Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 076c

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Mathematik von A bis Z (Teil 13)
Dreizehntes Kapitel
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Gleichungen
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Wir haben schon einmal angedeutet, daß in der Lehre von den Gleichungen das „unbekannte x“ eine Rolle spielt. Wir haben weiter behauptet, die Gleichung sei ein Algorithmus, eine fein ersonnene schriftliche Denk- und Rechenmaschine, um allerlei Rätsel zu lösen. Schließlich stellten wir fest, daß das Gleichheitszeichen bei der Gleichung nicht einfach eine Konstatierung, sondern geradezu einen Befehl bedeute. Den Befehl nämlich, den Wert für das x so zu wählen, daß, wie man sagt, die Gleichung erfüllt oder die Gleichheit tatsächlich hergestellt ist.
Ohne noch irgendwie zu theoretisieren, wollen wir uns solch ein Rätsel selbst stellen. Wir fragen also: „Wie groß ist eine Zahl x, eine mir durchaus unbekannte Zahl, die folgender Bedingung genügt: Ich soll sie zuerst mit 7 multiplizieren, 19 dazuzählen, 4 wegnehmen und soll dadurch wieder die Zahl x, diesmal mit 10 multipliziert, erhalten.“ Mathematisch geschrieben:
7x + 19 - 4 = 1Ox.
Ich kann selbstverständlich zuerst ausrechnen, was auszurechnen ist. Und erhalte
7x + 15 = 10x.
Dann könnte ich in das x die Zahlen, von 1 angefangen, einsetzen und probieren und erhielte bei x=5 die Gleichheit
35 + 15 = 50.
Das Rätsel wäre also gelöst. Die Zahl x ist 5. Dieser Vorgang ist jedoch alles andere, nur nicht befriedigend. Erstens weiß ich ja noch gar nicht, ob die Zahl x eine ganze Zahl oder vielleicht gar ein Bruch ist. Ich weiß weiter nicht, ob sie positiv oder negativ ist. Und ich weiß zum Schluß nicht, ob nicht etwa außer der Fünf noch unendlich viel andere Lösungen vorhanden sind.
Bevor wir aber darangehen, den Algorithmus für unsere Gleichungen zu suchen, werden wir das Wort und das Wesen der Gleichung einer näheren Betrachtung unterziehen. Man verzeihe mir die Ketzerei. Aber „Gleichung“ ist kein ganz richtiges Wort für das, was hier vorgeht. Das lateinische „aequatio“ war viel besser. Im Lateinischen bedeuten die Worte, die aus Zeitwörtern und der Endsilbe „tio“ zusammengesetzt sind, stets eine Tätigkeit. „Aequatio“ ist also eine „Gleichmachung“, eine „Gleichmacherei“, wie etwa „privatio“ (von privare = rauben) eine Beraubung, eine Wegnehmung ist. Das Wort Angleichung, Ausgleichung usw. träfe schon besser den Sinn. „Gleichung“ allein ist etwas blaß. Da wir aber nichts Besseres vorschlagen können, wollen wir nicht die Kritiker und Negativisten spielen. Wir haben ja auch unsere sprachliche Erörterung nur vorgenommen, um den Worlsinn genau zu umschreiben und sind uns bewußt, daß die Anfechtung allgemein gebräuchlicher Fachausdrücke stets etwas Mißliches an sich hat.
Wir stellen also fest, daß man unter Gleichung die Forderung versteht, etwas gleichzumachen, etwas ins Gleichgewicht zu bringen oder im Gleichgewicht zu halten. Diese Forderung wäre jedoch töricht und überflüssig, wenn die Gleichheit schon von vornherein da wäre. Sie soll eben nur da sein. Denn ich soll sie erst durch eine richtige Wahl für das unbekannte x erzeugen.
