Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 197c

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Archimedes (Teil 36)


„Ich habe über die Probleme des Nils lange und eingehend mit König Philadelphos gesprochen“, sagte sie. „Und ich fand es unerträglich, dass Ägypten nicht, wie Herodot meint, ein Geschenk, sondern viel eher ein machtloser Sklave des Nils ist. Tut er uns einmal den Gefallen, bei den jährlichen Überschwemmungen um vierzehn Ellen zu steigen, dann blüht und gedeiht alles aufs schönste. Steigt er aber bloß um acht Ellen, dann stöhnt das Land in Hungersnot. Wenn man nicht durch Speicherung von Getreide vorsorgt. Es können aber auch lange Reihen von schlechten Jahren aufeinanderfolgen. Die jüdischen Gelehrten, die, wie du vielleicht weißt, in Alexandria soeben ihre heiligen Bücher ins Hellenische übertrugen, zeigten einmal dem König eine Stelle, wo von sieben mageren und sieben fetten Jahren die Rede ist. Wenn wir das vielleicht auch für übertrieben halten und wenn auch die Juden in Alexandria uns durch ihre sogenannte Geschäftstüchtigkeit und mangelnde Ehrlichkeit viel zu schaffen machen - sie pflanzen nämlich absichtlich wenig Datteln, um die Preise in die Höhe zu treiben und ähnliches - so könnte ein solcher Missstand mit dem Nil gleichwohl eintreten. Dann aber helfen alle Lagerhäuser nichts. Ich bewog also Philadelphos, durch Elefantenjäger weit drunten im Süden die Ursache der Nilüberschwemmungen erkunden zu lassen. Vielleicht könnte man die Überschwemmungen, so hofften wir, an den Quellen beeinflussen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Überschwemmungen von den Regengüssen in Äthiopien und Nubien, und zwar von regelmäßig wiederkehrenden Regengüssen, abhängen, die nur durch die Götter zu beeinflussen wären. Stauwerke aber oder Wasserspeicher dort anzulegen, wo es noch erfolgversprechend wäre, dazu reicht wohl die Kraft und die Baukunst ganz Ägyptens nicht aus. Wir verbesserten also im Lande die von altersher bekannten Schöpfräder, ließen durch Sklaven und durch Soldaten das Netz der Kanäle ergänzen und ausbauen, verschafften uns so viel Büffel, als wir auftreiben konnten - aber das alles ist doch erst ein Beginn. Du siehst die Schöpfwerke vor dir, Archimedes. Die Kraft der Tiere wird durch sie nur recht unvollkommen ausgenützt und die Räder selbst zerfallen in unsrem Klima mit einer unerwünschten Schnelligkeit.“ Sie lachte kurz auf und fasste seinen Arm. Dann schloss sie: „Auf die Gefahr hin, Archimedes, dass du alles Bisherige für den schlauen Überfall einer unbeschränkt geldgierigen Frau hältst, frage ich dich, ob es nicht eine deiner würdige Aufgabe wäre, unserem Lande bessere Bewässerungsanlagen zu verschaffen. Es gibt da sicher neue Wege, die ich ebensowenig ahne wie alle anderen. Und es geschähe doch irgendwie für das Hellenentum. Denn Ägypten wird niemals wieder ein selbständiger Staat werden. Ich hoffe im Gegenteil, dass es die Zuflucht und die Kornkammer des verstreuten und vielleicht einmal geeinten Hellas werden könnte. Eines Hellas, das die Wirklichkeit sehen wird und sehen soll.“
Sie erwartete keine Antwort von ihm, sondern wandte sich ab und sprach mit einigen Bauern, die herbeigeeilt waren, um sie zu begrüßen. Archimedes aber stieg die Böschung hinab zum Nil und begann, die Einrichtungen eines Schöpfwerkes genau zu überprüfen und jede Einzelheit mit der Handspanne auszumessen. Dabei prägte sich jede Zahl, jede Form und jeder Winkel unauslöschlich seinem Gedächtnis ein. Er sah noch durchaus nicht den Ausgangspunkt einer Möglichkeit, das Wasser des Nilarmes in besserer als der vorhandenen Art in die Rinnsale des Deltas zu heben. Aber er wollte vorläufig alle Bedingungen genau kennen, unter denen eine spätere allfällige Lösung irgend einen Erfolg versprach.
Inzwischen war die Sonne höher gestiegen und Aletheia mahnte zur Heimkehr, da bald fast unerträgliche Hitze auf die Ebene niederglühen würde. Am Rückweg zeigte sie ihm noch die Papyrospflanzungen und schilderte ihm die Vorteile und Nachteile der einzelnen Spielarten der höchst unansehnlichen Stengelstauden, die dazu bestimmt waren, ewige Gedanken dereinst in die Ewigkeit hinauszutragen.
Sowohl Aletheia als auch Archimedes schienen in ungesprochenern Einverständnis die Rückkehr nach Alexandria vergessen zu haben. Zumindest sprachen sie beide nicht davon und ließen sich auf der Barke ungetrübter Glückseligkeit und Ruhe durch die Zeit treiben. Es waren vielleicht fünf, vielleicht zehn Tage, vielleicht noch mehr, die sie mitsammen bereits im Landhause verbrachten. Eine andre, einzigartige Form des Museions hatte sich um Archimedes gelegt, in der nicht einmal die Bibliothek fehlte. Denn es gab im Landhause eine erstaunliche Fülle von Büchern aus allen Wissensgebieten, und auch an Schreibgerät war durchaus kein Mangel. Archimedes arbeitete auch ruhig und unablässig Weiter und fand mehr als einmal Gelegenheit, Aletheia mit seinen Entdeckungen vertraut zu machen. Anfänglich war er überrascht über die kultische Hingabe, mit der sie das Neue aufnahm. Sie saß vor ihm wie ein beschenktes Kind, als er ihr die Entdeckungen über den Inhalt und die Oberfläche offenbarte, und blickte ihn mit weiten strahlenden Augen an. Noch mehr aber war er befeuert, als sie am nächsten Tage mit sauberen Zeichnungen und Rechnungen zu ihm kam und ihn schüchtern fragte, ob sie seine Beweisführungen auch richtig verstanden habe. Durch diese Tat tilgte sie bei ihm den letzten Rest von Misstrauen, denn sie hatte dadurch unwiderleglich festgestellt, dass nicht bloß spielerisches Interesse und oberflächliche Neugier sie zu ihm und zu seinem Werk trieb, sondern dass sie vielmehr seine Welt auch in all ihrer schwierigen Untermauerung erkennen und umfassen wollte.
Eines Nachmittags, als eben wieder einmal die Barke aus Alexandria verschiedene Dinge, die zur Führung des Landsitzes notwendig waren, herübergebracht hatte, kam sie freudig in den Arbeitsraum des Archimedes und stellte eine etwa spannenhohe Alabasterfigur auf seinen Arbeitstisch.
„Zum Andenken an unser erstes Zusammentreffen“, sagte sie. „Der Bildhauer hat es sauber gearbeitet. Erkennst du es, Archimedes?“
Archimedes nahm die Figur in die Hand und lächelte. Es war eine zierliche Nachbildung des Paneions mit seinem spiralförmigen Aufstiegsweg und der Plattform, auf der er das erstemal aus ihrem Munde gehört hatte, dass sie die Wirklichkeit sei.