisem Selbsthohn. „Siehst du, Archimedes, so ist die Wirklichkeit. Sprunghaft und verworren. Wenn ich aber nicht an die Frage gedacht hätte, wäre mir nichts von alldem eingefallen, was ich sprach. Wenn ich sie jedoch gestellt hätte, wäre es mir wieder unmöglich gewesen, dir diese Dinge, die so nah zu meiner Frage gehören, mitzuteilen. Kurz, mein Freund, ich wollte fragen, ob in dir die Ergebnisse schon gereift sind, denen du nachspürtest.“
Archimedes schwieg einige Herzschläge lang. Sollte er ihr geraden Weges Dinge preisgeben, von denen niemand noch auf dieser Erde wusste? Durfte er ihr aber wieder Misstrauen zeigen, wo er nicht zweifelte, dass ihre Kraft und ihre innere Hilfe ihn zu den Entdeckungen befeuert hatte?
Sie las seine Kämpfe von seinen Augen ab.
„Ich frage nicht, was du fandest, sondern, ob du fandest, Archimedes. Du hast recht, dass dir die Auskünfte deiner Museionsgefährten nicht genügend erscheinen, mir voll zu vertrauen. Du wirst aber, das schwöre ich dir, alle erdenkliche Gelegenheit haben, mich so gründlich kennenzulernen, als ein Mensch den anderen kennenlernen kann. Ich brauche dich, Archimedes. Ich brauche dich für mich, und was wichtiger ist, für Hellas. Du bist einer der ganz wenigen, die wissen, was notwendig ist, ohne es allerdings mit allerletzter Klarheit zu wissen. Jetzt aber wollen wir wieder anderes sprechen. Der Abend ist so schön und wir haben Zeit, so viel Zeit.“ Und sie langte zart und behutsam wieder nach seiner Hand, die sie warm umschloss. Und erzählte in verändertem, weichem Tone von dem, was der Augenblick um sie herum brachte und glitt unmerklich über in Märchen und Geheimnisse ferner Länder. Archimedes aber erwiderte ihr mit zauberhaften Dingen, an denen seine sizilianische Heimat nicht ärmer war als Ionien, Ägypten und Indien.
So waren sie längere Zeit durch die stets mehr in Dunkelheit sich hüllenden Dickichte gefahren, als zwischen den Schäften des Papyros und dem Wirrsal von Schilf und ägyptischen Bohnen plötzlich eine lange Reihe von Lichtern auftauchte, die sich zu ihrer Linken nach beiden Seiten ins Endlose zu erstrecken schien. Eilfertige, unsichtbare Sklavenhände entflammten sofort am Bug und am Heck ihrer Barke abgedämpfte Lichter, die die nächste Umgebung mit gespensterhaften rötlichen Streifen aufhellten.
Archimedes brauchte auf die volle Enthüllung des Rätsels nicht lange zu warten. Denn nach kurzer Zeit verließ die Barke den Schilfgürtel und lief in den Kanopischen Kanal ein, der an dieser Stelle des Sees Mareotis nach Osten verließ. Auf dem Spiegel des Kanals aber bewegte sich wie auf einer belebten Straße in beiden Richtungen eine unterbrechungslose Folge von Schiffen und Barken, deren Lichter sie früher schon erblickt hatten.