Wir sind noch nicht um einen Schritt weitergekommen. Wieder heißt es bloß: wir sollen für das x etwas Richtiges wählen. Das aber läuft letzten Endes aufs Probieren hinaus, was wir bereits ablehnten.
Nun gäbe es aber doch noch eine Möglichkeit, das unbekannte x rechnerisch und zwangsläufig zu finden: Wenn es mir nämlich gelänge, alle x auf die eine Seite der Gleichung zu bringen und alle übrigen Größen auf die andere, müßte ich schließlich eine Gleichung von der Form x=a oder nx=b finden.
Wenn ich einmal so weit wäre, hätte ich mein Problem gelöst. Denn   ist direkt die Lösung der Gleichung und  , in einem Zahlenbeispiel etwa  , wäre leicht zu entwirren. Denn wenn   gleich sind 9, dann ist x wohl gleich 3. Oder allgemein bei   ist  .
Bis ich jedoch zu dieser Endform gelange, die mir zudem noch die Sicherheit gewährt, daß es nur die eine Lösung gibt, muß eine nur halbwegs verwickelte Gleichung soviel Änderungen durchmachen, daß dazu die Kalkulation mit dem Hausverstand nicht genügt. Ich brauche dazu dringend einen allgemeingültigen und verläßlichen AlgoriLhmus, da ich mich, besonders bei allgemeinen Zahlen, sofort in einem Labyrinth befinde, aus dem ich keinen Ausweg mehr sehe. Es war auch geschichtlich ein sehr langer Weg, bis dieser Algorithmus gefunden wurde. Volle Sicherheit über die Regeln der Gleichungslehre wurde erst durch die Ausbildung der Algebra im 16. und 17. Jahrhundert gewonnen.
Wir wollen, bevor wir den Algorithmus entdecken gehen, noch eine deutliche Feststellung machen. In jeder Gleichung gibt es zwei weltenweit verschiedene Arien von Größen oder Zahlen. Die Unbekannte, das x
(Es wird mit Absicht vorläufig nur von einer Unbekannten gesprochen.)
und die sogenannten Konstanten, die schon am Beginn der Rechnung bekannt sind oder doch so betrachtet werden, als ob Bie bekannt wären. Wir wollen, ohne uns noch um Rechenrcgeln zu bemühen, diesen kardinalen Unterschied an Beispielen verdeutlichen. Wer ihn nicht gleichsam gefühlsmäßig macht, kann unmöglich in höhere Gebiete der Mathematik vordringen. Das x und die Konstanten sind geradezu verschiedene Rassen von Zahlen, wenn dieser Vergleich erlaubt ist. Die Konstanten sind beharrend, träge, konservativ. Das x ist beweglich und vieldeutig, bis es seine richtige Größe gefunden hat. Erst dann und nur dann wird auch das x zu einer eindeutigen und konstanten Zahl. Vorher ist es, wie ein Kartenspieler sagen würde, ein „jolly Joker“. Allerdings nur prinzipiell. Denn in einer bestimmten Gleichung hat das x einen vorbestimmten, nur noch nicht gefundenen Wert. Hätte ich also etwa die Gleichung
7x + 19 - 4 = 10x,
dann sind 19 und 4 „Konstanten“, 7x und 1Ox sind Vielfache der Unbekannten. Man könnte auch sagen, daß die Unbekannte mit zwei verschiedenen Koeffizienten auftritt. Hätte ich eine Gleichung
7x + 13x + 9x - 2x + 25 = 106,
dann darf ich selbstverständlich die Addition und die Subtraktion der Unbekannten durchführen. Es sind ja auch Äpfel, allerdings noch unbestimmt große. Und es besteht weiter die Forderung, daß das x in jedem Fall dasselbe bedeutet. Solche Forderungen sind unabhängig von der vorläufigen Unbekanntheit der Größe. Denn wenn ich etwa sage, daß 5 Fixsterne plus 3 Fixsternen minus 4 Fixsternen 4 Fixsterne sind, brauche ich durchaus nicht zu wissen, wie groß diese Fixsterne sein mögen. Es ist eine arithmetische Summe gleichnamiger Größen. Wir hätten also
7x + 13x + 9x - 2x + 25 = 106 oder
27x + 25 = 106,
was schon einfacher aussieht, mir aber noch keine Lösung gibt. Im ersten Beispiel hatte ich alle Konstanten auf einer Seite des Gleichheitszeichens und die Unbekannten waren getrennt, hier stehen alle x auf einer Seite und die Konstanten sind durch das Gleichheitszeichen getrennt. Es ist einfach zum Verzweifeln! Wie eine Mauer hindert mich das Gleichheitszeichen, mein Vorhaben auszuführen und alle x auf die eine Seite, alle Konstanten dagegen auf die andere Seite zu bringen, was ja die Lösung oder zumindest die Zugänglichkeit einer Lösung durch den Hausverstand bedeutete.
Nun ist es aber auch noch möglich, daß Gleichungen überhaupt nur aus Buchstaben bestehen. Diese Gleichungsform ist sogar der häufigere Fall in der Mathematik. Also etwa
nx + a + b - c = d - mx.
Hier versagt meine Vorstellungskraft vollständig. Ich behaupte zwar, daß a, b, c, d, n und m von vornherein bekannt sind. Und verlange nur, das x möge so ausgedrückt werden, daß es sich als Zusammensetzung dieser „Konstanten“ präsentiert. Also etwa  , was, nebenbei bemerkt, die richtige Lösung der Gleichung ist. Aber wie kam ich zu diesem Monstrum von allgemeinem Ausdruck? Wie vor allem hätte ich durch Kalkulation darauf verfallen können? Und wodurch gewinne ich die Sicherheit, daß diese Behauptung, x sei eben   auch tatsächlich den Gleichmachungsbefchl erfüllt?
Wir wollen uns, ohne dadurch etwas Mathematisches zu behaupten, mit einem Bild helfen. Wir stellen uns vor, die Gleichung sei eine Waage. Auf der einen Waagschale lägen soundso viel Unbekannte und Konstante. Da der Gleichmachungsbefehl erteilt wurde, ist die Gleichung nur dann eine richtige Gleichung, wenn sich die Waage im Gleichgewicht befindet. Ich muß sie also, auch wenn ich etwas am Gleichgewicht gestört habe, stets wieder ins Gleichgewicht bringen, weil ich sonst den Gleichmachungsbefehl verletzen würde: Bleiben wir vorläufig im Bilde und beLraehten wir die Konstanten als Dinge bekannten Gewichtes, etwa Messinggewichte, die Unbekannten dagegen als Gegenstände unbekannten Gewichtes, etwa Äpfel.
(Natürlich müssen die Äpfel untereinander genau gleich sein, was man auch wissen kann, wenn man ihr Gewicht nicht kennt.)
Unsere Frage läuft also schließlich auf nichts hinaus, als wie ich es fertigbringe, das Gewicht eines Apfels festzustellen, wenn vorerst auf einer im Gleichgewicht befindlichen Waage kunterbunt auf beiden Waagschalen Äpfel und Gewichte durcheinanderliegen. Konstruieren wir aus der Gleichung
2x + 15 = 3x + 3 unsere Waage.
 
Fig. 10


Auf der einen Waagschale liegen 2 Äpfel und 15 Dekagramm-Gewichte, auf der anderen 3 Apfel und 3 Dekagramm-Gewichte. Und ich soll jetzt solange herumwechseln, ohne die Waage aus dem Gleichgewicht zu bringen, bis ich weiß, wie schwer ein einziger Apfel ist. Das „Zünglein an der Waage“ zeigt mir stets an, ob der Gleichmachungsbefehl erfüllt ist. Das „Nicht aus dem Gleichgewicht bringen“ heißt natürlich nur, daß ich ein allenfalls gestörtes Gleichgewicht wieder herstellen muß. Wenn ich das Gleichgewicht absolut erhalten müßte, dürfte ich ja überhaupt nichts ändern.
Nun will ich — das ist das Endziel — auf einer Seite nur Gewichte, auf der anderen nur Äpfel haben. Worauf ich endlich versuchen werde, auf der einen Seite nur einen Apfel liegen zu haben.
Machen wir uns zuerst an die Gewichte, die den „Konstanten“ entsprechen. Es ist klar, daß sich nichts am Gleichgewichtszustand ändert, wenn wir auf beiden Seiten die gleiche Anzahl von Gewichten wegnehmen oder dazugeben. Nehmen wir also vorläufig aus der rechten Waagschale die drei Gewichte und aus der linken ebenfalls drei Gewichte. Die Waage hat hin- und hergeschwankt, hat aber das Gleichgewicht wieder erhalten.
Sie sieht jetzt so aus:
 
Fig. 11


Mathematisch ausgedrückt
2x + 12 = 3x.
Nun brauche ich bloß noch links die zwei Äpfel fortzubringen und habe mein Ziel erreicht. Wieder wende ich den gleichen Trick an und sage mir, daß ich je zwei Äpfel auf beiden Seiten entfernen muß, wenn ich die Gleichheit erhalten will.
Wir haben nun das Bild:
 
Fig. 12


was mathematisch x=12 und damit die Lösung der Gleichung bedeutet. Ein Apfel ist 12 Dekagramm schwer.
Machen wir nun die Gegenprobe. Unsere ursprüngliche Gleichung lautete:
2x + 15 = 3x + 3.
Setze ich nun für x die zwölf, dann erhalte ich
2•12 + 15 = 3•12 + 3 oder
24 + 15 = 36 + 3 oder
39 = 39, was offensichtlich stimmt.
Wir haben, rein aus der Anschauung, eine ungemein wichtige Regel gewonnen. Wir wissen, daß die Gleichheit erhalten bleibt, die Gleichung sich nicht ändert, wenn ich rechts und links des Gleichheitszeichens die gleiche Größe addiere oder subtrahiere. Präzis formuliert: Gleiches zu Gleichem addiert gibt Gleiches; Gleiches von Gleichem subtrahiert gibt Gleiches, was natürlich auch ohne Waage und ohne Anschauung einleuchtend ist. Aber noch einmal: All das gilt nur unter der Voraussetzung, daß für x der richtige Wert gewählt oder berechnet wird, da ja sonst von Beginn an keine Gleichheit bestanden hätte. Man sagt auch, daß die Gleichung unter der Bedingung des richtigen Wertes für die Unbekannte stehe.
Wir könnten unser Bild von der Waage noch weiter ausbauen. Wir wollen es aber nicht mehr zeichnen, sondern uns der Vorstellungskraft anvertrauen. Und da wird es uns klar, daß sich am Gleichgewicht der Waage auch nichts ändern kann, wenn wir den Inhalt der beiden Waagschalen gleichzeitig in beliebiger Weise mit derselben Zahl multiplizieren. Ob ich etwa auf der einen Seite einen Apfel und auf der anderen Seite zwölf Gewichte oder auf der einen Seite sieben Äpfel und auf der anderen 84 Gewichte habe, ist für das Gleichgewicht unter der Voraussetzung einerlei, daß Äpfel und Gewichte untereinander gleich sind. Weiters ist es ebenso gleichgültig für den Balancezustand, wenn ich beide „Seiten“ der Gleichung durch die gleiche Zahl dividiere oder zur selben Potenz erhebe. Unter „Seiten“ einer Gleichung verstehe ich die Gesamtheit aller bekannten und unbekannten Größen, die vor oder nach dem Gleicliheitsbefehl stehen.
Bei 5x - 4 + 16 = 2x - 8 ist
(5x - 4 + 16) die linke und (2x - 8) die rechte „Seite“ der Gleichung.
Wir wollen uns nun mit dieser theoretischen Erkenntnis begnügen, daß eine gleichzeitige Anwendung jeder der uns bekannten Rechnungsoperationen auf beide Seiten der Gleichung (und zwar in gleicher quantitativer Art) am Wesen der Gleichung, der Gleichheit beider Seiten, nichts ändert. In der Praxis wird aus dieser Regel ein eigener kabbalistischer Zauber, das sogenannte „Hinüberschaffen“ von Größen und das „Isolieren“ der Unbekannten x. Hätte ich etwa die Gleichung
5x - 4 + 16 = 2x + 8,
so werde ich zuerst auf der linken Seite aus (-4+16) die Zahl 12 bilden und hätte dann
5x + 12 = 2x + 8.
Nun kann ich nach unserem Beispiel von der Waage versuchen, alle „Konstanten“ auf die eine und alle „Unbekannten“ auf die andere Seile zu bringen. Zu diesem Behuf subtrahiere ich zuerst auf beiden Seiten (2x+8) und erhalte
 5x + 12 =  2x + 8 
-2x -  8 = -2x - 8
------------------
 3x +  4 = 0 
Nun ist etwas passiert, was mich erschreckt. (3x+4) ist gleich 0. Heißt das etwa, daß jetzt alles in Dunst aufgegangen ist? Und daß das x auch gleich 0 wird? Geduld! Das kann es wohl nicht heißen. Denn es steht mir noch ein Ausweg offen. Vor allem habe ich ja noch gar nicht alle x auf einer und alle Konstanten auf der anderen Seite. Ich muß also jetzt entweder auf beiden Seiten 3x oder 4 abziehen, um diese Trennung zu erzielen. Versuchen wir es mit 4.
3x + 4 =  0
   - 4 = -4
-----------
3x     = 0 - 4
Ich erhalte also   und sehe, daß die verdächtige Null wieder verschwunden ist. Nun stehe ich knapp vor der „Lösung“ der Gleichung. Ich muß bloß noch das x „isolieren“. Da ich 3x links stehen habe, erhalte ich x, indem ich durch 3 dividiere. Die gleiche Division muß ich aber nach meiner „Waage“regel auch rechts durchführen, um das Gleichgewicht zu erhalten. Also:
  oder
 
 
Die Gleichung ist gelöst. Nun wollen wir bloß noch zusehen, ob sie richtig gelöst ist. Dazu setze ich in die ursprüngliche Gleichung ein:
 
 
(Alles auf Drittel gebracht.)
 
Die Probe bewahrheitet unsere Rechnung. Nun wollen wir das „Hinüberschaffen“ erläutern
Die Probe bewahrheitet unsere Rechnung. Nun wollen wir das „Hinüberschaffen“ erläutern, da es uns nicht einfallen wird, derart schwerfällig zu rechnen.
5x + 12 = 2x + 8.
Wir benützen die frühere Gleichung. Und wir merken an, daß wir auch zu einem Resultat gelangen, wenn wir gleichzeitig versuchen, die 2x zu den 5x und die 12 zu den 8 hinüberwandern zu lassen. Wie aber? Nun, sehr einfach. Wir müssen 2x auf beiden Seiten zugleich abziehen. Da es aber dadurch rechts überhaupt verschwindet, können wir es gleich nur links abziehen. Also:
5x - 2x + 12 = 8 oder
3x + 12 = 8.
Jetzt lasse ich die 12 „wandern“. Das geschieht durch Abziehen der 12 auf beiden Seilen. Dadurch verschwindet 12 auf der linken Seite und wird nur rechts abgezogen. Also:
3x = 8 - 12 oder 3x = -4.
Nun soll die 3 vom x auf die andere Seite wandern. Sic steht als Faktor. Folglich müssen wir beide Seiten durch 3 dividieren. Da die 3 aber dadurch links verschwindet, erscheint sie nur rechts als Divisor. Also Ergebnis
 .
Wir sind fertig. Und hpben unsere Regel gewonnen. Sie lautet: Wenn eine Größe über das Gleichheitszeichen „hinüberwandert“, ändert sich ihr Operationsbefehl in die entsprechende Gegenoperation. Aus Thesis wird Lysis, aus Lysis Thesis. Oder konkret: Aus Addition wird Subtraktion, aus Subtraktion Addition, aus Multiplikation Division, aus Division Multiplikation, aus Potenzierung Radizierung (Wurzelziehen),
(Wird später erörtert!)
aus Radizierung Potenzierung.
Nun sind wir eigentlich jeder Gleichung gewachsen, sofern sie linear ist, d. h. sofern die Unbekannte bloß in der ersten Potenz erscheint. Warum eine solche Gleichung „linear“ heißt, wird uns später geometrisch klar werden.
Es steht dem Leser frei, unsere bisher erwähnten Beispiele nach dem neuen Algorithmus zu behandeln. Wir wollen jetzt zur Verdeutlichung verwickeitere Aufgaben durchrechnen. Etwa:
5(x - 2) - 2x = 2(x - 1)
5 x - 10 - 2x = 2x  - 2 
      3x - 10 = 2x  - 2
      3x - 2x = -2 + 10
            x = 8 
Ein Beispiel mit lauter Buchstaben:
a(b-c+d) - b(a+c-d) = ab - (bc-bd-x) 
ab-ac+ad - ab—bc+bd = ab - bc+bd+x 
ab-ac+ad-ab-bc+bd-ab+bc-bd = x 
- ab - ac + ad = x 
x = a(-b - c + d) 
Zu dieser Aufgabe ist zu bemerken, daß die Umkehrung der ganzen Gleichung bzw. die Vertauschung der Seiten jederzeit erlaubt ist. Es ist ja gleich, ob man x=5 oder 5=x sagt. Das ergibt sich aus dem Wesen des Gleichheitszeichens. Ich dürfte natürlich auch auf beiden Seiten mit (-1) multiplizieren und wenn ich etwa
(-x)=(-10) erhielte, schreiben:
(-x)•(-1) = (-10)•(-1) oder
x = 10.
Eine solche Multiplikation wird stets dort angewendet, wo das x negativ erscheint, da mich ja nur das positive x interessiert. Hätte ich also am Schluß
(-x)=(±a), was soviel heißt, wie minus x ist gleich plus a oder minus a, dann schreibe ich oder denke ich
(-x)(-1) = (±a)(-1) oder
x = (±a).
Man beachte, daß jetzt das a oben das Minus und unten das Plus hat.
Denn (+a)•(-1)=(-a),
(-a)•(-1)=(+a).
Folglich entspricht das Minus vor dem a der ersten und das Plus der zweiten Multiplikation.
Nun gibt es Fälle, in denen eine Gleichung so aussieht, als ob sie für uns unzugänglich wäre, da das x in einer anderen als der ersten Potenz vorkommt. Etwa:
(x + 1)(x - 1) = x2 + x + 1.
Diese nur scheinbar zweitgradige oder „quadratische“ Gleichung stellt sich nach Ausrechnung als harmlose „lineare“ Gleichung heraus.
     x² + x — x — 1 = x² + x + 1 
x² — x² + x — x — x = 1 + 1 
                - x = 2 
           (-x)(-1) = 2(-1)
                  x = -2 
Ebenso sieht etwa die Gleichung
 
sehr gefährlich aus. Hier haben wir das x nur im Nenner. Wir wollen schrittweise vorgehen: Zuerst bringen wir die linke Seite auf gemeinsamen Nenner.
 
 
 ,
das ist dasselbe wie
 
 
 
 
 
 
Hier haben wir tatsächlich eine quadratische Gleichung vor uns, die wir noch nicht lösen können, da wir das Radizieren oder Wurzelausziehen noch nicht verstehen. Die Lösung wäre
 
Ein weiteres Beispiel:
 
Eine allgemeine Bemerkung: Das Rechnen mit Gleichungen ist eine der wichtigsten Angelegenheiten der Mathematik. Es gibt dabei unzählige Rechenvorteile, Rechentricks, Rechenkünste. Die „Gleichungsmaschine“ muß jedem Mathematiker so bekannt sein, daß das „Hinüberschaffen“, das „Isolieren“ usw. wie im Traum erfolgt. Jedes beliebige Lehrbuch der Arithmetik briugt eine Unzahl gut ausgewählter und bunter Beispiele. Besonders zu empfehlen ist die herrliche Algebra von Euler, auf die wir schon hinwiesen. Wir raten also dringendst, da es nun einmal keinen „Königsweg“ zur Mathematik gibt, womöglich Hunderte und Tausende von Gleichungen zu lösen und sich auch selbst Gleichungen anzusetzen. Diese Beschäftigung ist mindestens so amüsant wie Kreuzworträtsel oder Kartenspielen. Und es entwickelt sich dabei jener sechste Sinn, den der Laie ain Mathematiker oft bestaunt. Die Mathematisierung des Gehirns ist eine fast physische Erscheinung wie etwa die schon unterbewußte Selbstverständlichkeit des Schwimmens, des Radfahrens, des richtigen Schlages beim Tennis. Kurz, sie ist bis zu sehr hohen Graden reine Ubungssache. Das was nicht geübt oder nur beschränkt geübt werden kann, spielt sich erst in so hohen Regionen der Mathematik ab, daß es uns Rekruten kaum etwas angeht. Wir wollen ja nicht Moltkes oder Napoleone werden, sondern höchstens brave Offiziere. Aber — und das ist das Herrliche an unserer Kunst — man weiß nie, ob nicht auch wir einmal in einer lichten Sekunde etwas Umwälzendes finden. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber unmöglich ist es durchaus nicht.
Wir wollen unser Selbstbewußtsein aber wieder dämpfen und den Traum vom „Marschallstab im Tornister“ zurückdrängen. Und wollen, bevor wir unseren Gleichungsbegriff erweitern, noch eine sogenannte eingekleidete oder Anwendungsaufgabendungsaufgabe berechnen.
Etwa: Ein Vater ist jetzt 48, sein Sohn 21 Jahre alt. Wie alt war der Sohn, als der Vater das zehnfache Alter des Sohnes hatte? Vor wieviel Jahren war der Vater l0mal so alt als sein Sohn?
Wir schließen folgendermaßen: Der Altersunterschied zwischen Vater und Sohn beträgt 27 Jahre. Diese Größe bleibt stets gleich, ist also eine Konstante. Nennen wir das Alter des Sohnes, bei dem der Vater 10mal so alt war als der Sohn x, dann war der Vater damals (x+27) Jahre alt. Dieses Alter soll aber nach der Voraussetzung 10mal so hoch gewesen sein als das des Sohnes, also 10•x. Folglich ist x+27=10x, womit wir den sogenannten „Ansatz“, die Gleichung, gewonnen haben. Wir denken jetzt nicht mehr, was die Größen bedeuten, sondern vertrauen uns unserem „Algorithmus“ an.
 
Der Vater war 30 Jahre, der Sohn 3 Jahre, als der Vater 10 mal so alt war als der Sohn. Das stimmt offensichtlich. Nun ist aber auch gefragt, vor wieviel Jahren dieses Ereignis stattfand, wenn der Vater heute 48 Jahre ist. Wir subtrahieren 48—30=18 und antworten: vor 18 Jahren. Der Sohn war damals 21-18=3 Jahre alt.
Man könnte übrigens, der zweiten Frage entsprechend, die Gleichung auch so ansetzen, daß als x unmittelbar die Zeit betrachtet würde, vor der der Vater 10 mal so alt war als der Sohn. Dann müßten wir schließen: Der Vater ist jetzt 48 Jahre alt. Folglich war er vor (48—x) Jahren lOmal so alt als der Sohn. Da aber der Sohn jetzt 21 Jahre zählt, lag dieser Zeitpunkt auch für den Sohn um (21—x) Jahre zurück. Wir hätten also die Gleichung
  oder
 .
Lösen wir die erste Gleichung, die ja mit der zweiten identisch ist:
 
Die zweite Gleichung müßte dasselbe Ergebnis liefern. Es gäbe aber noch eine dritte Art, die Aufgabe zu bewältigen. Da der Vater um 27 Jahre älter ist als der Sohn, so zählt der Sohn 0 Jahre, wenn der Vater 27 Jahre alt ist. Der Sohn ist zu dieser Zeit eben geboren. Nun muß der Vater um ein Neuntel seiner Altersdifferenz älter werden, um den Sohn zehnfach zu übertreffen. Denn zu neun Teilen ein zehnter gleicher hinzugefügt gibt zehn Teile. Anders gesagt sind
 
Ein Zehntel von   sind aber   oder zehnmal ein Neuntel sind  . Also erhielten wir als Neuntel von 27 sofort 3, und der Vater wäre 3 Jahre nach der Geburt des Sohnes — mit 30 Jahren — 10mal so alt wie sein zu diesem Zeitpunkt dreijähriges Söhnchen.
Wir wollten bloß zeigen, welche Fülle von Verwandlungsmöglichkeiten und Diskussionsgelegenheiten selbst ganz einfache Gleichungen bieten und wie sehr hier schon die Geschicklichkeit des Rechners maßgebend ist, die klarste und eleganteste Lösung zu finden. Unsere Leser werden bald selbst dieses Gefühl für mathematische Präzision und Eleganz bekommen. Aber noch einmal: Hier beginnt die Kunst und hier heißt es üben wie ein Akrobat.
Nun wollen wir noch eine Textaufgabe anschließen, die beinahe klassische Berühmtheit erlangt hat. Die sogenannte „Grabtafel des Diophantos“. Diophantos war ein Mathematiker Alexandrias im vierten nachchristlichen Jahrhundert. Er war ein genialer Arithmetiker und Algebraiker, vielleicht der einzige, den das Griechentum besaß. Denn alle anderen griechischen Mathematiker waren Geometriker. Jedenfalls war es vornehmlich Diophantos, der die Lehre von den Gleichungen ausbildete und maßgebenden Einfluß auf arabische und mittelalterliche Mathematiker übte. Die Inschrift seines sagenhaften Grabsteins lautete:
Hier das Grabmal deckt Diophantos — ein Wunder zu schauen:
Durch des Entschlafenen Kunst lehrt dich sein Alter der Stein.
Knabe zu bleiben verlieh ein Sechstel des Lebens ein Gott ihm;
Fügend das Zwölftel hinzu, ließ er ihm sprossen die Wang;
Steckte ihm drauf auch an nach dem Siebtel die Fackel der Hochzeit,
Und fünf Jahre nachher teilt' er ein Söhnlein ihm zu.
Weh! unglückliches Kind, so geliebt! Halb hatt' es des Vaters
Alter erreicht, da nahms Hades, der schaurige, auf.
Noch vier Jahre den Schmerz durch Kunde der Zahlen besänft'gend
Langte am Ziele des Seins endlich er selber auch an.
Um aus dem schönen Pathos elegischer Distichen zu unserer kühleren Mathematik zurückzukehren, stellen wir fest, daß sich das uns vorläufig unbekannt lange Leben des Diophantos (wir nennen es x) stufenweise aus Teilen dieses Lebens und aus Jahresmehrheiten, die angegeben, also konstant sind, zusammensetzt. Er war   seines Lebens Knabe, also  . Dann dauerte es noch   Jahre, bis ihm der Bart sproß. Nach einem weiteren Zeitraum von   Jahren heiratete er. 5 Jahre später kam das Söhnlein zur Welt, das aber nur das Alter von   Jahren erreichte. 4 Jahre noch überlebte Diophantos den Sohn, dann starb er, x Jahre alt. Unsere Gleichung hat also zu lauten:
 .
Gemeinsamer Nenner der Brüche ist 84, da in 84 sowohl 6 als 12 als 7 und 2 enthalten sind und es zudem das kleinste gemeinsame Vielfache dieser Zahlen ist. Somit schreiben wir:
 
Wir können nun beide Seiten der Gleichung mit 81 multiplizieren, wodurch alle Bruchnenner zugleich wegfallen. Bleibt also:
 
Diophantos ist also 84 Jahre alt geworden. Vierzehn Jahre war er Knabe, mit 21 sproßte ihm die „Wang“, mit 33 Jahren heiratete er, mit 38 wurde ihm das Söhnlein geboren, das 42 Jahre, also bis zu des Diophantos 80. Jahre lebte. Trauernd verbrachte er die letzten 4 Jahre bis zu seinem Tod, der eintrat, als er 84 Jahre zählte.


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